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Test: Ducati Multistrada 1260 SBequem Gemacht
Auch sonst ist der Wohlfühlfaktor hinter dem Lenker hoch. Im Vergleich zur Multistrada 1200 sitzt man im Sattel der 1260 merklich bequemer. Die einst eher auf Sport getrimmte Ergonomie wurde entschärft, der Pilot wird deutlich weniger in eine aggressive Körperhaltung gezwungen - abgesehen vom eine Spur zu spitzen Kniewinkel ist der Sitzkomfort auf der Multistrada 1260 S nun endgültig auf Augenhöhe mit BMW R 1200 GS und KTM 1290 Super Adventure. Besonders glücklich während unserer Testfahrt waren wir über die serienmäßigen Heizgriffe, die die eisige Fahrt selbst in Sommerhandschuhen erträglich machte. Im dichten Nebel garantiert die LED-Lichtanlage bestmögliches Sehen und gesehen werden, und der einhändig während der Fahrt höhenverstellbare Windschild hält einen Großteil der Verwirbelungen von Brust und Helm fern – nur an den Schultern ist ein Luftzug spürbar.
Auf Anhieb bemerkbar machen sich die Anpassungen am Chassis: im Unterschied zu ihrer Vorgängerin lässt sich die Multistrada 1260 S widerstandslos in Kurven dirigieren und folgt dem Radius völlig neutral. Bremsmanöver in Schräglage werden stoisch und frei von jedem Aufstellmoment umgesetzt, die Sachs-Komponenten neutralisieren Bodenunebenheiten souverän und herrlich komfortabel. Dennoch schafft das Fahrwerkssetup den Spagat zwischen Langstreckentauglichkeit und Sprintstärke: auch bei ambitionierter Kurvenjagd mit flottem Tempo in weiten, gripreichen Radien liegt die Multistrada 1260 S satt wie das sprichwörtliche Brett am Asphalt und scheint pausenlos nach gestrecktem Galopp zu gieren. Wer diesem Wunsch folgt und sich trotz voller Beladung mutig an den Bremspunkt heranzoomt, kann sich getrost auf die Bisskraft des Brembo-M50-Monobloc-Ankers verlassen. Höchstens das Bremsgefühl ist ein wenig stumpf, der Druckpunkt nicht eindeutig spürbar. Hier könnte ein Wechsel des Bremsbelag-Typs jedoch schnell und einfach Verbesserungen erzielen.
Mit dem gesteigerten Reisekomfort auf der Ducati Multistrada 1260 S harmoniert auch das neue Triebwerk hervorragend. Lastwechselreaktionen fallen selbst im Sport-Modus kaum ins Gewicht, das Schieberuckeln früherer Multistradas bei konstantem Bummeltempo ist wie weggeblasen. Auch Vibrationen haben bei der Multistrada 1260 S kaum keine Chance: im Schubbetrieb sind sie quasi nicht existent, auf Zug lässt sich höchstens ein sanftes Zittern am Lenker erahnen.
Wie von Ducati vollmundig versprochen, kann das lodernde Feuer im Herzen der Multi ab 3500 Touren jederzeit mit einem Zucken am Gasgriff zum höllischen Flammeninferno entfacht werden. Schubkraft lässt die vollgetankt 235 Kilo leichte Multistrada 1260 in kaum einer Lebenslange vermissen, kein Wunder: zwischen 3500 und 7000 Touren protzt sie mit bis zu 18 Prozent mehr Drehmoment als die Multistrada 1200. Das ist auch gut so, denn wegen der langen Getriebeübersetzung (bei der beinahe Automatik-Feeling aufkommt) sind Gangwechsel eher selten. Egal ob enge Serpentine oder weit mehr als 100 km/h auf Geraden – zweiter und dritter Gang decken alle Gegebenheiten unserer Teststrecke ab. Höher schaltet man höchstens zum Benzinsparen. Schade eigentlich, denn der serienmäßige Quickshifter funktioniert in beide Schaltrichtungen erfreulich gut. Zwar werden Gangwechsel nach wie vor Ducati-typisch von mechanischem Klang begleitet, die Getriebestufen rasten jedoch stets präzise und knackig ein.
Dank abwechslungsreicher Wetter- und Straßenbedingungen auf Gran Canaria sind wir schon vor der Markteinführung im Jänner 2018 völlig überzeugt: die von uns getestete Ducati Multistrada 1260 S um 22.795 Euro stellt alle ihre Vorgänger-Modelle in jeder Hinsicht in den Schatten. Nie zuvor war die Reise-Ducati intelligenter, komfortabler, souveräner, universeller – und selbst in Sachen Sportlichkeit muss man bei der mit Fokus auf Langstrecke entwickelten 1260 keine Einbußen hinnehmen. Denn wer bequem sitzt, ordentlich Power unterm Hintern hat und sich nicht an mühsame Fahrzeug-Allüren anpassen muss, ist ohnehin ganz von alleine einen Hauch schneller unterwegs als sonst.