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Christoph Lentsch
Autor: Mag. (FH) Christoph Lentsch
christoph.lentsch@motorrad-magazin.at
10.1.2023

Test Flip-Back HelmeFlippen statt klappen

Offenbar werden sie wieder zahlreicher: Motorradfahrerinnen und -fahrer, die gerne den Wind vor der Nase spüren, die ganze Freiheit genießen, sich nicht von einem Integralhelm einkasteln lassen wollen. Für sie gibt’s Jethelme – von klein und puristisch bis zu größer, verspoilert und mit einem riesigen Klappvisier versehen.

Doch manchmal, da hat man dann trotzdem gerne einen Integralhelm. Wenn die Regentropfen waagrecht daherkommen, wenn die Temperatur auf den Bergen in Richtung Frostgrenze fällt oder wenn man eine längere Etappe mit höherer Geschwindigkeit auf der Autobahn zurücklegen muss.

In solchen Fällen ist es also fein, wenn man einen wandlungsfähigen Helm hat, der beides kann. Solche stehen aktuell in drei Ausprägungen bereit:

 

 

Klassische Klapphelme, die populärste Gattung. Erprobt, zuverlässig, meistens einfach in der Handhabung. Nachteile: Bei aufgeklapptem Kinnteil wird oft die Balance unvorteilhaft, und bei höheren Geschwindigkeiten fängt sich der Wind und zieht den Kopf nach hinten. Außerdem kann man bei aufgeklapptem Helm das Visier nicht mehr verwenden. Ältere Exemplare haben außerdem nur eine Zulassung als Integralhelm, man dürfte sie gar nicht offen fahren.

Modularhelme, bei denen sich das Kinnteil entfernen lässt. Prominentester Vertreter ist der BMW Systemhelm 7. Vorteil: Das Kinnteil stört während der Fahrt nicht. Nachteile: vergleichsweise komplizierte Handhabung, Umbau lässt sich nicht in Bewegung vornehmen.

• Und dann kommen wir endlich zum heutigen Thema, den Flip-back-Helmen. Sie funktionieren im Prinzip wie Klapphelme, nur wird das geöffnete Kinnteil nicht oben, sondern am Hinterkopf arretiert. Der Vorteil: Der Wind kann sich nicht verfangen, die Sicht wird nicht beeinträchtigt.

Was simpel klingt – das Kinnteil nach hinten rotieren – erfordert in der Praxis einen hohen Entwicklungsaufwand. Ein Helm ist ja in der Seitenansicht zumeist nicht wie ein Kreis symmetrisch geformt. Und außerdem soll ja das Kinnteil zwar nach hinten klappen, das Visier aber vorne bleiben.

Diese Ingenieursleistung schaffen unsere vier Kandidaten mit unterschiedlichen Strategien. Sie alle bezahlen aber einen Preis dafür: vergleichsweise hohes Gewicht. Dieses muss man eben in Kauf nehmen, will man einen Fastalleskönner.

So haben wir getestet

In der Folge lest ihr technische Daten, Preise und eine Leistungsbeschreibung. Die Funktion der Helme haben wir in der Praxis getestet, dazu subjektive Fahreindrücke zu Aerodynamik und Windgeräuschen gesammelt. Kommentare zur Passform kommen nur am Rande vor, da diese natürlich stark von der individuellen Kopfform abhängt.

Noch eine kurze Klarstellung zu den Normen

Modularhelme müssen nach der neuen Helmnorm ECE 22-06, die im Juni in Kraft getreten ist, zwingend als Jet- und Integralhelm zertifiziert sein (P/J). Obwohl einige der von uns getesteten Modelle noch nach der alten Norm geprüft wurden, erfüllen alle diese P/J-Homologation.

HJC i100

Schale Polycarbonat
Helmnorm ECE R 22-06
Homologation P/J
Farben 6 Uni
Größen XS–2XL
Gewicht Testhelm 1890 g
Preis ab € 319,90
Info www.hjchelmets.eu

FACTS

Der i100 ist in dieser Saison neu im Programm des südkoreanischen Marktführers. Zum Lieferumfang gehört ein Pinlock-Visier, ein ausfahrbares Sonnenvisier ist integriert. Der i100 verfügt über einen zentralen, zweistufigen Belüftungseinlass am Kopf und einen an der Front. Er ist vorbereitet für den Einbau des hauseigenen Kommunikationssystems.

TESTERGEBNISSE

Der vergleichsweise schwere (höchstes Gewicht im Vergleich) und auch optisch sehr wuchtige, aber günstige Helm lässt sich perfekt bedienen und verfügt über ein System, bei dem sich das Visier beim Auf­flippen des Kinnteils zuerst öffnet, beim Einrasten des Kinnteils hinten wieder automatisch nach unten fährt. Nachteil: Das Visier hat keine Zwischen-Rasterstellungen, kann also nur ganz geöffnet oder geschlossen gefahren werden. Keine Einschränkungen für Brillenträger. Moderate Windgeräusche. Gute, straffe Passform für den Autor, schöner Abschluss am Hals. Nur leichte Einflüsse auf die Balance bei nach hinten geklapptem Kinnteil, das sehr solide wirkt. Die Montage eines Interkom-Systems geht problemlos vonstatten.

RESÜMEE

Der HJC ist groß und sehr schwer, aber auch günstig und souverän funktionell. Wäre der Scorpion nicht ähnlich funktionell und dabei leichter sowie eine Spur günstiger, läge der HJC ganz vorne. Leider gibt’s bislang nur Uni-Farben.

ROOF DESMO

Schale Polycarbonat
Helmnorm ECE R 22-05
Homologation P/J
Farben 3 Uni
Größen XXS–2XL
Gewicht Testhelm 1735 g
Preis ab € 399,–
Info www.roof.fr

FACTS

Der Desmo ist das für Touren gedachte Flip-back-­Modell des auf solche Helme spezialisierten französischen Herstellers. Besonderer Gag: Beim Öffnen des Kinnteils (mit zwei Entriegelungstasten) wird das Visier automatisch in eine Position gebracht, in der es näher beim Gesicht liegt und damit Turbulenzen vor den Augen verringert. Leider nicht ­dabei: Sonnenvisier oder Pinlock. Auf unseren Fotos ist das optionale, dunkle Visier montiert. Zwei Lufteinlässe am Kopf, zwei an der Front.

TESTERGEBNISSE

Der Desmo ist kompakt, umso mehr spürt man das eher massive und beim Öffnen sehr weit nach hinten ausladende Kinnteil; schlechte Balance. Einziger Helm, den der Autor in Größe L (sonst M) benötigte. Der Raum im Kinnbereich ist knapp bemessen, das Schließen mit ­einer Hand ist nicht möglich, man muss mit der zweiten dagegenhalten. Keine Einschränkungen für Brillenträger. Das Fehlen des Sonnenvisiers ist ein Nachteil und auch die Montage eines Interkom-Systems wurde offenbar gar nicht vorgesehen. In geöffnetem Zustand mit ­hinuntergeklapptem Visier Verwirbelungen im Nasenbereich.

RESÜMEE

Spacig designt, sauber verarbeitet, aber mit zahlreichen funktionellen Nachteilen, unter anderem ohne Pinlock, ohne Sonnenvisier, ohne Raum für ein Kommunikations­system. Gewöhnungsbedürftige Balance, erhöhte Windgeräusche.

SCORPION EXO-TECH

Schale Polycarbonat
Helmnorm ECE R 22-05
Homologation P/J
Farben 10 Design, 4 Uni
Größen XS–2XL
Gewicht Testhelm 1720 g
Preis ab € 299,90
Info www.scorpionsports.eu

FACTS

Günstigster und ex aequo mit dem Shark leichtester Helm im Vergleich, aber ebenfalls mit Pinlock und Sonnenvisier ausgestattet. Der Scorpion bietet einen zentralen Lufteinlass am Kopf, einen an der Front. 

TESTERGEBNISSE

Der spürbar leichtere Helm wird mit einer Taste entriegelt, das Flippen funktioniert leicht und präzise, auch beim Schließen. Beim Öffnen schiebt sich automatisch das Visier nach oben, anders als beim HJC klappt es sich dann aber nicht mehr automatisch nach unten. Recht gute Balance, durchschnittliche Windgeräusche (aber leichtes Pfeifen bei geöffnetem Visier), sehr gutes Gesichtsfeld. Auch fein: Das Haupt­visier besitzt eine Rasterstellung, die bei geschlossenem Kinnteil ein wenig Wind hineinlässt. Lautsprecher lassen sich passgenau unterbringen, allerdings kann die Haupteinheit nicht mit der üblichen Spange zwischen Schale und Polsterung fixiert werden, da hier der Sonnenvisierschieber im Weg ist; sie muss also außen angeklebt ­werden. Keine Einschränkungen für Brillenträger. Besitzt neben dem HJC die beste Passform für den Schädel des Autors.

RESÜMEE

Unterm Strich der ein­zige Helm, der sich keinen groben Schnitzer erlaubt und dabei auch noch der leichteste (ex aequo) und der günstigste ist. Damit gewinnt der Scorpion die Motorradmagazin-­Empfehlung in diesem Segment.

SHARK EVO-GT

Schale Polycarbonat
Helmnorm ECE R 22-05
Homologation P/J
Farben 9 Design, 6 Uni
Größen XXS–3XL
Gewicht Testhelm 1720 g
Preis ab € 479,99
Info https://shark-helmets.com

FACTS

Der Evo-GT ist die Weiterentwicklung eines Klassikers, der laut Shark im Jahr 2007 der erste Modularhelm mit Doppelzulassung als Integral- und Jethelm war. Er besitzt ein Sonnenvisier, kommt mit Pinlock sowie mit alternativen, dickeren Wangenpolstern, um das Interieur individuell anzupassen. Es gibt zwei Belüftungen am Kopf und eine an der Front.

TESTERGEBNISSE

Der im Vergleich spürbar leichte Helm (ex aequo mit dem Scorpion) lässt sich einfach öffnen und schließen, wobei das eher filigrane ­Kinnteil eine Art Ellipse beschreibt. Der Vorteil: Der Helm kann etwas kompakter bleiben, das Visier liegt näher bei den Augen; dafür ist das Raum­angebot im Kinnbereich bei geschlossener Front am geringsten. Das leichte, fast fragile Kinnteil sorgt dafür, dass in aufgeklapptem ­Zustand kaum Einflüsse auf die Balance entstehen. Liegt bei höherem Speed nicht ganz ruhig im Wind, höheres Geräuschniveau. Keine ­Einschränkungen für Brillenträger. Fauxpas: Die Ausnehmungen für Lautsprecher sind im Durchmesser etwas zu klein und zu flach, das ­ergibt Druckstellen an den Ohren. Teuerster Helm im Vergleich.

RESÜMEE

Angenehmer Helm, aber etwas laut, die Bedienung des Sonnenvisiers am Mittelscheitel ist gewöhnungsbedürftig, die Kopfhörer-Ausnehmungen sind zu klein geraten, der Platz im Kinnbereich ist hier am geringsten.

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