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Buell Super TouringAdventurebike mit 185 PS ab 2023?
Buell ist zurück! Gute Nachricht für alle, die entweder mit dem freundlichen Erik Buell sympathisieren und/oder auf schräge, avantgardistische Motorräder stehen. In den nächsten drei Jahren sollen zehn neue Modelle auf den Markt kommen, darunter die oben als Rendering abgebildete Reiseenduro, die im wahrsten Sinn des Wortes wohl keinen Stein auf dem anderen lässt: mit 185 PS wäre sie aus heutiger Sicht die stärkste Reiseenduro am Markt.
Was ist genau passiert? Da müssen wir weiter ausholen. Erik Buell ist Rennfahrer, Musiker, Mechaniker, Motorradbauer, das weiß man. Dass er wohl kein sonderlich guter Geschäftsmann ist, das dürfen wir wohl auch schreiben, ohne despektierlich zu sein. Aber seine Business-Vita ist ein Lehrbuch des Scheiterns. Zuerst baut er seine Motorradfirma auf, dann beteiligt sich Harley in den 90er-Jahren, übernimmt die Firma 2003 zur Gänze, stellt sie 2009 ein. Buell darf nicht einmal seinen Markennamen weiter verwenden. Er entschließt sich dennoch zum Weiterarbeiten in der Branche, gründet 2010 das Label „EBR“ (Erik Buell Racing), gewinnt 2013 sogar die indische Branchengröße Hero als Investor, baut wieder Motorräder, geht 2016 in Konkurs.
Bill Melvin, ein treuer Fan der Marke und in der Branche bekannter Investor („Liquid Asset Partners“), übernimmt die Firma 2016, schließt und verkauft aber kurz darauf das kleine Werk und siedelt nach Grand Rapids, Michigan, um. Dort will er mit EBR eine exklusive Manufaktur etablieren und vergleicht sich mit Bugatti oder Koenigsegg. Danach wird es ein paar Jahre still um Erik Buells Vermächtnis. Einzig nennenswertes Vorkommnis: Man baut in der Mini-Mini-Nische gemeinsam mit dem Cipala-Rennteam eine Hillclimb-Enduro und gewinnt damit die amerikanische Meisterschaft.
Im vergangenen Jahr gelingt es Bill Melvin schließlich Harley die noch immer dort befindlichen Markenrechte an Buell abzuschwatzen, seitdem darf er Motorräder wieder Buell nennen, EBR ist Geschichte. Und offenbar ist es ihm auch gelungen, Geld flüssig zu machen, denn die Pläne sind auf einmal gewaltig. Ab sofort sollen wieder ein Sportbike und ein Naked Bike aus den alten EBR-Tagen mit dem 1190-Kubik-V2 gebaut werden, natürlich mit den von Erik Buell entwickelten und favorisierten Eigenheiten wie dem Tank im Rahmen oder der schrulligen Perimeter-Bremse. Im nächsten Schritt soll die Plattform für weitere Modellvarianten verbreitert werden: Naked Bikes, Cruiser, Tourenbikes, Adventurebikes. Zu Letzterem kommen wir noch. Der dritte Schritt sieht schließlich die Entwicklung von weiteren Hubraumvarianten vor, um auch in anderen Segmenten konkurrenzfähig zu sein. Parallel dazu will man in Kooperation mit versierten Partnern auch ein High-Performance-Elektromotorrad entwickeln.
Das klingt sehr ambitioniert, um nicht zu sagen: übermotiviert. Die Frage ist nur: Wie soll dieses Mega-Programm finanziert werden? Wo will man in größeren Stückzahlen fertigen? Was passiert in Sachen Vertrieb? All das bleibt abzuwarten. Erik Buell ist bei all dem übrigens nicht mehr an Bord, er zieht mit Kompagnons die Marke „Fuell“ hoch und entwickelt Elektro-Fahrräder und -Motorräder.
Spannend wäre es freilich schon, wenn es tatsächlich zur Umsetzung der hier gezeigten Reiseenduro kommen würde. Sie sieht in diesem frühen Stadium zwar nach einem Entwurf von Lego oder Playmobil aus, hat aber durchaus einen gewissen Holzfäller-Charme (und erinnert ganz entfernt auch an die einstige Buell Ulysses aus Harley-Zeiten). Auch hier kommen natürlich Buells Konstruktionsprinzipien zum Einsatz, genauso wie der flüssig gekühlte V2 mit 1190 Kubik und 185 PS. Buell Motorcycles gibt an, dass die Buell 1190 Super Touring als Modelljahr 2023 erhältlich sein soll. Wenn das zutrifft, müssten wir das Bike eigentlich bereits Ende nächsten Jahres im Serientrimm sehen. Kaum vorstellbar, aber hoffen wir einmal, dass den großen Versprechungen ebenso große Taten folgen. Wir bleiben dran!