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Christoph Lentsch
Autor: Mag. (FH) Christoph Lentsch
christoph.lentsch@motorrad-magazin.at
19.10.2020

Hyper-Naked-VergleichZ H2, Streetfighter V4, Super Duke

Text: Clemens Kopecky
Fotos: Kurt Pinter

Es gibt im Leben seltene Ereignisse, da stößt selbst der abgebrühteste Motorrad-Journalist an die Grenzen seiner sprachlichen Gewandtheit. Zum Beispiel im vorliegenden Fall. Drei unverkleidete Motorräder mit breitem Lenker treten zum Kopf-an-Kopf-Duell an. Insgesamt 588 Pferdestärken aus kumulierten 3,4 Litern Hubraum katapultieren 654 Kilo Metall und Kunststoff raketenhaft durch die Atmosphäre. Wie soll man solch schieren Wahnsinn nur beschreiben? Alleine die Definition eines standesgemäßen Überbegriffs für diese Gattung potenter Naked Bikes wird zur Herausforderung.

Der unfassbaren Urgewalt von durchschnittlich nur 1,11 Kilo pro PS wird der abgelutschte Begriff „Power-Nakeds“ längst nicht mehr gerecht – denn Ducati Streetfighter V4, Kawasaki Z H2 und KTM Super Duke R gehen in puncto Performance einfach noch einen Schritt weiter als zum Beispiel eine Yamaha MT-10 oder BMW S 1000 R. Dann also Super-, Mega-, Hyper-, Ultra- oder Giga-Nakeds? Die Wahl eines adäquaten Präfixes überlasse ich lieber Ihnen, werter Leser. Denn nach drei intensiven Testtagen im Sattel der brachialen Motorräder bin ich überzeugt: sowohl Griechisch als auch Latein sind ausgereizt – „total gaga“ beschreibt die irren Schubkarren noch am besten.

Aber der Reihe nach. Beginnen wir mit den offensichtlichen Gemeinsamkeiten. Auf der Suche nach den stärksten Serien-Motorrädern ohne aerodynamischer Vollverkleidung führt an Streetfighter V4, Z H2 und Super Duke R derzeit kaum ein Weg vorbei. Während die KTM für 2020 „nur“ ein umfangreiches Update erhalten hat und nun mit 180 Vau-Twin-PS aus 1301 Kubik aufwartet, knacken Ducati und Kawasaki mit ihren brandneuen Modellen sogar die magische 200-PS-Schallmauer.

Den 208 PS starken „Desmosedici Stradale“ 90-Grad-V4-Motor mit 1103 Kubik der Streetfighter V4 haben die Italiener (abgesehen von den Mappings und variablen Ansaugkanälen) großteils unverändert aus dem nur sechs PS stärkeren Superbike-Pendant Panigale V4 gerissen. Den Kawasaki-Reihenvierzylinder kennt man (abgesehen von der Endübersetzung) bereits aus dem Sport-Tourer H2 SX: er muss sich mit vergleichsweise bescheidenen 998 Kubik begnügen, dank Kompressor-Aufladung erreicht auch er 200 PS und überflügelt damit die KTM deutlich.

Mit satten 140 Newtonmetern Drehmoment bei nur 8000 Touren hat die Mattighofenerin trotzdem ein Ass im Ärmel. Ähnlich viel Dampf offeriert die Kawasaki, hier liegen sogar schon bei 4000 Touren satte 100 Newtonmeter an – die meisten Supersportler brauchen für diesen Wert die doppelte Drehzahl, und auch die Streetfighter V4 will dafür 3000 Touren höher gedreht werden. Ihre maximal 123 Newtonmeter entfaltet die drehzahlgierige Ducati überhaupt erst bei 11.500 Touren – eine Marke, die im Landstraßenbetrieb selbst im ersten Gang (bis zirka 130 km/h) nicht legal erreicht werden kann. Machen wir keinen Hehl daraus: das größte Risiko für den Besitzer eines 200-PS-Motorrades sind weder Sturz noch Bankrott, sondern der permanent drohende Führerscheinentzug.

Genug Theorie – ab in den Sattel, raus in die Praxis. In verblüffender Weise kristallisiert sich hier der wohl extremste Kontrast zwischen zwei Naked Bikes in der Geschichte des Motorradmagazins heraus: Kawasaki und Ducati sind ungefähr so diametral verschieden wie die Musiktitel der Spotify-Playlisten „Dance“ und „Speed Metal“ – beide voller explosiver Energie, aber dennoch völlig unterschiedlich in ihrem Charakter.

Mit brachialer Bremse, knallhartem Fahrwerkssetup, aggressiver Sitzposition, viel Bewegungsfreiheit, sozial eher unverträglicher Lautstärke, massierenden Vibrationen und ständigem Drang nach Drehzahl um sämtliche Tempolimits zu vaporisieren, offenbart die Streetfighter V4 unverhohlen ihren Rennstrecken-Fokus. Unser Endurance-WM-erprobter Testpilot Patrick Dangl bringt es auf den Punkt: „Die Streetfighter V4 ist einfach ein gestripptes Superbike mit geradem Lenker. Und genau das gefällt mir abgesehen vom wunderschönen Design an ihr so sehr.“

Im extremen Kontrast dazu entpuppt sich die Z H2 dagegen auf Anhieb als verkapptes Tourenmotorrad. Ihre touristische Ergonomie mit hohem Lenker, geradem Rücken und kommodem Kniewinkel geht zwar mit einer deutlich inaktiveren Sitzposition einher, ist aber für Langstreckeneinsatz wie geschaffen. Dazu harmoniert auch das ausgewogene Kayaba-Fahrwerk mit eher softer Gabel und seidiger Dämpfung, sowie der absolut vibrationsfreie, durchzugsstarke Reihenvierzylinder.

Im Gegensatz zur Sauger-Konkurrenz produziert der Kompressorantrieb seine scheinbar unendliche Power schon ab niedrigsten Drehzahlen und völlig unangestrengt – untermalt von einer äußerst dezenten, einzigartigen Klangkulisse. So präsentiert sich die Kawasaki als souveräner, geschmeidiger, friedlicher Riese, der jedoch im Kampf jederzeit auf Wunsch gnadenlos die Streitaxt schwingt

Und was ist mit der 1290 Super Duke R? Sie positioniert sich ziemlich genau in der Mitte, mit leichter Schlagseite in Richtung Ducati. Die größte Stärke der KTM ist damit ihre Vielseitigkeit: egal ob ausgedehnte Touren oder regelmäßige Ausflüge auf die Rennstrecke – sie spielt in beiden Kategorien in der Oberliga, muss sich in der jeweiligen Spezialisierung aber Ducati und Kawasaki deutlich geschlagen geben. Das macht sie unterm Strich dennoch zu einem erstaunlich vernünftigen Kompromiss und einem idealen Alleskönner. Dank optimiertem Chassis mit progressivem Hebelsystem am Federbein (statt Direktanlenkung) wurden Handling, Präzision und Komfort im Vergleich mit dem Vormodell spürbar verbessert.

Der kultivierte, lastwechselarme 75-Grad-Vau-Twin steht auch in der unteren Hälfte des Drehzahlbandes im Unterschied zur Streetfighter V4 stets gut im Futter. Qualitäten, die auch dem entspannten Touren zugutekommen. Nichts desto trotz wirkt die 1290 Super Duke R nicht nur wegen ihres „Leistungsdefizits“ von über 20 PS neben Ducati und Kawasaki fast ein wenig bieder und unauffällig: spektakuläre Doppeldecker-Winglets à la Streetfighter V4 sucht man vergeblich, und auch mit Kompressor-Sound und mächtigem Ansaugkanal wie bei der Z H2 kann der Erzherzog nicht aufwarten. Zu guter Letzt kann auch das ein wenig lieblose, KTM-typische Plastikkleid nicht mit dem edlen Auftritt der Konkurrenz mithalten.

Aber bleiben wir nicht bei Oberflächlichkeiten, gehen wir weiter ins Detail: Mangels Verfügbarkeit einer Standard-Version um 23.295 Euro wurde von Ducati Austria das exklusive, 4000 Euro teurere S-Modell der Streetfighter V4 mit Marchesini-Schmiederädern, elektronischem Lenkungsdämpfer und semiaktivem Öhlins-Fahrwerk ins Rennen geschickt. Die smarte Dämpfung ist das Alleinstellungsmerkmal der Streetfighter V4 S, sie passt sich permanent dem aktuellen Fahrbahnzustand an. Die jeweilige Grundauslegung ist an den jeweiligen, individuell adaptierbaren Riding-Mode (Street, Sport, Race) gekoppelt.

Sie ist aber in jedem Fall stets straffer und sportlicher als das Basis-Setup der konventionellen Dämpfer an den Vergleichsfahrzeugen und daher für fein planierten (Rennstrecken-)Asphalt prädestiniert. Bei feinen Schlägen in Schräglage hat die agil einlenkende Ducati jedoch Mühe der anvisierten Linie zu folgen, Querfugen im Asphalt werden mit leichtem Aufstellmoment quittiert. Über das 5-Zoll-TFT-Cockpit sind weitere Feineinstellung und damit fahrdynamische Verbesserungen auf Straßenflickwerk möglich.

Die Bedienung des kontraststarken Instruments gelingt nach ein paar Anläufen mühelos und deutlich unkomplizierter als die wenig durchdachte Menüführung des nur 4,3 Zoll kleinen Z-H2-TFTs. Noch ein Alzerl intuitiver und anwenderfreundlicher als bei Ducati ist jedoch die neue 5-Zoll-Farbanzeige der KTM, samt ergonomisch verbesserter Tasten und Bedienschema mit iPod-Logik. Letzteres gilt seit Jahren ganz zu Recht als Referenz in Sachen Simplizität.

Es ist fast schon obsolet zu erwähnen, dass bei allen drei Kontrahenten in dieser Preisklasse und Fahrzeugkategorie ab Werk modernste elektronische Fahrassistenten mit an Bord sind. Eine detaillierte Aufzählung und Analyse würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, daher die Kurzfassung: egal ob Traktionskontrolle, Fahrmodi oder Wheelie-Control, die Systeme verrichten ihre Aufgabe großteils vorbildlich, effizient und unauffällig. Die meisten individuellen Einstellmöglichkeiten offeriert die Ducati in vollem High-Tech-Ornat, gefolgt von der KTM. Die Anpassungsmöglichkeiten an der Z H2 beschränken sich vorwiegend auf Kraftentfaltung und Traktionskontrolle.

Im Unterschied zur sportlich-knackigen Programmierung der Helferleins an den beiden Europäern stimmt Kawasaki die Elektronik vergleichsweise defensiv ab. Das macht sich besonders durch die frühe Intervention des eher rustikal regelnden Kurven-ABS bemerkbar und resultiert im längsten Bremsweg, der natürlich auch dem hohen Gewicht von 239 Kilo geschuldet ist. Immerhin behält das Kawa-Heck während einer Vollbremsung permanent festen Bodenkontakt. Dennoch: ein weiteres Indiz, dass Ring-Ausflüge im Alltag der Z H2 wohl eher die Ausnahme bleiben sollten.

Sämtliche mit Blipper-Funktion ausgestattete Quickshifter im Vergleich funktionieren tadellos, am besten jedoch der Schaltassistent der Streetfighter V4 S – er wechselt die Gänge auch bei niedrigsten Drehzahlen nahezu ruckfrei. Das funktioniert auch an der Kawasaki meist reibungslos, ihr Getriebe gefällt außerdem mit kurzen Wegen und japanischer Präzision. Ausschließlich KTM lässt sich den „Quickshifter+“ mit 392,46 Euro Aufpreis übrigens extra bezahlen – umgekehrt punktet die 1290 Super Duke R als einzige mit serienmäßiger Keyless-Go-Zündung. Bei der Wahl der Frontbremszangen fällt die einstimmige Wahl der Hersteller auf Brembo.

Die Bremsen von Kawasaki und KTM lassen sich äußerst fein dosieren, verzögern atemberaubend und bieten somit einen würdigen Gegenpart zum exorbitanten Vortrieb. Der Ducati-Anker ist sogar noch extremer und setzt dem Fass die Krone auf: die Streetfighter V4 S beißt so giftig in die 330-Millimeter-Doppelscheibe, dass ihre Wirkung ausschließlich durch die Stoppie-Tendenz limitiert wird.

Gott sei Dank verhindert die ABS-Abhebeerkennung ungewollte Purzelbäume – sofern man nicht den kompromisslosen Race-Modus aktiviert hat. Wer auf gesperrter Strecke auf Rundenzeiten-Jagd geht, findet derzeit kaum eine bessere Bremse am Markt. Für alltäglichen Landstraßen-Einsatz schießt die Aggressivität der Streetfighter-Stopper möglicherweise jedoch ein Alzerl übers Ziel hinaus.

Die Test-Kategorie „Sound-Check“ geht dagegen völlig zweifellos an die Ducati– jedenfalls wenn es um die Lautstärke geht. Unfassbare 106 Dezibel im Stand (bei 6375 Umdrehungen) verrät der Zulassungsschein, und auch während der Fahrt ist das eindringliche Dröhnen, Röhren und Plärren im Helm des Streetfighter-Piloten kaum zu überhören – ein Kriterium, das ohne Gehörschutz auf Dauer Nerven kostet.

Im Vergleich wirkt selbst unsere Test-KTM mit optionalem Akrapovic-Schalldämpfer fromm wie ein Ministrant. Richtig leise ist dennoch nur die Z H2 – ihre extravagante, dezente Klangkulisse mit zwitscherndem Kompressor wird niemals störend oder penetrant und bleibt ausschließlich der Kawa-Besatzung vorbehalten: Passanten bleiben weitgehend unbehelligt.

Obwohl sich die Ducati mit weit vorne und vergleichsweise tief montiertem Lenker, spitzem Kniewinkel und nicht existentem Windschutz am radikalsten zum Thema Sportlichkeit bekennt und ihrem Piloten im Landstraßenbetrieb damit die größte Leidensfähigkeit abverlangt, verfügt sie paradoxerweise über den bequemsten und weichsten Sitzpolster im Vergleich. Ihr kompakter Körperbau mit innigem Knieschluss gipfelt in unglaublicher Stabilität, Schräglagenfreiheit und Handlichkeit.

Zur überdurchschnittlichen Agilität tragen neben dem federleichten Fahrzeuggewicht von 205 Kilo fahrfertig auch die gegenläufige V4-Kurbelwelle, der steile Lenkkopfwinkel mit kurzem Nachlauf und die leichten Marchesini-Räder bei. Selbst der massive 200er-Hinterreifen kann die Gier nach – bevorzugt weiten - Kurven nicht bremsen. Nicht nur in den Radien, sondern auch motorisch gilt auf der Streetfighter V4 S: je schneller, desto besser. Denn bei Bummeltempo und niedrigen Drehzahlen hackt die Ducati böse mit der Kette und die sonst moderaten Lastwechselreaktionen mutieren zum ruppigen Gewackel. Ganz klar, die Bellezza aus Bologna lebt nach dem Motto: „fun starts past 8000 rpm.“

Obwohl in der KTM 1290 Super Duke R nur halb so viele Zylinder untergebracht sind wie in der Ducati, bringt sie vollgetankt dennoch fünf Kilo mehr auf die Waage und baut auch nicht nennenswert schlanker. Beim Kurvenwetzen tickt sie ähnlich wie die Italienerin: Kniewinkel und Knieschluss sind vergleichbar, die Fußraster kratzen allerhöchstens im Suizid-Modus über den Asphalt und der erhöhte Sitz mit straffer Polsterung ist ebenfalls frontlastig positioniert. Nur der Lenker streckt sich dem Steuermann spürbar freundlicher entgegen.

Trotzdem liefert auch die KTM einwandfreies Front-Feedback, fällt willig und neutral in Schräglage und brilliert mit sportlich-satter Straßenlage – faszinierend, mit welcher Dynamik sich die KTM durch allerlei Kurvenradien katapultiert. Das Lastwechselverhalten gibt besonders im gemäßigten „Street“-Modus kaum Anlass zur Klage. Der moderat vibrierende Zweizylinder wurde mit wenig Schwungmasse auf schnelles Hochdrehen getrimmt – so entkommt er den Tiefen des Drehzahlkellers müheloser und flotter als der Ducati-V4. Daher kann sich die kürzer übersetzte KTM mit gesetzeskonformem Tempo besser abfinden als die auf Highspeed getrimmte Bologneserin.

Entspanntes Dahingleiten auf Landstraßen ist eindeutig das Steckenpferd der Kawasaki Z H2. Das üppige Kompressor-Triebwerk zeigt mit weitem Abstand die besten Tischmanieren im Vergleich. Es spricht auf Gasgriff-Kommandos jederzeit sauber an und zeigt keine Spur von störenden Lastwechseln. Wer bei aufgeladenen Motoren noch an „Turbolöcher“ denkt, wird von der Z H2 im Handumdrehen eines Besseren belehrt: mit der Kompressor-Kawa lässt es sich einwandfrei im sechsten Gang durch das Stadtgebiet rollen, wo bei ihren Kontrahenten der zweite oder dritte geboten ist.

Nach Ende der Ortsbeschränkung ist der unfassbar lineare Vortrieb stets spontan abrufbar und die gewaltige Leistung gut kontrollierbar, das Gefühl für Traktion glasklar. In Sachen Schubkraft gibt es nichts zu meckern. Die Beschleunigungswerte der Z H2 weichen von jenen der Ducati höchstens im Zehntelsekundenbereich ab. Fakt ist: mit steigender Drehzahl und höherem Ladedruck mutiert die gutmütige Grüne zur orbitalen Trägerrakete.

Einziger Wermutstropfen ist der höchste Benzinverbrauch im Test, die Mega-Giga-Hyper-Nakeds sind aber ohnehin allesamt keine Kostverächter. Abstriche in puncto Performance ergeben sich aus dem im Vergleich zu Ducati und KTM recht pummeligen Körperbau mit üppiger Front, aus dem der breiteste Knieschluss und das magerste Vorderrad-Feedback resultieren. 

Der Pilot sitzt aufrecht hinter dem ein Alzerl zu stark gekröpften Lenker in einer tiefen Kuhle, die Front ist weit weg. Bei flotter Kurvenhatz führt das hohe Gewicht am Vorderrad und der massive, durch die Fliehkraft spürbar nach Außen drängende Motorblock zu Verunsicherung. Je schneller man fährt, desto träger werden obendrein die Schräglagewechsel. Das Limit des Fahrwerks ist wegen des geringen Front-Bezugs also schwierig abzuschätzen, das kostet Vertrauen.

Dabei geht mit der Z H2 mehr als der Pilot vermutet, wie unser Experiment auf einer weiten Kreisbahn bestätigt: Hier steigern wir sukzessive die Schräglage und bauen nach und nach Zuversicht auf, bis das erstaunlich späte Schraddeln der Raste am Asphalt das Ende der Fahnenstange unaufgeregt aufzeigt. Nichts desto trotz kann die Kawasaki beim Handling und auf der Rennstrecke ihren europäischen Mitbewerbern nicht das Wasser reichen. Ihr Revier sind Landstraßentouren und sogar der profane Alltag, wo in Sachen Zweckmäßigkeit wiederum Ducati und KTM nicht mithalten können. Der dezente Plexiglas-Flyscreen reduziert sogar den Winddruck auf den Oberkörper des Fahrers spürbar, bei gesetzeskonformer Geschwindigkeit punktet die Z H2 mit hurtigem Einlenken und geringen Lenkkräften.

So unterschiedlich die Charaktere von Streetfighter V4 S, Z H2 und 1290 Super Duke R sind, desto klarer fällt die Wahl zum Testsieger aus: Für Rennsteckeneinsatz und/oder Landstraßen-Rowdies siegt die präzise, zornige Ducati. Für druckvolle Touren empfehlen wir die distinguierte Kawasaki. Und Patrioten, Allrounder und Unentschlossene machen mit der vielseitigen KTM garantiert nichts falsch. So weit so gut. Zu guter Letzt darf jedoch die „Preisfrage“ nicht unbeantwortet bleiben. Faire 19.299 Euro kostet die Kawasaki – für KTM oder Ducati müssen mindestens 2000 Euro mehr hingeblättert werden.

Auf der Suche nach maximalem Boost und dem imposantesten Antrieb triumphiert das Naked-Bike-Flaggschiff der Italiener höchstens am Datenblatt oder Stammtisch. Denn obwohl die wuchtige Japanerin auf allerlei elektronisches Brimborium verzichtet, stellt die Z H2 sowohl bei Drehmoment als auch bei Leistung die deutlich agilere Streetfighter V4 über weite Bereiche des Drehzahlbandes zweifelsfrei in den Schatten. Erst über 11.000 Touren setzt bei Ducati der PS-Exzess ein – Drehzahlen, die höchstens im Ring-Einsatz eine Rolle spielen.

Unterm Strich erweist sich die atemberaubende Japanerin damit als mit Abstand imposanteste Schubkarre des Trios und schont obendrein das Haushaltsbudget aller Speed-Freaks – schließlich sollte man auch den ein oder anderen Euro zur Bezahlung von Tempo-Strafmandaten zurücklegen.

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