Nächster Schritt im Kampf um die finanzmarode italienische Nobelmarke. In einem Interview mit der Tageszeitung „Il Giorno“ Ende April hat Mehrheitseigentümer und Geschäftsführter Giovanni Castiglioni angekündigt, seinen Teilhaber Mercedes-AMG loswerden zu wollen. Die Deutschen besitzen aktuell ein Viertel von MV Agusta. Das pikante Detail: Wenn Mercedes-AMG das Schiff verlässt, können die Banken einen Teil der ausständigen Kredite sofort fällig stellen. Damit wäre MV Agusta endgültig pleite. Wie also will Castiglioni die Deutschen loswerden und trotzdem seine Firma retten?
Das ginge nur, wenn ein anderer Investor einspringt. Der müsste die Sicherstellungen bei den Banken übnernehmen, Mercedes-AMG auszahlen und zusätzlich so viel Geld zuschießen, dass MV Agusta wieder liquid ist und anständig weiterarbeiten kann. Pi mal Daumen sprechen wir da von einem dreistelligen Millionenbetrag. Wer soll den locker machen, vor dem Hintergrund, dass Castiglioni dann immer noch am Ruder steht und weiterhin seine völlig abstrusen Wachstumspläne schmiedet, die MV Agusta dorthin gebracht haben, wo man heute steht: am Abgrund. So ist es schwer vorstellbar, dass der junge Italiener wieder einen Großkonzern zum Umgarnen findet, zumal seine diesbezüglichen Talente offenbar nicht jenen seines verstorbenen Vaters entsprechen.
Überdies hat es auch branchenweit die Runde gemacht, dass Castiglioni im vergangenen Jahr über die Köpfe seines Teilhabers Mercedes-AMG hinweg mit dessen Konkurrenz – Volkswagen – über eine Beteiligung verhandelt hat. VW ist nach dem Abgasskandal und den damit verbundenen Einsparungsmaßnahmen natürlich vom Tisch und Mercedes nachvollziehbarerweise verschnupft. Ungeschickter kann man sich nicht zwischen zwei Sessel setzen. Die Schwaben scheinen sich momentan zurückzulehnen und zuzusehen, wie Castiglioni um sein Überleben rudert. Angeblich wären sie bereit, notwendiges Geld zuzuschießen – die einfachste Lösung, zumal es sich aus Sicht von Mercedes um Peanuts handelt –, allerdings nur unter der Bedingung, dass sich Castiglioni vom Chefsessel verabschiedet. Das wiederum schmeckt dem stolzen Italiener nicht.
Der laviert sich seit Mitte März in einem „kontrollierten Insolvenzverfahren“ durch. Das bedeutet, dass die Verbindlichkeiten – mittlerweile rund 50 Millionen Euro – eingefroren sind, damit das Unternehmen halbwegs normal weiterarbeiten kann. Im Interview mit „Il Giorno“ hat Castiglioni auch skizziert, wie diese neue Normalität aussehen soll: Die Investitionen in Forschung und Entwicklung werden von 15 auf sieben Millionen Euro heruntergefahren, das Motorsportbudget wird von vier Millionen auf 600.000 Euro reduziert. Die Jahresproduktion sinkt von rund 9000 auf 6000 Stück, rund 200 Mitarbeiter werden wohl den Job verlieren. Keine gute Perspektive nach unserer Ansicht.
Dennoch klopft der Bentley-Fahrer noch immer Sprüche: Die Asiaten, Amerikaner und Deutschen kommen und gehen, aber wer immer bleibe ist die Familie Castiglioni, meint er sinngemäß. Ob er damit noch lange Recht behält?