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Motorradwirtschaft in ÖsterreichArge 2Rad Studie
In Anwesenheit der Verkehrsministerin Eleonore Gewessler (Die Grünen) hat der Dachverband der Zweiradindustrie in Österreich (Arge 2Rad) heute die Ergebnisse einer von der Economica GmbH durchgeführten Studie präsentiert, die die Bedeutung der Motorradwirtschaft in Österreich genau unter die Lupe nimmt.
Der Zweiradboom ist seit Jahren ungebrochen und hat durch die Pandemie einen weiteren Aufschwung erfahren. Knapp 900.000 zugelassene einspurige Kraftfahrzeuge befahren Österreich und es kommen jährlich rund 45.000 hinzu. Der Anteil der motorisierten Einspurigen an allen zugelassenen Fahrzeugen beträgt 10,7 Prozent – jeder 9. Österreicher über 15 Jahren besitzt also ein motorisiertes Zweirad.
Gegen eine Überlastung der Straßen, Treibhausgas-Emissionen und Parkraum-Mangel sind Motorräder und Mopeds nachweislich ein probates Gegenmittel: Sie können unter bestimmten Bedingungen an Staus vorbeifahren und erleiden daher nur ein Drittel der staubedingten Kosten. Dazu stoßen sie laut Studie im Durchschnitt ein Drittel weniger CO2 aus als PKWs und benötigen weniger als ein Drittel Platz zum Parken.
Pro zurückgelegtem Kilometer steht ein PKW in Österreich etwa 6,57 Sekunden im Stau, ein Zweirad dagegen nur 2,19 Sekunden. Unterm Strich resultieren aus 134 Millionen Stunden verlorener Zeit beim Pkw 1,65 Milliarden Euro Wertverlust – durch das schnellere Vorankommen der Zweiradfahrer werden bereits heute 1,6 Millionen Stunden beziehungsweise 19 Millionen Euro eingespart.
Auch der Umwelt kommt der Umstieg aufs Kraftrad zugute. Während ein Pkw durchschnittlich 149,4 g/km CO2 emittiert, sind es beim Zweirad im Mittel 97,1 g/km. Bei einer Fahrleistung der Zweiradfahrer von 1,66 Milliarden Kilometern pro Jahr ergeben sich daraus 86.800 Tonnen weniger CO2-Ausstoß. Das entspricht dem jährlichen CO2-Ausstoß von rund 10.000 Personen.
Großes Wachstumspotenzial sieht die Erhebung besonders im urbanen Raum. Wien hat mit rund 13 Prozent die geringste Dichte an Motorrädern und Mopeds in Österreich und ist obendrein die staureichste Stadt unseres Landes. Die Zeitverluste in Wien summieren sich zu 17 Mio. Stunden pro Jahr, das entspricht 231 Millionen Euro. Würden weitere 13 Prozent der Pkw-Fahrer in der Bundeshauptstadt aufs Zweirad umsteigen (26 Prozent entspräche dem aktuellen Wert von Mailand, das hinsichtlich Größe und klimatischen Bedingungen vergleichbar ist),
- könnte 1 Quadratkilometer Parkfläche (128 Fußballfelder) eingespart werden
- könnte die Pendelzeit um 929.000 Stunden reduziert werden (Zeitkostenersparnis 12,3 Mio. Euro)
- könnten Treibstoffkosten in Höhe von 8,3 Mio. Euro eingespart und
- 16.900 Tonnen CO2-Äquivalent vermieden werden.
Zu guter Letzt geht die Arge-2Rad-Studie auf die oft unterschätzte Bedeutung der Motorradwirtschaft auf die heimische Ökonomie ein. Jeder 108. erwirtschaftete Euro in Österreich ist laut Economica GmbH auf das Motorrad zurückzuführen. Alleine die Herstellung, der Handel und die Reparatur von einspurigen motorisierten Fahrzeugen generieren einen Wertschöpfungsbeitrag von 782,5 Mio. Euro. Im gesamten Wertschöpfungsnetzwerk Motorrad erhöht sich dieser Betrag auf 3,3 Mrd. Euro, was einem beachtlichen Anteil von 0,92 Prozent der heimischen Wirtschaftsleistung (Größenordnung der Papierindustrie) entspricht. Fast 1,7 Mrd. Euro fließen dadurch an Steuern und Abgaben an die Gebietskörperschaften zurück. 40.400 Arbeitsplätze wurden österreichweit durch die Motorradwirtschaft geschaffen bzw. gesichert – 9 von 10 Jobs sind dabei sogar Vollzeit.
Mit der Pandemie stieg zwar die Nachfrage nach Motorrädern stark, gleichzeitig kam aber auch zu Produktionsstopps, Schließungen im Einzelhandel sowie zur Absage von Messen und Veranstaltungen. Dennoch sind Produktion, Handel und Reparatur mit einem Wertschöpfungsminus von 2,5 Prozent verhältnismäßig gut durch die Krise gekommen. Die Zahl der Beschäftigten konnte im Vergleich zu 2019 sogar um 0,3 Prozent gesteigert werden. Obwohl die Kurzarbeit viel abfedern konnte, wurden der Motorradtourismus und Veranstalter stärker getroffen: hier reduzierte sich die Wertschöpfung um 15,9 Prozent auf knapp 2,8 Mrd. Euro, die Zahl der Beschäftigten um über 6.000.
„Es freut uns, dass wir uns trotz der auch für uns schwierigen Rahmenbedingungen in den letzten beiden Jahren auf das Vertrauen unserer Kunden verlassen konnten,“ so Mag. Ing. Hubert Trunkenpolz, Vorstandsmitglied der KTM AG und der Pierer Mobility AG und Obmann der Arge 2Rad. „Alle sogenannten PTWs (Powered Two Wheelers) haben in den letzten Monaten eine ganz besondere Rolle in der Gesellschaft eingenommen und sich als wichtiges, unverzichtbares, leistbares und individuelles Fortbewegungsmittel endgültig etabliert,“ so Trunkenpolz weiter.
Während die präsentierten Daten eindrucksvoll den schon jetzt nachweisbaren positiven Einfluss des motorisierten Zweirades auf Verkehrssituation, Umwelt und Wirtschaft verdeutlichen, verweist Ministerin Gewessler auf das langfristige Vorhaben „Klimaneutralität“. Einfach nur den CO2-Ausstoß zu reduzieren, sei für die Erreichung dieser ehrgeizigen Zielsetzung nicht genug, mahnt die grüne Ministerin. Beim Individualverkehr setze man daher weiterhin ganz generell den Schwerpunkt auf Elektromobilität.
Österreich bewegt sich im Europavergleich mit bereits mehr als 20 Prozent Elektroanteil am gesamten Mopedbereich (8 Prozent im 125er-Segment) im absoluten Spitzenfeld. Selbst bei konstantem Wachstum werden bei den Mopeds schon vor 2030 hundert Prozent der neuzugelassenen Fahrzeuge rein elektrisch unterwegs sein, prognostiziert die Arge 2Rad. „Besonders im urbanen Bereich ist diese Entwicklung bereits weit fortgeschritten und auch in den Regionen sehen wir viel Potenzial für E-Zweiräder – für den Weg zum Bahnhof oder in die Arbeit, oder als Ersatz für das Zweitauto“, so Karin Munk, Generalsekretärin der Arge 2Rad.