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Vespa E-UmbauPinasco Vespa
Ich hab kein Problem mit einer Midlife-Crisis. Ich bin gern den ganzen Tag grantig. Nur weil ich jetzt mit beiden Händen am 50er kratz muss ich ja nicht in eine Sinnkrise verfallen. Es hat ja nur Vorteile. Schau, ich brauch mich nicht mehr deppert beim Sport quälen. Wozu? Gewinnen werd ich sowie nix mehr außer dort und da eine Zerrung. Blad werd ich sowieso. Und dass ich wegen einer Frau den Bauch einzieh – das ist auch schon lange her. Andere Frauen interessieren mich nicht.
Na gut, ja, meine Frau tut mir ein wenig leid. Dauernd den schiachen, bladen, grantigen Hund an der Seite zu haben, ist sicher kein Vergnügen. Was vielleicht auch erklärt, dass sie sich zum Hochzeitstag nichts sehnlicher wünscht als getrennte Schlafzimmer. Eines hier, das zweite in Triest. Aber sonst: Ich kann mich echt nicht beschweren – obwohl ich selbstverständlich den ganzen Tag kaum was anderes mache.
Ich brauch keinen Porsche – net noch einen. Nein, nicht was sie glauben. Den hat meine Frau in die Ehe eingebracht. Ich darf ihn nicht angreifen. Ich brauch keine Yacht in der Karibik. Ich hab eh keinen Motorboot-Schein. Ich brauch keinen neuen, feschen Anzug, ka teure Uhr – ich geh eh nirgends hin. Nur eines fasziniert mich noch. Wenn alte Sachen neues Leben versprühen. Also das Gegenteil von mir. Und da kommt bald was ganz Besonderes auf den Markt, wie es ausschaut.
Die zierliche weiße Vespa 50 Spezial, die mir Vittorio unlängst in die Hand gedrückt hat, ist sogar ein wenig älter als ich. Sie war einmal ein stolzes Moped in Italien. Aber jetzt ist sie eine kleine Weltsensation. Das Projekt Eureka von Pinasco.
Pinasco ist in der Vespa-Welt so etwas wie ein Zaubermittel. „Jeder von uns hatte eine Vespa“, erinnert sich ein Freund aus Italien an die späten 70er in einem kleinen Ort in Apulien. „Und in jeder steckte Pinasco drinnen.
Pinasco war und ist Lieferant für die Teile, die eine Vespa schneller und/oder besser machen. Nun haben sie gemeinsam mit der Villacher Firma Crank-e einen Umbaukit für Vespas am Start, der über kurz oder lang aus einer alten Vespa eine E-Vespa machen kann. Und die schöne 50er Spezial ist quasi der Prototyp.
Aber damit ist die Sensation noch lange nicht zu Ende erklärt, denn der Umbaukit ist im Grunde für fast jede Vespa einsetzbar. Ersetzt wird nur der Zylinder. Das Kurbelgehäuse bleibt bestehen, das Getriebe bleibt bestehen und die Kupplung bleibt. Das heißt, die alten Schalter bleiben Schalter. Aus den Vier-Gang-Vespas wird lediglich eine Drei-Gang-Vespa. Der erste Gang bleibt unbelegt, weil er für diesen Antrieb einfach zu kurz ist.
„Mehr als 80 Prozent der Vespa-Teile bleiben mit unserem Umbaukit erhalten“, sagt mir Herr Bettella von Pinasco. „Sogar die Bremsen sind die Originalen.“ Naja, wer jemals eine Vespa aus den 60ern gefahren ist, weiß, dass diese Witwenmacher lediglich Bremshebel haben, die Lärm generieren, wenn man sie betätigt, aber das Fahrzeug nicht nennenswert verzögern. Wenn man Vittorio, den Pinasco-Testfahrer, und Signore Bettella mit so einer Aussage konfrontiert, ist deren Blick eisiger, als wenn ich meiner Frau vorschlage, dass wir heute Abend die Pyjamas einmal weglassen könnten – und die Betten zusammenschieben. Doch zurück zum Erfreulichen.
Weil der Großteil der Mechanik der Vespa erhalten bleibt, macht die E-Vespa einen ziemlichen Lärm beim Fahren. Es ist ein metallisches Geräusch, aber nicht unangenehm und typisch Vespa. Beim Schalten weiß man dann in der Sekunde: Genau so muss man eine historische Vespa elektrifizieren. Doch bei all der Inbrunst, um den Charme von alten Vespas auch mit dem modernen E-Antrieb zu erhalten, kommt die Konzentration auf die Technik nicht zu kurz.
3000 Watt leistet der E-Motor. In rund vier Stunden ist der Akku an der Haushaltssteckdose wieder komplett vollgeladen. Als Moped darf er die Vespa logischerweise nur bis 45 km/h beschleunigen. Aber der Antrieb hat das Potential die Vespa bis zu 75 km/h schnell zu machen – und da ist dann noch das Originalgetriebe drinnen. Also nicht, dass ich annehme, dass jemand, der Pinasco kennt, tatsächlich etwas mit nicht ganz legalem Tuning zu tun hätte, aber ich merk es halt an.
Im Standard-Setup reicht eine Akkuladung – eh wie immer, je nach Fahrweise – für 50 bis fast 70 Kilometer Reichweite. Aufgemacht wird es halt weniger. Aber so weit sind wir ja noch gar nicht.
Gemeinsam mit Lagermax versuchen Pinasco und Crank-e diesen Antrieb in Österreich einmal homologiert zu bekommen. Und dabei denkt man auch an daran, wer die Fahrzeuge später warten soll. „In Österreich gibt es so viel kleine und unabhängige Werkstätten, die sich mit viel Liebe den alten Vespas annehmen und sich genau auskennen“, schwärmt Signore Bettella. „Damit die ohne große Zusatzausbildung diese Umbauten weiter reparieren können, haben wir auf eine 48-Volt-Technik gesetzt.“
48 denk ich. Hab ich auch schon lang hinter mir. Mir wurscht. Ich bin eh gern grantig. Nur beim Fahren mit der Eureka verfliegt das ein wenig. Was mich gleich wieder grantig macht.