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Motorrad-Fahrverbote in TirolBikers Voice misst Lärm
Mit einer bizarren Maßnahme werden bekanntlich in Teilen Tirols viele Motorräder – auch brandneue, nach allen Vorgaben der EU homologierte – vom Verkehr ausgeschlossen. Wir haben über das Problem unter anderem hier berichtet – die Initiative "Bikers' Voice" demonstriert nun die unfassbare Willkürlichkeit der sinnbefreiten Regelung anhand konkreter Messbeispiele.
Laut Bikers' Voice greift die Tiroler Landesregierung mit Streckensperren, die sich gegen Motorräder mit einem eingetragenen Standgeräusch von mehr als 95 dB richten, massiv in Grundrechte von Verkehrsteilnehmern und Wirtschaftstreibenden ein. Vereinzelte Lokalpolitiker anderer Regionen (Steiermark, Niederösterreich, aber auch in Deutschland oder der Schweiz) hätten ohne weitere Prüfung ebenfalls ein Vorgehen nach Tiroler Muster überlegt. Die deutsche Bundesregierung hätte dies aber wegen mangelnder Rechtsgrundlage sofort abgelehnt.
Regina Stiller, Obfrau des Vereins „Bikers‘ Voice“, erklärt: „Die gewählte Methode, EU-genehmigte Motorräder mit einer Standgeräusch-Eintragung von mehr als 95 dB im Zulassungsschein vom Verkehrsbetrieb auszuschließen, bedeutet ein schwerwiegendes Beschneiden der Grundrechte von Eigentümern legaler Fahrzeuge ebenso wie angeschlossener Wirtschaftstreibender aus Handel und Tourismus.“
Die Regelung kann auch für Anrainer keine Entlastung bringen, da sie aus technischer Sicht schlicht falsch und daher unwirksam ist, argumentiert die Interessensgemeinschaft. Denn die Tiroler 95-dB-Regelung schließe im Fahrbetrieb tatsächlich leise Fahrzeuge willkürlich aus dem öffentlichen Verkehr aus. Gleichzeitig könne es jedoch vorkommen, dass laute oder manipulierte Fahrzeuge durch die Umsetzung der 95dB Regelung überhaupt nicht am Betrieb auf den betroffenen Strecken gehindert werden. „Also ein mehr als peinlicher Tiroler 'Messfehler', der Anrainer und Motorradtouristen gleichermaßen schädigt. Zum Nachteil der Region und ihrer Wirtschaft“, so die Sprecher von Bikers' Voice.
In einer den Gästen aus Politik und Medien gewidmeten Informationsvorführung am Red Bull Ring zeigte der Verein „Bikers‘ Voice“ kürzlich die technische Wirkungslosigkeit der Tiroler Verordnung auf. Dazu Regina Stiller von Bikers' Voice: „Der von uns hinzugezogene beeidete Gutachter und Messtechniker DI Christian Wagner führte vor geladenen Gästen und laufenden Kameras normgerechte Nachmessungen an verschiedenen Serienmotorrädern im Stillstand und in typischen Fahrsituationen innerorts und unter Beschleunigung am Ortsende durch.
Dabei war klar zu erkennen, dass Motorräder mit hoher Standgeräusch-Eintragung tatsächlich weit weniger als 95 dB aufwiesen. Als von Motorradgegnern besonders laut oder aggressiv angeprangerte Motorräder wie Ducatis oder Suzukis berühmte 300km/h Hayabusa unterschritten den 95 dB Standgeräusch-Grenzwert bei der Messung zum Teil beträchtlich und erwiesen sich im Fahrbetrieb als kaum lauter, teils sogar leiser als einfache in Tirol erlaubte Tourenmaschinen mit geringer Motorleistung.“ Die konkreten Messergebnisse findest Du weiter unten auf der Seite.
Besonders Triumphs Hubraumgigant Rocket III mit 2.500 Kubik unterstich die Argumentation von „Bikers' Voice“ besonders eindrucksvoll, wie Regina Stiller erklärt: „Am Typenschild der Triumph steht ein Standgeräuschvermerk von 99 dB, im Zulassungsschein stehen 98 dB. Also ist der Betrieb der meist niedertourig bewegten Triumph in den Tiroler Sperrzonen verboten. Messen konnten wir allerdings nicht mehr als 93,5 dB. Deutlich unter der Verbotsgrenze von 95 dB in Tirol. Nur nützt das dem Eigentümer nichts. Er darf nicht fahren. Das 'Tiroler Modell' muss man als Fehlentscheidung zu Ungunsten der Anrainer und der Verkehrsteilnehmer sehen. Es sollte schleunigst beendet werden", so Stiller. „Den politischen Entscheidungsträgern mangelt es offensichtlich an politischem Willen, nachhaltige Entscheidungen zu treffen, um den Anrainern und den Nutzern von einspurigen Fahrzeugen ein 'Miteinander' zu ermöglichen. Diesen Vorwurf können wir der Tiroler Verordnung nicht ersparen. Und wir glauben, dass Anrainer und Motorradfahrer gemeinsam schneller zu sinnvolleren Lösungen finden.“