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Motorrad WissenPS gleich Geschwindigkeit
Jedes PS zählt? Hand aufs Herz: Wer schaut beim Betrachten der technischen Daten eines Motorrads nicht zuerst auf die Leistung? Beim PS-Aufmarsch der aktuellen Superbikes sind 200 Pferde quasi das aktuelle Minestmaß. Aber wieviel bringen eigentlich 20 PS mehr, wenn es um den Topspeed geht? Das Problem mit der Geschwindigkeit ist, dass sie - wenn man den Rollwiderstand vernachlässigt - proportional zur dritten Potenz der Antriebsleistung steigt. Wenn man nur den Luftwiderstand berücksichtigt, braucht also acht Mal so viel Leistung, wenn man die doppelte Geschwindigkeit erreichen will.
Für ein durchschnittliches Sportmotorrad kann man mit dieser vereinfachenden Annahme die für einen bestimmten Topspeed erforderliche Motorleistung mit dieser Formel berechnen: Leistung (PS) = ((km/h)/53)^3
Für 100 km/h reichen nach dieser einfachen Formel also schon knapp 7 PS, für 200 km/h etwa 54 PS und für 300 km/h über 180 PS. Umgekehrt schafft das gleiche Motorrad mit zusätzlichen 20 PS – was schon einem sehr aufwändigen Tuning entspricht – gerade einmal 310 km/h. Noch trauriger sieht es mit der Beschleunigungsverbesserung aus, weil dabei die Leistung auch noch möglichst schlupffrei über den Reifen auf die Straße gebracht werden muss.
Wenn man sich die Verhältnisse genauer ansieht, muss man neben dem Luftwiderstand auch den Rollwiderstand berücksichtigen. In der Größenordnung bleibt der Rollwiderstand ab 0 km/h über einen weiten Geschwindigkeitsbereich etwa konstant und nimmt ab zirka 150 km/h langsam zu. Man muss für den gesamten Leistungsbedarf also die Summe der Fahrwiderstände aus Roll- und Luftwiderstand jeweils bei Geschwindigkeit A und bei Geschwindigkeit B betrachten. Macht man das bei einem gängigen Supersportmotorrad, kommt man beispielsweise bei einer Beschleunigung von 120 km/h auf 240 km/h auf einen erhöhten Leistungsbedarf von einem Faktor 5-6, anstatt dem nur über den Luftwiderstand berechneten Faktor 8. Das liegt an dem bei der niedrigeren Geschwindigkeit höheren relativen Anteil des Leistungsbedarfs zur Überwindung des Rollwiderstands.
Und noch ein Faktor spielt eine Rolle: Je höher die Geschwindigkeit, um so höher ist der Schlupf am Hinterrad, was einen Teil der eigentlich verfügbaren Motorleistung in Reifenabrieb, statt in Geschwindigkeit verwandelt.
Markus Reithofer