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Markus Reithofer
Autor: Markus Reithofer
markus.reithofer@motorrad-magazin.at
11.8.2017

Mm- Reifentest 2017Fünf Sportreifen im Vergleich

Wir testen fünf aktuelle Sportreifen für die Straße. Dabei können wir die Ergebnisse nicht nur subjektiv einordnen, sondern mit präzisen Daten des Messtechnik-Teams aus der Entwicklungsabteilung von KTM in Mattighofen untermauern. Genauer geht es nicht.

Straßentaugliche Sportreifen zählen für die Hersteller
zu den technisch anspruchsvollsten Entwicklungsleistungen. Einerseits müssen sie zulassungstauglich sein und daher im Alltag auf öffentlichen Straßen unter allen Bedingungen maximale Sicherheit liefern, gleichzeitig aber extremen Grip, flottes Handling und perfekte Spurstabilität bieten. Und dann sollten sie bitte noch mindestens 10.000 Kilometer halten ...

Reifenentwickler sind deshalb vor allem Meister der gelungenen Kompromisse. Es ist nach wie vor unmöglich, alle Forderungen an einen Motorradreifen mit der gleichen Gewichtung unter einen Hut zu bringen. Reifen, die in einer Kategorie exzellente Leistungen liefern, erkaufen sich diese immer mit Einbußen in anderen Bereichen. Das ist auch der Grund, warum es nicht den „besten“ Reifen geben kann: Es hängt immer davon ab, in welche Richtung man als Fahrer am ehesten kompromissbereit ist.

Sicher ist, dass kein Reifen ewig leben kann. Der so genannte Schlupf, also ein permanentes mehr oder weniger starkes Durchrutschen der Reifen im einstelligen Prozentbereich sorgt auch bei konstanter Geschwindigkeit dafür, dass überhaupt Grip aufgebaut werden kann. Die dabei übertragene Kraft ermöglicht aber nicht nur das Fahren, Beschleunigen und Bremsen, sondern belastet auch die Lauffläche des Reifens und führt zu ihrer Abnutzung (siehe Kapitel „Wie lange halten Reifen?“). Der Schlupf wirkt sich also gleichzeitig auf Grip und Lebensdauer aus, wodurch die „weichen Radiergummis“ unter den Reifen ihre Seele entsprechend rascher aushauchen als härtere Gummimischungen.

Die Kunst bei der Konstruktion eines Reifens liegt darin, den Schlupf über den Aufbau der Karkasse und die Wahl der Gummimischung so zu optimieren, dass er möglichst viel Grip erzeugt, ohne zu viel Verschleiß zu bewirken. Hinzu kommt das Temperaturproblem (siehe Kapitel „Reifentemperaturen“).

Eine eigene Disziplin ist der Grip auf nassem Untergrund, also bei einer typischen Fahrt im Regen. Niemand macht das absichtlich, aber auch die schönste Alpenrunde kann plötzlich von einem Gewitter heimgesucht werden. Damit man sich als Fahrer bei Regen nicht komplett umstellen muss, sollten auch sehr sportliche Reifen einen Nassgrip mitbringen, der sich möglichst wenig vom Trockengrip unterscheidet. Seit die Gummimischungen mit Silica ergänzt werden, haben sich die Nasseigenschaften von Motorradreifen erheblich verbessert. Darüber hinaus gibt es alle paar Jahre Innovationen, mit denen der Nassgrip noch weiter erhöht wird, wodurch wir heute bei Regen mit Fahrleistungen rechnen dürfen, die vor 15 Jahren unvorstellbar waren. Der klare Favorit unserer Bremswegmessungen – der Conti Sport Attac 3 – benötigt bei regennassem Asphalt für die Bremsung von 100 auf 0 km/h nur 9 Prozent mehr Bremsweg als auf trockener Fahrbahn. Ein sensationelles Ergebnis, das nahelegt, dass man jedenfalls mit diesem Reifen bei Regen sehr viel weniger in Zurückhaltung üben muss als man üblicherweise annimmt. Dennoch bleibt der Übergangsbereich zwischen sicherer Haftung und unrettbarem Wegrutschen bei Nässe sehr viel enger als auf trockener Fahrbahn. Auch mit Traktionskontrolle und Kurven-ABS ist es also eine gute Idee, bei Regen einen höheren Sicherheitspolster im Hinterkopf zu haben.

Für einen Sportreifen sind seine Handlingeigenschaften ähnlich wichtig wie der Grip. Ein möglichst geringer, aber doch kontrollierbarer Kraftaufwand beim Einlenken und danach eine hohe Präzision und Stabilität in Schräglage sind Zutaten, über die sich nicht nur sportlich orientierte Fahrer freuen. Der Aufbau der Karkasse und die Form der Laufflächenkontur sind wichtige Faktoren für das Handling, die von den Herstellern mit unterschiedlichen Philosophien und technischen Lösungen optimiert werden. Darauf im Detail einzugehen, würde diesen Test aber bei weitem sprengen. Als Fahrer genügt es uns schließlich die Information, wie gut ein Reifen im Vergleich mit anderen ist.

 

SO TESTEN WIR REIFEN

Datenerfassung

Als wir vor fast zwei Jahrzehnten unseren ersten mit Messtechnik
unterstützten Reifentest durchgeführt haben, waren wir noch auf einen Professor der TU Wien und teure wissenschaftliche Ausrüstung angewiesen. Ein einzelner Beschleunigungssensor samt Laptop wurde auf den Tank geschnallt und die Auswertung war entsprechend schwierig und fehlerbehaftet.

Heute gibt es Motorräder wie die KTM 1290 Super Duke R, die serienmäßig mit einer ganzen Armada an Sensoren ausgerüstet ist, die eigentlich für die Realisierung der Traktionskontrolle und des Kurven-ABS zuständig sind. Die KTM-Techniker können diese Sensordaten per Telemetrie auslesen und daraus Rückschlüsse auf die Reifen ziehen. Dazu haben wir neben den Beschleunigungssensoren (insgesamt fünf Achsen) auch den Druck in der Bremsleitung ausgelesen und die Daten mit einem 12,5-Hz-GPS verknüpft. Die auf den Rücksitz geschnallte Racelogic Vbox diente auch als Interface und zur Datenübertragung.

ABS und Traktionskontrolle waren eingeschaltet (Standardeinstellung), damit wir unbewusste Einflüsse des Fahrers beim Bremsen und Beschleunigen eliminieren konnten. Der Reifenluftdruck entsprach den Vorgaben von KTM (2,5 und 2,9 Bar), da hier keine Rennreifen, sondern straßentaugliche Sportreifen getestet wurden. Alle Reifen wurden auf eigene Felgen inklusive Bremsscheiben montiert und vor dem Test zusammen mit diesen eingefahren. Getestet wurden die Originaldimensionen, also 190/55-17 und 120/70-17. Von KTM offiziell empfohlen wird für die Super Duke R des Jahrgangs 2017 übrigens ausschließlich der Metzeler Sportec M7 RR.

Bremsmessungen
Pro Reifenpaarung haben wir mit der Super Duke R am ÖAMTC Fahrtechnikzentrum Melk (Wachauring) je fünf Vollbremsungen von 100 auf 0 km/h mit ABS zunächst auf trockener Fahrbahn mit kalten Reifen durchgeführt. Durch die hohen Außen- und Asphalttemperaturen starteten wir trotzdem mit Reifentemperaturen von rund 30 °C. Anschließend wurden die Messungen auf dem selben Asphaltabschnitt mit per Reifenwärmer auf 50 °C vorgewärmten Reifen wiederholt, um eine Aussage über die Temperaturabhängigkeit des Grips treffen zu können. Den dritten Teil absolvierte Motorradmagazin-Testfahrer Roland Schuch auf einer gleichmäßig gefluteten Strecke, die dem Fahren bei intensivem Regen entspricht. Die Temperaturen beider Reifen wurden nach jeder Einzelbremsung gemessen.

Handlingkurs
Ein auf der selben Strecke abgesteckter Handlingparcours wurde fünf Mal unter maximaler Nutzung der Möglichkeiten der jeweiligen Reifen abgefahren und dabei die vollständige Fahrdynamik mitgemessen. Der von uns beabsichtigte Sensor für das Lenkdrehmoment stand leider nicht zur Verfügung, weshalb wir die Einlenkkräfte nur subjektiv feststellen konnten.

Beschleunigung in Schräglage
Auf einer Kreisbahn wurde bei vorgegebener Geschwindigkeit, Schräglage und Gangwahl fünf Mal hintereinander an der selben Stelle schlagartig Vollgas gegeben. Das Einsetzen der Traktionskontrolle haben wir gemeinsam mit den Beschleuigungssensoren aufgezeichnet und die Reifentemperaturen vor und nach dem Test kontrolliert. Die Idee dahinter: Hat ein Reifen mehr Grip, setzt die Traktionskontrolle später ein.

Rundkurs
Die klassische Art, einen Sportreifen zu testen, darf auch hier nicht fehlen: Motorradmagazin-Racingexperte Roland Schuch hat die Super Duke R mit jeder Reifenpaarung über den Wachauring geprügelt und wurde gleich anschließend interviewt. Seine Fahreindrücke bilden trotz des hohen Messaufwands einen unverzichtbaren Anteil am Gesamteindruck.

TESTERGEBNISSE

Unsere Punktevergabe ist nicht als lineare Maßzahl, sondern als qualitative Reihung zu verstehen. Beispielsweise ist das Handling des Dunlop nicht doppelt so gut wie das des Metzeler. Faktisch bewegen sich die Unterschiede in engen Grenzen und es braucht auf der Rundstrecke einen sehr erfahrenen Piloten, um sie eindeutig zuordnen zu können. Es gab in unserem Test-Quintett keinen wirklich schlechten Reifen, wobei doch auffällt, dass ausgerechnet die Serienbereifung der KTM am enttäuschendsten abgeschnitten hat. Alle Reifen sind in den gängigen 17-Zoll-Dimensionen vorne ab 110/70 und hinten von 150/60 bis 200/55 erhältlich. Den Bridgestone gibt es auch in 130/70-16.

Bridgestone Battlax S21

Trockengrip: ****
Trockengrip Schräglage: ****
Nassgrip: **    
Handling: ***

Am Vorderreifen mehr Grip als Metzeler, Pirelli und sogar Dunlop. Hinten ist allerdings der Dunlop eine Spur besser als der Bridgestone. Beim ganz harten Bremsen zeigt er ein etwas höheres Aufstellmoment, aber so lange man nicht zu sehr über das Vorderrad bremst, fährt er sich in Schräglage gleich wie der Dunlop und eine Spur schärfer als Metzeler und Pirelli, stellt aber mehr auf. Die Handlingeigenschaften wirken etwas träger als beim Dunlop und liegen etwa auf dem Niveau des Pirelli.
Conti Sport Attack 3

Trockengrip: *****
Trockengrip Schräglage: *****
Nassgrip: *****   
Handling: *****

Während die anderen vier Reifen bei unserem Test mit einer Asphalttemperatur von 32 °C praktisch vom Start weg gut funktioniert haben, braucht der Conti eine kurze Aufwärmphase, die nach ein, zwei Runden abgeschlossen ist. Ab dann stellt er alle Konkurrenten in den Schatten. Obwohl der Grip am Hinterreifen bereits auf einem sehr hohen Niveau rangiert, gibt es an der Front noch viel mehr davon. Das erzeugt ein außergewöhnlich großes Vertrauen beim harten Einlenken und damit genau das, was man bei einer sportlichen Fahrweise schätzt. Unterstützt wird das vom leichtesten Einlenkverhalten unseres Vergleichs, wobei es dennoch keinerlei Tendenz zu Unruhe oder gar Pendeln gibt. Das macht ihn auch zum klaren Handling-Favoriten. Der Conti zeigt allerdings typische Eigenschaften einer weichen Gummimischung, was die Vermutung nahelegt, dass seine Haltbarkeit bei gleicher Behandlung spürbar kürzer als bei der Konkurrenz ausfällt.

Dunlop Sportsmart 2 Max

Trockengrip: ****
Trockengrip Schräglage: ****
Nassgrip: **    
Handling: ****

Deutlich besserer Grip als Metzeler und Pirelli, was sich vor allem am Hinterreifen positiv bemerkbar macht. Dabei ist der Dunlop zusätzlich stabiler und lenkt schärfer ein. In Schräglage kann man ihn voll bis zum Einsetzen der Traktionskontrolle belasten, ohne dass irgendeine Unruhe spürbar wird. Bei sportivem Fahren schaffen diese Eigenschaften ein hohes Maß an Vertrauen. Das Handling ist nicht direkt besser, aber während man mit dem Pirelli runder einlenken muss, erlaubt der Dunlop auch ein zackigeres, schärferes Hineinstechen in die Schräglage. Für besonders kurvenreiche Strecken bringt das sichere Zeitvorteile. Das Aufpendeln beim Einsetzen des Kurven-ABS ist um rund ein Drittel schwächer ausgeprägt als bei Metzeler und Pirelli.
Metzeler Sportec M7 RR

Trockengrip: ****
Trockengrip Schräglage: ***
Nassgrip: ***   
Handling: **

Die Serienausstattung der aktuellen KTM Super Duke R bietet in Schräglage zwar Grip auf hohem Niveau, kommt aber nicht an die Konkurrenten heran. Das Einsetzen der Traktionskontrolle verursacht keine Stabilitätsprobleme, sie greift aber vergleichsweise früh ein. Wenn das Kurven-ABS aktiv wird, ergibt sich ein unangenehmes Aufschaukeln, das in dieser ausgeprägten Form nur der Metzeler zeigt. Bei schneller Gangart sollte man mit diesem Reifen in Schräglage eher nicht auf der Bremse bleiben, wenn man Wert auf Kurvenstabilität legt. Das Handling ist zwar problemlos, aber aus sportlicher Sicht unspektakulär und vergleichsweise träge.
Pirelli Diablo Rosso III

Trockengrip: ****
Trockengrip Schräglage: ***
Nassgrip: ***   
Handling: ***

Der Hinterreifen fühlt sich exakt wie der Metzeler an, während der Vorderreifen den Eindruck einer stabileren Karkasse vermittelt. Beim Einlenken ist der Pirelli präziser und folgt der gewählten Linie besser als der Metzeler. Auch das Aufschaukeln beim Einsetzen des Kurven-ABS ist schwächer ausgeprägt, was auf eine günstigere Eigendämpfung des Vorderreifens schließen lässt. Das Handling ist etwas besser als beim Metzeler. Ein Grip-Unterschied zwischen Metzeler und Pirelli ist nicht feststellbar, durch die Vorteile des Vorderreifens ist der Pirelli aber zu bevorzugen.

INTERVIEW

Andreas Keim, NVH/ Data Recording, KTM Group

Ohne Unterstützung der Forschungs- und Entwicklungsabteilung von KTM wäre dieser aufwändige Test nicht möglich gewesen. Andreas Keim ist im Messtechnik-Team bei KTM in Mattighofen Spezialist für Data Recording. Anforderungen wie die Messung, Auswertung und Interpretation von fahrdynamischen Daten sind daher sein Berufsalltag. Um so mehr, wenn es um die aktuelle KTM 120 Super Duke R geht; es gibt nur eine Handvoll Entwicklungstechniker, die die technischen Besonderheiten dieses Motorrad so gut kennen.

Herr Keim, warum war die Messung des Schräglagengrips so schwierig?
Dafür gibt es zwei große Einflussfaktoren: Absolut vergleichbare und reproduzierbare Testbedingungen bei Schräglagefahrten mit dem Motorrad sind aufgrund des Fahrereinflusses nicht möglich, selbst ein sehr routinierter Fahrer schafft es nicht Geschwindigkeit, Schräglage, Radius, gleiche Gewichtsverteilung, Gasgriffstellung und Gasgriffgradient beim Beschleunigen etc. konstant zu halten. Alle Faktoren beeinflussen sich gegenseitig. Der zweite Punkt liegt in den Regelsystemen, die für einen Reifen optimiert und appliziert sind. Ein Reifen mit höherem Gripniveau wird vielleicht vor seinem Optimum schon von der Traktionskontrolle herunter geregelt und ein anderer Reifen wird mit zu viel Schlupf gefahren.

Werden objektive Messungen in Zukunft die subjektiven Eindrücke von Testfahrern ersetzen können?
Zur Bewertung eines Reifens spielt das Feedback des Testfahrers weiterhin eine große Rolle. Allerdings wird versucht, die subjektiven Erkenntnisse und das Verhalten des Motorrads Schritt für Schritt besser mit Messdaten abzugleichen.

Wie lange halten Reifen?

Ein vertrauenswürdiger Bekannter hat Ihnen erzählt,
dass er mit Reifen X nur 2500 Kilometer gefahren ist, mit Reifen Y aber 4000? Gut gemeint, aber kein Grund für einen Kauf.

Erstens, weil einmalige Erfahrungen unter nicht definierten Testbedingungen generell keine Aussage zulassen und zweitens, weil sich der Reifenverschleiß bei nur minimal höherem Schlupf drastisch erhöht (siehe Grafik). Auch der Reifenluftdruck hat einen wichtigen Einfluss. Etwa der Prozentsatz, der zu wenig Druck im Reifen ist, entspricht der Reduktion der Lebensdauer. Also 0,25 Bar zu wenig bewirken rund zehn Prozent größeren Verschleiß – am Hinterreifen je nach Fahrverhalten noch deutlich mehr.

Schon eine sehr geringe Änderung in der Summe der Fahrbedingungen zwischen Reifen X und Y können daher einen wesentlich größeren Einfluss auf den Gesamtverschleiß haben, als die technisch bedingten Unterschiede der Reifen bewirken. Zuverlässig ist das nur am Reifenprüfstand feststellbar. Lange Laufleistungen kommen also sehr viel weniger vom Reifen als vom Verhalten des Fahrers. Wer sanft beschleunigt und bremst und das Durchschnittstempo niedriger wählt, wird mit einer drastischen Zunahme der Reifenlebensdauer belohnt.

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