
Kawasaki Ninja 1000SX 2020Bits and Bytes
Bei Mobiltelefonen, Fernsehern, Druckern oder Navigationsgeräten ist es längst kein Geheimnis mehr: die beste Hardware eines Elektrogeräts ist sinnlos, wenn die Software nichts taugt. Bislang sind Motorräder von diesem Phänomen des Computer-Zeitalters großteils verschont geblieben, doch je mehr Elektronik schlichte Mechanik ersetzt, desto relevanter werden klug programmierte Binärcodes auch im Zweirad – nicht nur zur Steuerung des Motors oder von Assistenzsystemen, sondern auch zur multimedialen Vernetzung von Ross und Reiter. Die vom grünen Marketing wohl am lautesten angepriesene Neuerungen des Kawasaki-Jahrgangs 2020 ist daher die Möglichkeit einen Großteil der Fahrzeugmodelle per hauseigener „Rideology“-App mit dem Smartphone koppeln zu können. Bereits bei unseren winterlichen „First Rides“ mit Z650, Ninja 650, Z900 und Z H2 wollten wir die knappe Test-Zeit nutzen um eine Verbindung zwischen unseren Telefonen und dem jeweiligen Motorrad einzurichten – es blieb jedoch wegen der vermeintlich komplexen Koppelung beim Versuch.
Während des Dauertests unserer Ninja 1000SX haben wir nun ausgiebig Gelegenheit das System zu erkunden und können die Kawasaki-Programmierer schon jetzt rehabilitieren: wenn man genau weiß wie, klappt die Verknüpfung mit dem Motorrad - zumindest bei unseren beiden Test-Smartphones mit iOS 13 und Android 10. Nach dem App-Download aus dem entsprechenden Store zuerst die Bluetooth-Verbindung im TFT-Menü der Ninja aktivieren und „Pairing open“ wählen. Dann „Rideology“ starten, gegebenenfalls sämtliche Freigabeanforderungen bestätigen und direkt über die App mit dem Fahrzeug koppeln. Zuletzt das Pairing am Fahrzeug auf „limited“ setzen – fertig. Nun offenbaren sich die drei Hauptfunktionen der App: das Auslesen der Fahrzeugdaten entsprechend der Anzeigen im Cockpitinstrument (Gesamtkilometer, Trip 1/2, Gesamtfahrzeit, Restreichweite, Durchschnittsverbrauch, Tankfüllung, Durchschnittstempo, maximale Schräglage, nächstes Service, Batteriespannung), der Touren-Rekorder und das Elektronik-Setup (Motorkennlinie, Traktionskontrolle, Schaltblitz, Quickshifter, je nach Fahrzeug auch elektronisches Fahrwerk und Motorbremse). Im Wesentlichen bietet „Rideology“ damit sämtliche Funktionen, die auch direkt im Menü des Fahrzeugs justiert oder abgelesen werden können - die App ist somit eine nette Spielerei, aber weder besonders hilfreich noch unbedingt notwendig.
Als echter Mehrwert und damit besonders spannend erweist sich dagegen das Data-Recording: Wird bei Fahrtantritt die Aufzeichnung gestartet, speichert die App während der Fahrt bis zu zehn Parameter, die nach Ende der Tour detailliert ausgelesen werden können. Neben beispielsweise Drehzahl, Tempo, Gang, Kühlwasser-Temperatur, Beschleunigung, Gasstellung und Bremsdruck werden bei den H2-Modellen sogar Temperatur und Ladedruck des Kompressors protokolliert. Während Rennstreckenpiloten auf der Jagd nach Rundenrekorden für eine derart umfangreiche, simple Datenauswertung vor einigen Jahren noch ihre Großmutter verkauft hätten, scheint im Falle der Ninja 1000SX die nachträgliche Analyse einer Landstraßentour eher übertrieben. Bei erstmaliger Verwendung der Tracking-Funktion liefert die App natürlich auch allen Motorrad-Reisenden interessante Erkenntnisse, auf Dauer verliert das Datensammeln mangels gravierender Abweichungen jedoch seinen Reiz.
Trotzdem verdient „Rideology“ unterm Strich eine positive Bewertung, auch wenn wir uns von Kawasaki für die Zukunft einen noch größeren Funktionsumfang wünschen. Aktuell charakterisiert das österreichische Sprichwort „hüft’s nix, so schodt’s nix“ die kostenfreie Kawasaki-App am Besten. Zu guter Letzt soll der größte Wermutstropfen nicht unerwähnt bleiben: Die durchaus praktische Anzeige von eingehenden Anrufen und Emails am Cockpitinstrument ist in der Rideology-Version 10.7 zwar theoretisch verfügbar, konnte jedoch weder über Apple- noch über Android-Smartphone erfolgreich aktiviert werden. Hier hoffen wir auf ein baldiges App-Update vor Saisonende.