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Wasserdichte Rucksäcke16 Modelle im Test
Prall gefüllte Produktseiten in den einschlägigen Zubehör-Katalogen lassen keinen Zweifel: Rucksäcke gehören zu den beliebtesten Freizeit- und Motorrad-Accessoires, und so manch einer hat davon zahlreiche Exemplare für jeden Anlass daheim. Der Autor selbst bekennt sich seit Jahren zum unheilbaren Rucksack-Fetischismus, die Anzahl der suchtartig geshoppten Exemplare übersteigt längst jedes halbwegs vernünftige Ausmaß. Was soll’s, fesche Rucksäcke haben sich längst zum coolen Lifestyle-Objekt gemausert.
Nichts desto trotz kommen von der stattlichen Sammlung immer dieselben zwei, drei Modelle zum Einsatz – weil die Anforderungen an den „mobilen Kofferraum“ enorm hoch sind, wenn man mit dem Motorrad bei jedem Wetter die alltäglichen Wege erledigt. Neben Kamm, Leatherman, Trinkflasche, Pullover, Geldbörse, Schlüsselbund, Kopfhörern, Handy-Ladekabel, Regenjacke und diversem anderen Kleinzeug sind für den Büro-Einsatz meist auch Laptop samt Netzteil unerlässlich. Wer dann mit einem konventionellen Textil-Rucksack zwischen zwei Autobahnabfahrten von einem sommerlichen Gewitter-Platzregen erwischt wird, hat alleine wegen des teuren Elektronik-Wasserschadens allen Grund für Tobsuchtsanfälle. Weil oft nicht genug Zeit bleibt eine seperate Regenhaube (der der Fahrtwind ohnehin schwer zu schaffen macht) über den Rucksack zu ziehen, versprechen wasserdichte Modelle aus Polyurethan, Polyester, PVC, TPU und/oder Tarpaulin – vulgo „Planenmaterial“ – mit verschweißten Nähten eine nervenschonende, sorgenfreie Lösung. Doch welche Modelle sind nicht ganz dicht, und mit welchem Rucksack kann man getrost baden gehen? Wir haben 16 wasserdichte Alltagsmodelle zwischen 48 und 189 Euro mit 20 bis 35 Liter Packvolumen einem feuchten Härtetest unterzogen.
So haben wir getestet:
Während wir uns beim Rucksackvolumen auf die Herstellerangabe verlassen haben, wurde das angegebene (Trocken-)Gewicht penibel auf der Redaktionswaage ermittelt. Für den Komfort-Test wurde jeder Rucksack mit 15 Kilo beladen und eine halbe Stunde getragen. Jeder der Rucksäcke wurde außerdem im Alltag verwendet und so Funktionalität und Praktikabilität des jeweiligen Konzepts erprobt. Die abschließende Wasserdichtheitsprüfung haben wir in zwei Schwierigkeitsstufen unterteilt: erst wurde die Schutzklasse IP65 (Dichtheit gegen Staub und Strahlwasser) simuliert. Die Rucksäcke wurden mit Textil gefüllt, der Verschluss drei bis vier Mal eingerollt und der Packsack mittels Gartenschlauch eingewässert, dann als „Extremtest“ (IP67) 30 Sekunden im Schwimmbad zwanzig Zentimeter unter Wasser getaucht.
SLIDESHOW - DIE ERGEBNISSE UNSERES TESTS:
Das Resümee:
Qualität ist nicht zwangsläufig eine Preisfrage: während der japanische Edel-Rucksack von Suzuki/RS Taichi um satte 189 Euro beim Pool-Test beinahe auf Grund gelaufen wäre, brilliert die 60-Euro-Einstiegsklasse von Büse und Moto-Detail (Louis) mit zuverlässigem Wasserschutz.
Der Fairness halber sei angemerkt, dass wir im Gartenschlauch-Test ausschließlich beim Brixton-Backpack einen nennenswerten Feuchtigkeitseinbruch diagnostizieren mussten, abgesehen von ein paar vereinzelten Tropfen im Inneren konnte selbst das Royal Enfield Backpack ohne Rollverschluss die Regen-Simulation (IP65) bestehen. Die Wahrscheinlichkeit ist also bei fast allen getesteten Modellen hoch die wertvolle Ladung bei einem kurzen Schauer trocken und unversehrt ans Ziel zu bringen – deutlich höher als mit einem konventionellen Rucksack jedenfalls. Nichts desto trotz trennt sich beim Untertauchen schnell die Spreu vom Weizen.
Durchwachsen ist das Ergebnis bei Alltagstauglichkeit und Tragekomfort: Belüftung und Polsterung sind – sofern überhaupt vorhanden – durch die Bank nicht das Gelbe vom Ei. Am bequemsten entpuppen sich die Modelle von BMW und DXR, sie können wir guten Gewissens sogar für einen Wanderurlaub empfehlen. Trotzdem sollte ein Großteil der Hersteller nachbessern: der Komfort der Motorrad-Packsäcke ist zwar meist „ganz okay“, im Outdoorsport-Segment sind Belüftung und Ergonomie von Rucksäcken jedoch schon einen deutlichen Schritt weiter.
Ob man einen „ultrapuristischen Packsack“ ohne Schnickschnack wie zum Beispiel den Büse oder eine Reißverschluss-Orgie à la BMW bevorzugt, hängt von individuellen Vorlieben und dem Transportgut ab. Im Inneren von zwei Drittel der Testprodukte ist es übrigens so finster wie in einer tiefen Höhle, die gezielte Suche nach Gegenständen ist ohne Taschenlampe beinahe aussichtslos. All jenen, die das genauso nervt wie unser Test-Team, seien daher die farbenfrohen Modelle aus deutlich lichtdurchlässigerem Planenmaterial (Touratech, Held, DXR, Büse) ans Herz gelegt - ein Feature, das gemeinsam mit durchsichtigen Sichtstreifen bei Kajak-Packsäcken längst alltäglich ist.
Zu guter Letzt muss der von Ortlieb für Touratech in Deutschland gefertigte „Light-Pack Two“ positiv herausgestrichen werden: als einziger Test-Kandidat wird der simple aber hochwertige Touratech-Beutel in Europa gefertigt – alle übrigen Produkte stammen aus Asien (teilweise wohl aus der selben Fabrik) und sind vorwiegend mit „made in China“ markiert. Wie unser Vergleich zeigt, muss das nicht zwangsläufig schlechte Qualität bedeuten, im Gegenteil: auch unsere einwandfrei gefertigten Empfehlungen von iXS, Ogio/Kawasaki und RS Taichi/Suzuki stammen aus dem Land des Lächelns. Trotzdem wäre eine Stärkung der europäischen Fertigungsstandorte wünschenswert.