
Graham Jarvis #1Der Hardenduro-Gott im Exklusiv-Interview
Wieso fährt kaum ein Top-Pilot eine 250er?
Für die Top-Piloten kann das Leistungsplus der 300 über den Sieg entscheiden, auf den steilen Auffahrten ist die Gangauswahl außerdem größer. Für Amateure ist die 250 genauso gut und in engen Passagen sogar leichter und schneller zu fahren. Im Husqvarna-Werksteam haben wir übrigens die freie Wahl ob wir 250 oder 300 fahren wollen, und ich mag die 250er wirklich. Aber die Vorteile der TE 300 beim Uphill überwiegen unterm Strich.
PDS oder Umlenkung – eine Frage, die die Enduristen spaltet...
Auf die Umlenkung würde ich ungern verzichten, sie ist wegen der minimalen Verzögerung beim Ausfedern fehlerverzeihender, stabiler und man muss auf Felsen weniger präzise fahren. Wie meine Ergebnisse beweisen, harmonieren Bike und Fahrer außerdem perfekt.
Jetzt mal ehrlich, welches ist wirklich das härteste Extremenduro-Rennen?
Je älter ich werde, desto härter werden für mich die Mehrtagesevents. Ich bin genauso fit wie früher, aber meine benötigte Erholungsphase zum Beispiel nach den Romaniacs wird einfach länger. Auch die einfacheren Rennen à la Erzberg, die nur 2 Stunden dauern, sind natürlich anstrengend, weil man pausenlos hundert Prozent ans Limit geht.
Was ist dein Lieblingsrennen, auf das Du Dich schon im Vorfeld freust?
Aktuell gar keines (grinst). Jedes davon bedeutet höchste Anstrengungen. Die ersten Stunden gehen ja noch, wenn man müde wird, spürt man die Schmerzen dann stärker. Aber das schönste, abwechslungsreichste Terrain hat für mich eindeutig die Romaniacs. Offen gesagt: während des Rennens kann man ohnehin nichts genießen, erst wenn’s vorbei ist und der Sieg errungen ist – oder man einfach nur nach der Strapaz das Ziel erreicht hat. Wettbewerbe sind eben anders als Freeriden mit Freunden, das einfach fantastisch ist. Dazu komme ich gelegentlich sogar, und ab und zu arbeite ich sogar als Tourguide und Fahrtechniktrainer überall auf der Welt. Ich bereise gerne neue Orte, mache Bekanntschaften, gehe Endurofahren und habe dabei Spaß. Großartige Stunden!
Nervt es Dich vom Publikum ständig nach einer Stunt-Show gefragt zu werden?
Ich fahre gerne Wheelies fürs Publikum, das macht mir nichts aus! Solange sie nicht nach einem Backflip fragen... „Showing off“ macht schon Spaß. Außerdem sind diese Tricks am flachen Parkplatz ein gutes Training, denn man braucht dazu alle Fähigkeiten wie Balance, Kupplungsgefühl, Gaskontrolle und so weiter, die man auch im Wettbewerb braucht.
Welche Fähigkeit muss ein Enduroprofi ganz besonders haben?
Definitv die wohldosierte Kupplungskontrolle. Das ist ausschlaggebend wie erfolgreich man sein kann. Ich fahre immer mit einem Finger auf dem Hebel, höchstens bei müden Armen auf einfachen Passagen kurz einmal mit zwei Fingern zum Ausruhen.
Wieso sind Extrem-Enduros so viel beliebter als das klassische Enduro?
Einerseits macht es den Leuten Spaß andere leiden und stürzen zu sehen. Andererseits können hier auch alle Amateure antreten und sich mit den Profis vergleichen, das geht in der Enduro-WM nicht. Ich glaube aber nicht, dass man bei der Enduro-GP zwangsläufig am Holzweg ist – es wird einfach der Extremenduro-Sektor immer populärer. Wenn’s nach mir geht, sollte auch die Rallye Dakar ein Extrem-Rennen werden! Es muss ja nicht verrückt werden, aber ein paar mehr technisch anspruchsvolle Passagen...
Reizt Dich etwa ein Wechsel ins Rallye-Business?
Die Dakar würde ich schon ganz gerne einmal fahren. Auch wenn ich keine Chancen auf den Sieg hätte würde ich es gerne starten, nur um einmal sowas gemacht zu haben. Das wäre ein neues Abenteuer für mich und ich könnte wieder an neuen Orten Motorrad fahren.
Du scherzt gerne über Dein zartes Alter von 42 Jahren. Wann willst Du in Pension gehen?
Hey, ich bin immer noch jung und lerne von Tag zu Tag dazu! (grinst) Im Ernst, solange ich aufs Podium fahren kann und Spaß habe, bleibe ich dabei. Warum auch nicht!? Würde ich nur Vierter oder Fünfter werden, würde es mich wohl allzu sehr wurmen... Außerdem können höchstens sechs oder sieben Profi-Piloten vom Hardenduro-Sport leben, alle anderen brauchen einen Zweitjob.
Wie sieht Deine Vorbereitung auf die Rennen aus?
Aktuell habe ich kein Trial-Motorrad mehr. Ich gehe nur ins Fitnessstudio, wenn gerade keine Rennsaison ist. Sonst trainiere ich fast ausschließlich auf meiner TE.
Welcher Teil Deines Körpers wird am stärksten strapaziert?
Mein Rücken tut eigentlich immer weh. Aber das ist halt so, wenn man älter wird – egal ob man Enduro fährt oder nicht. Man muss damit leben lernen, und hie und da kann man sich ja ein paar Schmerzmittel einwerfen. Aber eben nicht täglich, sondern nur wenn’s nicht mehr anders geht. Ich habe leider keinen Physiotherapeuten rund um die Uhr zur Verfügung, nur wenn ich mal nach Hause nach England komme. Ich versuche einfach mich möglichst nicht zu verletzen.
Welche Protektoren trägst Du?
Ich fahre nur mit Knie-Orthesen von CTi. Körperprotektoren verwendet kaum ein Hardenduro-Profi, ich auch nicht. Sie schränken die Bewegungsfreiheit allzu sehr ein und es wird darunter einfach zu heiß. Wenn ich auf die Schnauze fliege, weine ich ganz einfach.
Hast Du einen Ernährungsplan?
Aus meiner Ernährung mache ich keine große Wissenschaft, ich versuche einfach ordentlich und gesund zu essen. Trinken während des Rennens dagegen ist schon sehr wichtig, während des Hare Scrambles am Erzberg zum Beispiel trinke ich fast drei Liter Elektrolyt-Getränk aus meinem Camel Back. Dazu ermahne ich mich während des Rennens ständig selbst. Wenn du dehydrierst, ist es vorbei.
Einige Deiner Videos auf Youtube haben schon fast 18 Millionen Views...
Das ist schon ein paar Jahre her, hat aber viel Spaß gemacht. Die direkte Verbindung mit den Fans durch diverse Social Media Plattformen ist großartig, und ich unterhalte die Leute auch gerne. Und natürlich ist es auch gut um im Gespräch zu bleiben. Ich werde wohl bald wieder ein paar coole Videos an interessanten Orten drehen. Vielleicht sollte ich schon mal über ein paar neue Tricks nachdenken. Aber es ist schwer einem alten Hund neue Tricks beizubringen.