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Honda Transalp gegen Suzuki V-Strom 800DEWo liegen die Unterschiede?
Sie waren die großen Stars auf der letzten Eicma in Mailand: die Honda Transalp und die Suzuki V-Strom 800DE. Beide Adventurebikes sind von Grund auf neu und in der gleichen sympathischen Klasse positioniert, lassen sich im grundlegenden Motorkonzept, in der Leistung und auch in den Dimensionen gut vergleichen. Ganz klar, dass sie in der kommenden Saison 2023 auch um die Gunst der gleichen Klientel feilschen werden müssen. Bevor wir einen aussagekräftigen Vergleichstest ausfahren können – was wohl erst im April der Fall sein wird –, werfen wir einen genauen Blick auf die Konzepte und klären für euch, wo die Gemeinsamkeiten, aber auch die Unterschiede liegen. Und am Ende des Artikels blicken wir auch noch kurz auf die wichtigsten Mitbewerber in dieser Liga.
Beginnen wir mit einem ersten Blick, der deutliche Unterschiede offenbart: Die Honda Transalp erscheint glatt gebügelt, mit soften Formen, eher elegant und urban als für die Wüstenrallye gezeichnet. Im Gegensatz dazu tritt die Suzuki V-Strom 800DE mit Ecken und Kanten auf, wirkt damit deutlich ungeschliffener und eindeutig aufs grobe Geläuf fokussiert. Während die Honda mit dem bekannten LED-Scheinwerfer der CB500X auf sicherem Terrain bleibt, könnte der zweistöckige LED-Scheinwerfer der Suzuki eher polarisieren – auf jedern Fall aber mehr auffallen. Am Ende entscheidet natürlich der eigene Geschmack.
Nun aber zu den Motoren. Beide sind neu entwickelte Reihen-Zweizylinder mit 270 Grad Hubzapfenversatz, der den Lauf eines V2 imitiert. Der Suzuki-Motor ist mit 776 Kubik leicht größer als der Honda-Motor mit 755 Kubik; das macht sich im Drehmoment bemerkbar, das bei 78 Nm liegt. Hondas maximales Drehmoment von 75 Newtonmeter stellt sich noch dazu erst bei etwas höheren Drehzahlen ein: 7250 statt 6800 bei Suzuki. Die Stunde der Honda schlägt beim Leistungswert: Mit 92 PS übertrumpft sie die 84 PS der Suzuki klar.
So ähnlich die Motoren auf den ersten Blick wirken, im Inneren offenbaren sich dann doch einige Unterschiede. So ist der Suzuki-Twin um einiges komplexer, verfügt über zwei oben liegende Nockenwellen und zwei Ausgleichswellen, die in einem neuartigen, patentierten Winkel neben der Kurbelwelle angeordnet sind (Suzuki Cross Balancer). Damit will man einen besonders angenehmen, vibrationsarmen Motorlauf sicherstellen. Die Honda wiederum verfügt nur über eine Nockenwelle (Unicam, kommt aus der Entwicklung der Cross-Motoren) und eine Ausgleichswelle. Dass der Motor trotz dieses etwas simpleren Aufbaus viel Spaß vermittelt, das können wir nach dem ersten Test der Honda Hornet (mit identischem Motor) schon bestätigen.
Der Vollständigkeit halber noch ein Blick auf die Verbauchswerte: Hier herrscht faktisch Gleichstand, mit 4,3 Liter bzw. 103g CO2 bei der Transalp und 4,4 Liter bzw. 104 g CO2 bei der V-Strom 800DE.
Vergleichen wir nun das Fahrwerk: Beide Modelle kommen mit robusten Stahlrahmen, jeweils ergänzt mit Schwingen aus Aluminium. Die Federungselemente sind auf den ersten Blick ebenfalls ähnlich, mit einer 43er-USD-Gabel vorne und einem Federbein hinten. Der genaue Blick zeigt allerdings, dass wie beim Motor auch das Fahrwerk der Suzuki komplexer ist; Gabel und Federbein sind voll justierbar, also jeweils in Vorspannung, Zug- und Druckstufe. Die Vorspannung des Federbeins lässt sich zudem mit einem praktischen Handrad verstellen. Die Honda wiederum erlaubt lediglich das Verstellen der Vorspannung an Gabel und Federbein.
Auch die Federwege selbst sind unterschiedlich: 220 Millimeter v/h bietet die Suzuki, 200/190 Millimeter sind es bei der Honda. Mit diesen langen Federwegen kann Suzuki naturgemäß auch mehr Bodenfreiheit generieren: 220 Millimeter sind um zehn mehr als bei der Honda. Erstaunlicherweise liegen die Sitzhöhen aber fast auf demselben Niveau: 850 Millimeter bei der Honda, 855 bei der Suzuki.
Leicht divergierend auch die Räder: Während sich bei beiden Kreuzspeichenräder drehen, vorne mit 21 Zoll, geht man bei den Hinterreifen andere Wege. Suzuki setzt hinten auf 17, Honda auf 18 Zoll. Als Erstausrüstung kommen bei beiden Modellen Dunlop Mixtour zum Zug, Honda stattet einen Teil seiner Produktion aber auch mit Metzeler Karoo Street aus.
Der Papierforma nach äußerst ähnlich ist die Hardware bei den Bremsen: Die Scheiben weisen bei Suzuki 310/260 Millimeter vorne/hinten auf, bei Honda 310/256 Millimeter.
Beenden wir dieses Kapitel mit einem großen Unterschied: beim Gewicht nämlich. Hondas Transalp wiegt fahrfertig vollgetankt extrem niedrige 208 Kilo, während Suzukis V-Strom 800DE 230 Kilo auf die Waage bringt. Hierbei muss man allerdings einrechnen, dass Suzukis Tank mit 20 Liter mehr fasst als jener der Transalp (16,9 Liter) und dass die Suzuki mehr Serienausstattung mitbringt: Handschützer, ein Motorschutz und der Quickshifter sind bei ihr schon im Serientrimm enthalten.
Beim Thema Bedienung & Connectivity zeigen sich ebenfalls gravierende Unterschiede – die man auf den ersten Blick nicht sieht, denn beide Modelle besitzen ein zeitgemäßes, fünf Zoll großes TFT-Display mit appetitlicher Darstellung der Fahrinformationen.
Dennoch bleibt Suzuki in diesem Thema schlichter. Für das Display gibt es nur eine Tag- oder Nacht-Ansicht (stellt sich automatisch um), das Thema Connectivity fällt völlig durch. Dafür gestaltet sich die Auswahl der Assistenzsysteme deutlich komplizierter. Als Fahrer muss man hier nämlich das Ansprechverhalten des Motors (Drive Mode Selector, dreistufig), die Traktionskontrolle (vierstufig und abschaltbar) und das ABS (zweistufig und hinten abschaltbar) immer separat einstellen.
In diesem Punkt hat Honda wohl aus der Kritik an der Africa Twin gelernt und all diese Verstellmöglichkeiten in umfassende Fahrmodi gebündelt. Man hat vier davon (Sport, Standard, Rain, Gravel) plus einen konfigurierbaren User-Modus. Mit diesen Fahrmodi beeinflusst man das Ansprechverhalten des Motors (vierstufig), die Motorbremswirkung (dreifach), die Traktionskontrolle samt Wheelie-Control (fünffach und abschaltbar) sowie das ABS-Regelverhalten (zweifach und hinten deaktivierbar). Dies ist auf jeden Fall deutlich praktischer. Zudem bietet die Honda serienmäßig eine Connectivityfunktion über das sprachgesteuerte Honda Smartphone Voice Control System. Es ist mit Android und mit Funktionseinschränkungen auch für iOS kompatibel. Und: Man kann für die Display-Darstellung aus vier Optionen seinen Liebling auswählen.
Obwohl Honda damit mehr Leidenschaft fürs Smartphone beweist, hat man sich für eine patscherte Position der Stromversorgung entschieden: eine USB-C-Buchse befindet sich unter dem Sitz; eine weitere 12V-Steckdose in der vorderen Verkleidung kann gegen Aufpreis nachgerüstet werden. Suzuki wiederum bietet serienmäßig eine USB-A-Buchse an schlauer Stelle seitlich am Display.
Bleiben wir noch kurz bei weiteren elektronischen Helferlein: Suzuki verbaut serienmäßig seine bekannten Systeme „Low RPM Assist“ (eine Anfahrhilfe) sowie das Easy Start System (ein kurzer Knopfdruck genügt, der Starter dreht sich so lange, bis der Motor läuft). Außerdem gibt’s einen Clutch Assist für leichtere Kupplungsbetätigung. Den letzteren bietet auch Hondas Transalp, zudem sind hier das „Emergency Stop Signal“ (Warnblinker bei Vollbremsung) und eine automatische Blinkerrückstellung integiert.
Am Ende noch ein Blick auf Ausstattung und Zubehör. Wie schon zuvor erwähnt bietet die Suzuki ab Werk mehr Umfänge: der Quickshifter, die Handschützer und ein unten liegender Kunststoff-Motorschutz sind serienmäßig verbaut. Auch beim Windschild hat man Verstellmöglichkeiten: Er ist in drei Positionen justierbar (in Summe 30 Millimeter Höhendifferenz), wofür man allerdings das Werkzeug zücken muss. Hondas Windschild ist zwar größer, aber fest fixiert.
Für beide Modelle stehen üppige Extras bzw. Zubehörpakete bereit; so lässt sich etwa die Honda ebenfalls mit Quicksifter, Handschützer umnd Metall-Motorschutz ausrüsten. Zusatzscheinwerfer, höhere Scheiben, seitliche Sturzbügel sind bei beiden Modellen zu haben. Bei den Gepäcklösungen setzt Honda für die Transalp auf Kunststoffsets (mit 26/33 Liter in den Seitenkoffern und 50 Liter im Topcase), während es für die Suzuki wahlweise Kunststoff- oder robuste Alu-Boxen gibt.
Unterm Strich: Die Honda Transalp ist am Papier eine Spur potenter, deutlich leichter und bietet eine schlüssigere Bedienung der Assistenzsysteme. Die Suzuki V-Strom 800DE kontert wiederum mit etwas mehr Drehmoment, verspricht bessere Laufruhe und besitzt ein Fahrwerk mit längeren Federwegen und mehr Verstellmöglichkeiten, außerdem etwas mehr Ausstattung ab Werk.
Für eine endgültige Trocken-Beurteilung fehlt freilich noch ein ganz entscheidendes Kriterium: der Preis. Jener wurde erst für die Suzuki und auch erst in Österreich verkündet: 12.790 Euro wird sie hier kosten. Es heißt also weiter warten – auf den Preis der Honda Transalp, auf die ersten Fahreindrücke und letztlich auf den ersten Fahrvergleich, der auf alle Fälle eines wird: spannend.
Weiter geht’s mit den wichtigsten Mitbewerbern.
KTM 790 Adventure. Der Rückkehrer ins Modellprogramm wird in China gefertigt und könnte ein Preiskracher werden. Warum könnte? Weil zum aktuellen Zeitpunkt noch kein Preis bekannt ist. Mit 95 PS und einem maximalen Drehmoment von 88 Newtonmeter aus dem 799 ccm großen Zweizylinder liegt die KTM leicht über den beiden oben beschriebenen japanischen Bikes, mit rund 216 Kilo vollgetankt dazwischen. Große Besonderheit der KTM in diesem Umfeld: Sie besitzt serienmäßig eine 6-Achsen-Sensorbox und damit ein Kurven-ABS und eine schräglagenabhängige Traktionskontrolle. Die Federwege betragen 200/200 mm.
Yamaha Ténéré 700. Auch die mittlerweile zur Ikone gereifte T7 wurde für 2023 aufgefrischt und besitzt nun unter anderem ein Farb-TFT-Display. Die Ténéré ist nach wie vor mit 689 Kubikzentimeter und 73 PS motorisch am schlichtesten ausgestattet, auch in Sachen Elektronik/Assistenzsysteme/Ausstattung vertritt sie die puristische Linie. Der Lohn: Sie ist mit 204 Kilo fahrfertig vollgetankt am leichtesten, verzichtet aber serienmäßig sogar auf einen Gepäckträger. Hier ist erst ein Preis in Deutschland bekannt: 11.374 Euro. Federwege: 210/200 mm.
BMW F 850 GS. Mittlerweile der Oldie im Segment (erschien 2018) kann die BMW in drei Punkten Bestmarken setzen: dank des hubraumgrößten Motors (853 ccm) beim Drehmoment (92 Nm), beim Verbrauch (4,2 l/99g) und bei den Federwegen (230/215 Millimeter). Dafür muss sich die in China gefertigte Bayrische beim Gewicht die rote Laterne umhängen: 233 Kilo sind’s fahrfertig vollgetankt. Auch der Preis ist happig: ab 12.620 Euro in Deutschland, ab 13.800 Euro in Österreich.