Husqvarna 701 SM 2016Das Dauertest-Fazit
Mit einem blütenweißen Motorrad ist es ähnlich wie mit dem Ordinationsmantel eines Arztes: Ist das weiße Kleid mit Schmutz besudelt, verblasst augenblicklich der ehrfürchtige Respekt vor der sonst so eindrucksvollen Erscheinung. Weil man aber ganz besonders mit der sportlichen Husqvarna im City-Alltag und auf Tour stets gern die Blicke auf sich zieht, wurde die 701 öfter und gründlicher gewaschen als jedes andere Fahrzeug unseres Dauertest-Fuhrparks. Nur gut, dass die klaren Formen der durchtrainierten Husky diese Arbeit leicht machen. In wenigen Minuten ist die Austroschwedin mit dem Schwamm abgeschrubbt und mit Rehleder trocken gewienert – schon glänzt jeder Zentimeter ihres Athletenkörpers prachtvoll wie nach einem Bad in Chlorbleiche.
Zumindest fast, denn der weiße Teil der dreifarbigen Sitzbank weigert sich beharrlich gegen jegliche Säuberungsversuche. Vermeiden lässt sich die Verschmutzung leider nicht, nach jeder Regenfahrt rückt die makellose Reine wegen des Schmutzwassers in unerreichbarere Ferne.
Trotz scheinbar übermächtiger Konkurrenz gab sich unsere Husky selbst beim Beschleunigungsvergleich keine Blöße. Während die kurz übersetzte Supermoto auf der klassischen Viertelmeile gegen Yamaha YZF-R1, Ducati X-Diavel & Co. naturgemäß keine Chance hatte, punktete das Leichtgewicht mit seiner fabulösen Beschleunigung aus dem Stand: Tempo 100 erreichte die 701 nach nur 3,75 Sekunden.
Nicht unerwähnt darf in diesem Zusammenhang der sensationell sparsame Durchschnittsverbrauch der Husqvarna 701 bleiben: Selbst bei ambitioniertem Tempo reichen 4,7 Liter für hundert Kilometer.
Doch die 701 sprintet nicht nur stark, sie verzögert auch effizienter, dosierbarer und auf Wunsch brachialer als die meisten anderen Motorräder. Mit eiserner Gewalt beißen die 4-Kolben-Monobloc-Bremszangen in die 320 Millimeter große Stahlscheibe der hervorragenden Brembo-Bremsanlage. Handlich im Radius, sprintstark am Kurvenausgang und gnadenlos in der Bremszone – dieses Erfolgsrezept macht die 701 zu einem beinahe unschlagbaren Gegner auf kehrenreichen Strecken.
Obendrein ist auch gegen die satte Straßenlage des voll einstellbaren WP-Fahrwerks, mit dem die Husky blitzschnell durch Radien aller Art wetzt, kaum ein Kraut gewachsen. Im engen Winkelwerk gibt die Supermoto zweifelsfrei den Ton an und zeigt hier auch leistungsstärkeren Konkurrenten höchstens ihr quadratisches LED-Rücklicht.
Knapp vor Ende des Dauertests erlaubte sich die souveräne 701 dennoch einen kleinen Fauxpas: Die hydraulische Kupplungsbetätigung versagte urplötzlich den Dienst. Aufgrund eines undichten Geberzylinders verabschiedete sich mitten auf Tour ein Großteil der Hydraulikflüssigkeit. Die Husky schaffte die Heimfahrt dennoch aus eigener Kraft, der Druckpunkt wanderte jedoch ans innere Ende des Hebel-Bereichs.
Mit einer luftigen Sitzhöhe von 890 Millimetern blieb der Anteil an weiblichen 701-Käuferinnen wohl überschaubar. Zu groß scheint die Angst, an der roten Ampel mangels Fuß-Bodenkontakt hilflos umzukippen wie ein Wäscheständer im Herbstwind. Trotzdem offerierte das Motorradmagazin im Rahmen des „LadiesCamps“ unser Dauertestfahrzeug interessierten Damen für Testrunden am Wachauring. Die Begeisterung der Teilnehmerinnen war unerwartet groß, das Grinsen unterm Helm angesichts des unkomplizierten Charakters und des spritzigen Vortriebs breit.
Auch die Flattrack-Racerin, LadiesCamp-Instruktorin und Speed-Queen Yasmin Poppenreiter konnte ihre Freude über die 701 Supermoto kaum zügeln, sie brannte einige beherzte Runden auf den Asphalt des Wachaurings und wagte auf der Husky sogar die Verfolgung von Supermoto-Profi Laura Höllbacher und MM-Team-Pilotin Kim Adlhart, die sich auf ihren SM-Wettbewerbsfahrzeugen spektakuläre Showrennen lieferten.
Seit der Eingliederung der Marke in den KTM-Konzern war die 701 Supermoto das erste Straßenmotorrad des austroschwedischen Herstellers, erst Ende 2017 folgen nun die Vintage-Modelle 401 Svart- und Vitpilen. Die 701 bleibt natürlich im Programm, schließlich feierte sie nicht nur in unserem Dauertest, sondern auch bei den Verkaufszahlen stattliche Erfolge: Beachtliche 137 Exemplare wurden 2016 in Österreich zugelassen.
Addiert man weitere 338 verkaufte Stück vom KTM-Schwestermodell 690 SMC-R, offenbart sich ein erfreulicher Trend: Alltagstaugliche Supermotards stehen mehr denn je hoch im Kurs und dürfen daher keinesfalls aussterben. Husqvarna jedenfalls hält die SM-Tradition auch dieses Jahr aufrecht, denn die Euro-4-konforme zweite 701-Generation steht schon in den Startlöchern – jetzt sogar mit sagenhaften 74 statt wie bisher knapp 70 PS. Wir freuen uns schon auf die bevorstehende Premiere im Sattel des aufgemotzten Husky-Quertreibers.