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Peter Schönlaub
Autor: Peter Schönlaub
peter.schoenlaub@motorrad-magazin.at
18.2.2024

Moto Guzzi Stelvio: Erster Test!Schnelles Abenteuer

Seit mehr als einem Jahr schürt Moto Guzzi die Neugier: Bereits auf der Eicma 2022 wurde verkündet, dass der traditionelle Name und damit ein Adventurebike auf der Basis der neuen V100 Mandello auferstehen würde.

Auf der Eicma 2023 war es dann so weit: Das Tuch wurde gelüftet, die neue Reiseenduro enthüllt. Die wichtigsten technischen Eckdaten haben wir damals bereits niedergeschrieben und könnt ihr hier nachlesen.

Zusammenfassend in Kürze: Die Stelvio erhält den bis ins kleinste Detail identischen Antrieb der V100 Mandello, also den neuen, flüssig gekühlten V2 mit 115 PS, 105 Newtonmeter maximalem Drehmoment und Kardanantrieb. Kleiner Einschub: Der Kardan und dessen Aufhängung im Motorgehäuse wurden massiver ausgelegt, während das Getriebe und der optionale Quickshifter für geschmeidigere Schaltvorgänge und besseres Anfahren überarbeitet wurden. Die V100 des Modelljahrs 2024 übernimmt diese Adaptionen aber ebenfalls.

Dazu kombinierten die Italiener einen völlig neuen Rahmen mit einem ebenso völlig neuem Fahrwerk: Vorne arbeitet eine 46er-Sachs-Gabel, hinten ein KYB-Federbein, beide mit 170 Millimeter Federweg und jeweils in Vorspannung und Zugstufe verstellbar. Die Reifendimensionen wurden natürlich ebenfalls angepasst: Auf den hübschen Speichenrädern  (19/17 Zoll) für schlauchlose Reifen werden Michelin Anakee Adventure aufgezogen.

Die Elektronik wurde leicht angepasst: Über das bekannte 5-Zoll-TFT-Display mit kluger Bedienung steuert man nun fünf Fahrmodi: „Offroad“ kam neu hinzu und bedeutet unter anderem ein deaktiviertes ABS am Hinterrad. Auf zusätzlichem Knopfdruck lässt sich das ABS auch vorne stilllegen.

Die Serienausstattung beinhält neben schräglagenabhängigen Assistenzsystemen, dem Tempomaten, LED mit Tagfahr- und Kurvenlicht sowie einer USB-Buchse an der Front auch eine elektrisch justierbare Scheibe mit 70 Millimeter Verstellweg. Die ausfahrbaren Winglets am Tank – der Gag an der V100 – entfallen, da bei der Stelvio der Tank entsprechend aerodynamisch geformt wurde.

Gegen Aufpreis erhältlich sind der schon erwähnte Quickshifter, Heizgriffe, die MIA-Connectivity, beheizte Komfortsitze für Fahrer/Beifahrer, ein niedrigerer Sattel und natürlich Gepäcksysteme. Die Seitenkoffer entsprechen jenen der V100 (30/29 Liter) und fassen je einen Vollvierhelm. Dazu lässt sich ein kompaktes oder ein riesengroßes (52 Liter) Topcase montieren.

Außergewöhnlich: Fast vom Start weg bietet Moto Guzzi noch eine zweite Modellvariante, die mit zwei Radareinheiten ausgestattet ist. Damit werden ein Kollisionswarner, eine Tote-Winkel-Überwachung und ein Spurwechselassistent geboten; gegen weiteren Aufpreis auch ein adaptiver Tempomat.

Wie sich der sportliche, bullige Antrieb der V100 Mandello wohl in einer Reiseenduro anfühlt? Das haben wir uns im Vorfeld gefragt und kennen nun die Antwort: ebenso sportlich. Die neue Stelvio ist überraschend dynamisch geprägt und nimmt in ihrer Klasse der Premium-Mittelklasse-Adventures ganz klar eine sportliche Rolle ein – also weniger Offroad-Adventure, dafür mehr Straßen-Spaß.

Für diese Positionierung ist natürlich in erster Linie der Motor verantwortlich, der mit herrlich bassiger Soundkulisse anschiebt. Dass er im unteren Drehzahlbereich bis etwa 6000 zwar sauber andrückt, aber erst darüber richtig zornig wird, das rückt in der Stelvio noch etwas mehr in den Vordergrund als bei der V100; wahrscheinlich liegt’s am Zusatzgewicht von rund 15 Kilo.

Im zweiten Gang um eine Haarnadelkurve, das lässt sich ganz sauber bewerkstelligen, aber wenn danach ein vorfahrender Kollege mit Boxermotor am Seil zieht, dann muss man auf der Guzzi die Segel streichen. Also: entweder die kulturellen Vorzüge des V2 genießen – oder im Feuergefecht die Drehzahl hochhalten!

Gleichen Anteil hat aber auch das Fahrwerk, das eher straff abgestimmt wurde, was ein paar Komforteinbußen bei sehr schlechten Straßen mit sich bringt; vor allem das Federbein teilt hier den einen oder anderen Stoß aus. Umgekehrt profitiert man von der Straffheit, wann immer es beherzt zur Sache geht: Selbst bei sehr schnell genommenen Radien oder in Wechselkurven schwingt sich hier nichts auf – und bei harten Bremsmanövern bleibt die stattliche Guzzi extrem stabil.

Zu guter Letzt trägt auch die Ergonomie noch einen Teil zur dynamischen Grundhaltung bei. Für eine Reiseenduro sitzt man recht sportlich – um einen Hauch mehr vorgeneigt, um einen Hauch mit sportlicherer Beinhaltung als bei den meisten anderen Bikes dieser Liga. Aber längst nicht unbequem – dazu kommen wir später noch.

Zuerst ein paar Worte zum Fahrwerk: Ja, es ist straff, aber es wurde sehr harmonisch ausgelegt: Das Einlenken funktioniert mit feiner Hand, der 19-Zöller hat überhaupt keine Einwände gegen das In-Schräglage-Kippen; auch das mit 246 Kilo vollgetankt stattliche Gewicht spürt man, wenn überhaupt, dann nur beim sportlichen Anbremsen bergab.

Sehr gut gefiel uns auch die Stabilität in der Kurve: Unebenheiten werden sauber geschluckt und vermurksen nicht die gewählte Linie – so fasst man rasch Vertrauen und wird mutiger, zumal auch die Michelins einen feinen Job erledigen. Höchst erfreulich: eine großzügige Schräglagenfreiheit.

Ein großer Fortschritt gegenüber der 2023er-Mandello ist auch das Getriebe. Klar, der erste Gang rastet immer noch mit einem ziemlichen Getöse ein, aber dann schaltet man viel sanfter und sauberer durch das Getriebe, das wir in unserem Dauertest der V100 noch „knochig“ nannten.

Der Quickshifter hat ebenfalls davon profitiert und ist für sportliche Fahrer aus unserer Sicht verpflichtend. Den Übergang von Gang Zwei auf Drei trifft er zwar immer noch nicht ordentlich, aber darüber agiert er meist sauber und schneller als bisher. Grandios: das Herunterschalten, speziell beim sportlichen Wirken, wenn ein kurzer Zwischengasstoß aufbellt.

Die Bremsen: sehr gut, mehr ist dazu nicht zu sagen. Die Ablesbarkeit des TFT-Displays und die Bedienung sind blitzsauber, auch hier brauchen wir nicht viele Worte zu verlieren … also gleich weiter zu den Kriterien Komfort und Tourentauglichkeit.

Wenn wir die Sitzhaltung als geringfügig sportlicher gepolt beschrieben haben, dann meint dies nicht, dass die Stelvio ungemütlich wäre. Keineswegs, man ist gut untergebracht auf dem nur 830 Millimeter hohem Sattel. Dank der schmalen Taille erreichen auch kleinere Fahrerinnen und Fahrer gut den Boden, Größere mit Maßen über 1,85 Meter werden wahrscheinlich auf den höheren Komfortsitz zurückgreifen.

Fürs touristische Gehabe bringt die neue Moto Guzzi Stelvio neben dem guten Windschutz und natürlich dem unaufgeregten Kardan ein paar ganz wichtige Zutaten mit: einen Motor, der nicht nur sportlich auftreten kann, sondern auch sehr angenehme Manieren im unteren Bereich hat – und der nicht so giftig ist, dass er einen ständig den Stachel der Übermut ins Fleisch drückt. Man kann sehr sportlich fahren, muss aber nicht: der V2 ist ein gutmütiger Bursche.

Moderat gefahren verbraucht man rund fünf Liter – oder vielleicht zwei, drei Zehntel mehr. Mit dem 21-Liter-Tank sollten sich also Reichweiten von rund 400 Kilometer ausgehen. Und das unkomplizierte Handling spricht ebenfalls für ermüdungsfreies, langes Fahren. Einziges Handicap: das straffe Fahrwerk, das bei Asphaltaufbrüchen (Wurzeln) oder tief gesetzten Kanaldeckeln ein „Vorspannen“ der Muskulatur ratsam erscheinen lässt.

Der Windschutz ist – hervorragend, soweit wir das nach unseren ersten Testfahrten beurteilen können. Wir hatten auch mit sehr böigen Winden, teilweise von der Seite, zu kämpfen, daher lässt sich noch keine endgültige Aussage treffen. In mittlerer oder hoher Position konnten wir mit 1,80 Meter immer noch gut drübersehen, gleichzeitig wäre wohl auch das Fahren mit Jethelm möglich gewesen.

Eine Kleinigkeit versalzt aber die Suppe: Bei ruppiger Fahrbahn beginnt der Windschild in jeder Position außer der ganz unteren zu zittern und zu wackeln. Es wird wohl nichts passieren, wirkt aber nicht besonders elegant. Bei kurzfristig sehr hohem Speed auf der Autobahn (die gemeinhin ja eher glatt ist), lag die ganz hochgezoomte Scheibe dann wiederum ganz ruhig.

Vor dem Ende unserer ersten Eindrücke noch Anmerkungen zu zwei speziellen Themen.

Erstens: Offroad. Sicher nicht im absoluten Fokus, das sieht man dem elegant-sportlichen Erscheinungsbild (ohne hochgezogenem Schalldämpfer) ja auch an. Vor gelegentlichen Schotterstraßen, durchaus auch gröberer Natur, braucht man sich dennoch nicht zu fürchten, das kann die Guzzi allemal. Ein sehr klug gemachter Offroad-Fahrmodus hilft dabei!

Zweitens: Die Radar-Technologie hält, was sie verspricht. Fahrzeuge im toten Winkel oder sich rasch nähernde Fahrzeuge auf der Überholspur werden verlässlich angezeigt. Ob’s einem die 800 Euro Aufpeis in Deutschland oder 1000 Euro in Österreich wert ist, hängt vom Einsatzzweck ab. Aus unserer Sicht ist die Anschaffung natürlich nur dann sinnvoll, wenn man oft auf der Autobahn unterwegs ist. Auf der Landstraße ist der Benefit sehr überschaubar, bei Fahrten in der Gruppe muss man das System sogar deaktivieren, will man nicht dauernd die Warnung vor den begleitenden Kollegen im Rückspiegel und am Display aufflammen sehen.

Unterm Strich, unser erstes Resümee: Die neue Moto Guzzi Stelvio ist überraschend sportlich positioniert, eigentlich zwischen Reiseenduros und Crossoverbikes. Sie bietet extrem viel Fahrspaß mit großartigem V2-Charakter, dazu unkompliziertes Handling und eine ebensolche Bedienung.

Ihre großen Stärken liegen ganz klar am Asphalt, gelegentliche Ausfahrten im Unwegsamen hat man aber natürlich als Option im Konzept dabei. Sehr feine Touringqualitäten werden all jene, die ultimativen Komfort suchen, lediglich von einer etwas straffen Fahrwerkseinstellung als beeinträchtigt ansehen; die sportlicheren werden es sehr mögen. Wie die Stelvio als Ganzes.

Preise Österreich (Stand 02/24)

Moto Guzzi Stelvio: € 17.999,–
Moto Guzzi Stelvio PFF (Radar): € 18.999,–

Preise Deutschland (Stand 02/24)

Moto Guzzi Stelvio: € 16.499,–
Moto Guzzi Stelvio PFF (Radar): € 17.299,–

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