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Christoph Lentsch
Autor: Mag. (FH) Christoph Lentsch
christoph.lentsch@motorrad-magazin.at
27.7.2021

Retro-Bikes Vergleich 2021In alle Ewigkeit

Text: Christoph Lentsch, Fotos: Kurt Pinter

Gäbe es doch nur einen Weg, sich bewusst zu werden, dass man in der guten alten Zeit lebt, bevor man sie verlassen hat. Dann würden wir nicht ständig melancholisch zurückblicken und glauben, wir hätten den schönsten Teil des Lebens bereits hinter uns; oder die schönsten Motorräder. Unser Vintage-Quartett darf als Beweis dafür gelten, dass es uns heute besser geht als unseren Großeltern, auch wenn sich vieles gar nicht geändert hat: Rundscheinwerfer, Stahltanks, einteilige Sitzbänke, acht Federbeine, 2-in-2-Auspuffanlagen, Kreuzspeichenfelgen, Faltenbälge. Alles noch so wie vor sechzig Jahren.

Damals war man mit Motorrädern dieser Machart ein Rebell, heute gilt man als harmloser, genussfreudiger Feingeist, der wahre Werte schätzt. Man wird in Begleitung dieser äußerst attraktiven alten Damen ungewohnt offen und wohlwollend begrüßt – wenn auch nicht allerorts, wie wir bei unserer mondänen Ausfahrt durch unser wunderschönes Land mit seinen schlecht gelaunten Bewohnern erleben durften. Doch ein Blick auf die vier Schmuckstücke und aller Ärger ist vergessen.

 

 

 

 

 

 

 

Spieglein, Spieglein… Unsere Misswahl gewinnt die Moto Guzzi V7 Special knapp vor der Kawasaki W800, auch wenn Letztere vielleicht mit einigen noch feineren Details wie dem prachtvollen Logo am Tank, polierten Edelstahl-Kotflügeln und der einzigartigen Königswelle  aufwarten kann. Bei der Guzzi stören dagegen das etwas billig wirkende Plastikgehäuse für das Rücklicht und die modernen Blinker, trotzdem verdient sie sich mit ihrer ausgewogenen, sportlichen Silhouette und der schönsten Kulisse aus Fahrersicht das erste Krönchen.

Auf den Plätzen folgen Royal Enfield Interceptor und Triumph Bonneville T100, doch in Wahrheit kann man an jede sein Herz verlieren. Soviel Schönheit auf einem Fleck ist schon beinahe schwer zu ertragen, wie auf dem legendären Supermodel-Foto von Herb Ritts aus dem Jahre 1990 mit Stephanie, Cindy, Christy, Tatjana und Naomi. Würden Sie sich entscheiden können, wenn sie dürften? Eben.

Aber Models müssen bekannterweise nicht nur gut aussehen, sondern auch laufen können und so schicken wir unser Quartett auf den Runway durch die Wachau. Nur charismatische Grazien schaffen es, mit dieser zauberhaften Landschaft zu konkurrieren und nicht darin zu verschwinden. Den kernigsten Charakter birgt die Guzzi mit ihrem neuen 65 PS starken 853-Kubik-V-Motor, der markentypisch in Längsrichtung eingebaut ist (Kurbelwelle!).

Ans Hinterrad übertragen wird die Kraft über eine Kardanwelle. Damit verfügt die Italienerin über zwei Alleinstellungsmerkmale, denn alle anderen drei setzen auf einen Reihenzweizylinder-Motor. Nur die Triumph erreicht mit ihrem 900-Kubik-Reihenmotor die 65 PS der Guzzi, weit abgeschlagen liegen die Kawasaki mit 48 PS und die Royal Enfield, die aus dem kleinsten Hubraum gar nur 47 PS holt. In der Welt moderner Sportmotorräder wären derartige Leistungsunterschiede kriegsentscheidend, hier verkümmern sie zu unwichtigen Fußnoten im Typenschein.

Viel interessanter ist, dass alle vier Modelle mit dem A2-Führerschein gefahren werden können und auch ergonomisch absolut einsteigerfreundlich sind. Bis auf die Sitzbank der Royal Enfield liegen alle unter 800 Millimeter, doch auch auf der Interceptor sollte man noch mit 1.70 Meter einen sicheren Stand haben. Apropos Stand: Nur die Interceptor und die W800 verfügen über einen Hauptständer und verkleiden die Tauchrohre an ihren Gabeln mit Faltenbälgen.

 

Einmal aufgesessen erwartet einen auf jedem Motorrad ein ähnlicher Ausblick: zwei analoge Rundinstrumente mit kleinen integrierten LCD-Fenstern, nur bei der Triumph in doppelter Ausführung und mit dem edelsten Gesamteindruck. Die Engländerin hat auch verstellbare Brems- und Kupplungshebel (fünffach und vierfach), bei der Kawasaki ist es genau umgekehrt. Ein kleines Detail, auf das gerade im gemütlichen (Wieder-)Einsteigersegment viel zu oft vergessen wird.

Bei der Anprobe fällt ein weiteres Unikum der Moto Guzzi auf: In ihren im Kniebereich verschmälerten Tank passen sagenhafte 21 Liter Treibstoff. Es bleibt ein Rätsel, wie das heute bei solchen kompakten Abmessungen möglich ist. Bei einem Verbrauch von etwas über 5 Litern sollte das Volumen für Reichweiten von 400 Kilometer gut sein.

Gerne fährt man etwas länger auf den Genusskrädern, der Kniewinkel beträgt durchwegs fast neunzig Grad, die Haltung ist aufrecht-entspannt und die Sitzbänke allesamt recht komfortabel gepolstert. Im Fahrverhalten tun sich dann aber überraschend große Unterschiede hervor.

Beginnen wir mit den beiden Neuen, der Guzzi und der Triumph. Während in der V7 auch nach ihrer jüngsten Überarbeitung noch jede Menge Verhaltensmuster einer italienischen Diva steckt, ist die kleine Bonneville schon fast zu glattgebügelt. Dafür punktet sie mit der höchsten Stabilität, dem besten Getriebe und den stärksten Bremsen.

Die Guzzi verlangt mit ihrem luftgekühlten V2 und der Kardanwelle nach etwas Erfahrung und Reife – und damit nach etwas Ruhe in der Führung. Schon nach dem Starten sollte man ihr etwas Zeit geben, auf Betriebstemperatur zu kommen. Unsachgemäßen Umgang quittiert die Guzzi außerdem mit schlechten Manieren am Kurveneingang und fehlender Transparenz beim Kurvenwedeln. Entspannt laufen lassen lautet die Devise, nur dann erlebt man das Dolce Vita fatto in Mandello.

Die Triumph hingegen beherrscht auch den gestreckten Lauf, lenkt präziser ein und gerät vor und in schnellen Radien nicht in Panik. Mit ihrer stabilen Straßenlage traut man ihr auch die flotte Fahrt zu zweit zu. 

Zu zweit kann man sicher auch die Kawasaki W800 genießen, aber in einer deutlich entschleunigteren Gangart. Sie ist ähnlich angelegt wie die Guzzi, aber harmonischer und eleganter im Wesen und deshalb auch leichter zu lenken. Im richtigen Tempobereich schwebt sie förmlich – geleitet vom einzigen 19-Zoll-Vorderrad im Feld – über die Straßen und fließt gleichmäßig wie die Donau durch das Kremstal. Dabei erfreut sie mit sonorem Bollersound und gelegentlichem Sprutzen das Ohr des Fahrers, ohne das des Passanten zu reizen.

Störend ist einzig der breite Knieschluss durch den fülligen Tank und auch bei den Bremsen könnte Kawaski ruhig noch etwas nachlegen. Und dann ist da noch das günstigste Bike im Vergleich, die nur 7700 Euro teure Interceptor in der Farbe Orange Crush, die mit ihrem hohen Lenker mit Lenkerstrebe einem Scrambler ergonomisch nicht unähnlich ist. Sie fährt sich nicht nur am quirligsten, sondern für Einsteiger wohl auch am einfachsten.

Mit 217 Kilo ist sie die leichteste Maschine, fühlt sich aber mitunter an als wöge sie keine 200. Trotz der geringsten Power ist es so möglich, den anderen Mitstreitern im Winkelwerk um die Ohren zu fahren. Leider setzen die Inder auf performance-schwache China-Reifen, die wir beim ersten Service zum Beispiel durch Pirelli Phantom Sportscomp ersetzen würden.

Fazit: Zwar handelt es sich bei den Vintage- und Retro-Motorrädern gemessen am Gesamtmarkt um eine Liebhaber-Nische, trotzdem mangelt es nicht an Möglichkeiten, wenn man ein technisch aktuelles Motorrad im klassischen Kleid fahren möchte. Und noch erfreulicher ist, dass man für sein Geld kein Klumpert bekommt. Die Preisunterschiede sind allerdings enorm. Während die Royal Enfield deutlich und die Kawasaki knapp unter 10.000 Euro bleiben, sind für die Guzzi und die Triumph schon über 11.000 Euro zu berappen. Dafür bieten sie neben einem ABS auch eine abschaltbare Traktionskontrolle.

Und im Falle von Triumph steht einem mit sage und schreibe 117 Originalteilen die größte Zubehörauswahl zur Verfügung. Würden wir die vier Modelle Alterszielgruppen zuordnen, dann wäre die Royal Enfield der perfekte Einstieg für den jungen, dynamischen, aber bereits sehr kultivierten Menschen. Nach der Adoleszenz folgt die Triumph Bonneville, mit mehr Souveränität und Verlässlichkeit, aber noch immer äußerst sportlich und strebsam.

Im besten Alter steigt man dann auf die Guzzi um, die äußerlich geschmackvolle Dynamik ausstrahlt, es aber bereits ruhiger angeht, um jeden Moment bewusst zu genießen. Und schließlich genießt man seinen Ruhestand auf der Kawasaki W800, die sich nichts mehr beweisen muss, sondern durch Selbstbewusstsein und Gelassenheit glänzt – was nicht bedeutet, dass man erst alt werden muss, um eine zu fahren. Denn: Die beste aller Zeiten ist jetzt.

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