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Naked Bike Vergleich 2025Vernunft und Wahnsinn
Seit Jahren zählen die Vertreter der sportlichen Roadster-Mittelklasse zu den beliebtesten Motorrädern Europas. Kein Wunder: Die Leistung kratzt an der 125-PS-Marke, das Gewicht bleibt moderat, die Ausstattung wird von Jahr zu Jahr umfangreicher sowie die Elektronik schlauer – und das alles zu fairen Tarifen, für die es anderswo kaum einen vernünftigen Kleinwagen gibt.
Wer ein Motorrad dieser Klasse fährt, will kein Statussymbol – sondern ein universelles Motorrad, das ohne viel Schnickschnack jede einzelne Kurve zum Erlebnis macht. Eine Stärke, die Kawasaki Z900, die KTM 990 Duke und Yamaha MT-09 zweifellos teilen. Doch welches der drei Konzepte bietet das rundeste Gesamtpaket? Wieviele Zylinder braucht es tatsächlich um glücklich zu sein? Unser Vergleich gibt Antworten – fernab von Werbeversprechen, direkt aus der Praxis.
Kawasaki Z900
Für 2025 erstrahlt Kawasakis Cash-Cow sowohl in Sachen Design als auch technisch in frischem Glanz, musste sie doch zwangsläufig fit für Euro5+ gemacht werden. Eine Gelegenheit, die die Entwicklungsingenieure aus Akashi genutzt haben, um dem Modell eine ganze Reihe sinnvoller Upgrades zu spendieren.. Ab sofort verfügt die Z900 ab Werk nicht nur über einen lang ersehnten Quickshifter samt Blipper-Funktion sowie einen Tempomaten, sondern endlich auch über eine zeitgemäße IMU für schräglagensensitive Interventionen von ABS und Traktionskontrolle. Obendrein spendiert man dem grünen Bestseller einen neuen Lenker, eine leicht überarbeitete Geometrie sowie einen Feinschliff der Chassis-Steifigkeit.
Soweit die „Hard Facts“ – doch wie so oft entscheidet nicht das Datenblatt, sondern der Charakter. Und genau hier liefern die „Soft Skills“ den Stoff, aus dem Legenden gemacht sind. Ob sich ein Bike wie ein verständnisvoller Partner anfühlt oder wie ein launisches Biest, spürt man nicht auf dem Prüfstand – sondern draußen im Winkelwerk. Und genau hier brilliert die Z900. Der einzige Reihenvierzylinder im Vergleich hat mit den Tausender-Boliden der Superbike-WM nichts am Hut – der kurz übersetzte 948-Kubik-Antrieb ist ein „sanfter Riese“ und wurde von Beginn an für harmonischen Landstraßen-Vortrieb konzipiert. Mit Erfolg, denn er präsentiert sich auch jetzt als umgänglichster und somit alltagsfreundlichster Motor des Feldes.
Mit 124 PS und rund 97 Newtonmetern steht die Z900 ähnlich gut im Saft wie bisher und ist charakterlich der diametrale Gegensatz zum Paralleltwin der Duke: der Begriff „untertourig“ existiert für den seidenweichen, elastischen Vierling praktisch nicht – ein seidenweicher, kraftvoller Motor, der sich nie aufdrängt, aber stets präsent ist. Kein Hauch von Nervosität, kein lästiges Ruckeln, kein bockiges Drehmomentloch. Stattdessen liefert die souveräne Z900 satten, gleichmäßigen Schub von ganz unten – ein für Vierzylinder eher seltenes Phänomen. In der zweiten Drehzahlhälfte teilt sie aus wie Mike Tyson in seinen besten Jahren und versprüht dabei gleichzeitig die stoische Gelassenheit eines Dalai Lama.
Dennoch bleibt auch die Kawa nicht ohne Eigenheiten: In hohen Drehzahlen melden sich Vibrationen an Lenker, Tank und Rasten – nicht störend, aber präsent. Und wer sich im Praxis-Duell direkt mit der leichtfüßigen Konkurrenz misst, wird merken: Ein Vierzylinder ist nunmal kein Leichtgewicht. Ein zusätzlicher Brennraum, das ausladendste Motorgehäuse, die breiteste Kurbelwelle und die längsten Nockenwellen machen sich nicht nur durch rund zwanzig Kilo Zusatzgewicht am Bremspunkt bemerkbar. Die wuchtigen rotierenden Massen im Herzen der Grünen drängen im gestreckten Galopp eher Richtung Fahrbahnrand als die drahtigen Minimalisten der Mitbewerber. Der Tanz auf Messers Schneide erfordert daher eine geübte Hand und spürbar mehr Körpereinsatz als auf KTM und Yamaha.
Bei zügigem Tourentempo wechselt die Grüne hingegen stets spielerisch von Schräglage zu Schräglage, wirkt dabei aber nie elektrisierend leichtfüßig wie etwa die MT-09. Wenn's sportlich zur Sache geht, wechselt die Kawasaki nicht mehr ganz so messerscharf wie ein Zug auf Schienen ihre Fahrtrichtung. Das forcierte Wirken der physikalischen Kräfte resultiert in leicht nachgiebiger Linienführung. Doch was ihr in puncto Handling auf die beiden anderen Kandidaten fehlt, macht sie mit Souveränität wieder wett: Das Fahrwerk bügelt straßenbauliche Nachlässigkeiten stoisch weg und erweist sich somit auf Touren als besonders langstreckentauglich und komfortorientiert.
Die radial an der Z900-Gabel verschraubten Nissin-Vierkolbensättel verrichten ihren Dienst angenehm unauffällig, was für eine Bremse immer ein gutes Zeichen ist: Die Z900 verzögert fein dosierbar bei moderater Handkraft und holt sich somit heimlich, still und leise den Sieg in dieser Disziplin. Fast ebenso beeindruckt die beinahe schon absurde Leichtgängigkeit des Kupplungshebels – schade nur, dass man ihn nun wegen des in beide Schaltrichtungen zuverlässig funktionierenden Schaltassistenten kaum noch zieht. Auch sonst gibt sich das jüngste Elektronik-Upgrade praktisch orientiert und unaufdringlich, bleibt während der Fahrt dezent im Hintergrund. Die Einstellmöglichkeiten fallen im Vergleich mit der High-Tech-Konkurrenz recht übersichtlich aus – im vierten, individuell justierbaren „Rider“ Fahrmodus lassen sich lediglich Ansprechverhalten und Traktionskontrollen-Sensitivität individuell adaptieren. Anders als bei KTM und Yamaha stehen die elektronischen Helferlein bei Kawasaki weniger im Zeichen der Performance-Optimierung als klar im Dienst der Fahrsicherheit.
Der stattliche 17-Liter-Tank der Z900 spreizt die Piloten-Oberschenkel zwar ein Alzerl weiter als die kompakteren Benzinreservoirs der Mitbewerber, wegen des mit knapp 6 Litern höchsten Testverbrauchs scheint das Zusatzvolumen jedoch sinnvoll. Im Unterschied zu KTM und Yamaha finden sich Z900-Fahrer in einer klassischeren Naked-Bike-Ergonomie wieder: Die Fußrasten sitzen einen Tick weiter hinten und höher, der Lenker ist etwas schmaler und weiter vorne – daraus resultiert eine leicht nach vorne geneigte, sportlich-versammelte Haltung. Nicht besser, nicht schlechter, aber spürbar anders. Und eindeutig mehr „oldschool“ als auf 990 Duke und MT-09, auf denen übrigens Passagiere bequemer sitzen – soweit man in dieser Klasse überhaupt in der hinteren Reihe von Komfort sprechen kann. Nur ganz Hartgesottene (und/oder Verliebte) fahren am spartanischen Notsitz weiter als bis zum nächsten Eissalon mit.
Zu guter Letzt fällt an der Kawasaki auch die Preisgestaltung herrlich konservativ aus. Wohlfeile 11.199 Euro stellen die Grünen für ein schwarz-graues Standardmodell der Z900 in Rechnung – angesichts der beeindruckenden Potenz und gewohnt solider Verarbeitung das mit Abstand beste Preis-Leistungsverhältnis im Vergleich. Dank des nun zeitgemäßen und vollständigen Elektronik-Pakets ist ein Z900-Kauf ab sofort kein budgetbedingter Kompromiss mehr, sondern eine unterm Strich grundvernünftige Entscheidung.
KTM 990 Duke
Die 990 Duke ist mittlerweile fast wie ein Familienmitglied in unserer Redaktion. Vergangenes Jahr begleitete sie uns eine komplette Saison über 12.000 Kilometer quer durch Europa, und wir müssen gestehen: Selten hatten wir so viel Fahrspaß wie im Sattel des Ein-Liter-Herzogs. Der Marktstart für das Mattighofener Roadster-Modell war dennoch eher unglücklich. Der heimische Kult-Hersteller stand bereits finanziell mit dem Rücken zur Wand, und der Hochmut in der Führungsetage spiegelte sich offenbar auch in der ambitionierten Preisliste wieder: mit 17.662 Euro war unsere mit Tech-Pack aufgerüstete„Midsize-Duke“ finanziell ganz klar in der Oberklasse zuzuordnen – einer Kategorie, der sich ihr liebloses Verarbeitungs-Finish bis heute nicht als würdig erweist.
Ab sofort scheint bei den Orangen die Bodenständigkeit zurückgekehrt zu sein. Für das in puncto Elektronik identisch ausgestattete Testfahrzeug in diesem Vergleich sind laut Preisliste satte zweitausend Euro weniger fällig als noch vor einem Jahr. Prinzipiell eine gute Nachricht – nur nicht für jene, die sich bereits 2024 um teures Geld zu einem Kauf durchgerungen haben. Dennoch ist die KTM noch lange kein Schnäppchen. Mit rund 15686 Euro fordert KTM fast 2700 Euro mehr als Yamaha für unser mit Y-AMT aufgerüstetes MT-09-Testbike. Dass eine brandneue Kawasaki Z900 sogar für 4487 Euro weniger zu haben ist, lässt keinen Zweifel: „Mittelklasse“ sind bei der KTM 990 Duke höchstens ihre Leistungsdaten.
Nehmen wir das Unausweichliche daher vorweg: Kalkuliert man die Anschaffungskosten bei der Kür unseres Testsiegers mit ein, bleibt der Oberösterreicherin klar die rote Laterne. Da hilft es auch nicht, dass ihre elektronischen Helferleins optional mit den feinsten Einstellmöglichkeiten aufgerüstet werden können und sie bei Fahrdynamik-Enthusiasten maximale Begeisterung zu generieren vermag. Ihr stärkstes Argument ist der potente Paralleltwin, der ihr zu konkurrenzloser Lebendigkeit verhilft. Im landstraßenrelevanten Bereich unterhalb von 7000 Touren bringt die auf unserer Redaktionswaage fahrfertig 194 Kilo leichte 990 Duke mit bis zu 103 Newtonmetern Drehmoment infernalische Power auf die Straße. Ihr 947-Kubik-Reihenzweizylinder wurde von ihren Entwicklern nahezu perfekt auf sportlichen Einsatz getrimmt schnalzt ansatz- sowie hemmungslos aus der Kurve - hier hat die Konkurrenz alle Zylinder voll zu tun nicht den Anschluss an den „Sniper“ zu verlieren.
Keine Frage, auf der Suche nach feurigen Emotionen führt kaum ein Weg an der Duke vorbei. Zweifellos war auch die Kultiviertheit des LC8c-Antriebs niemals feiner als heute. Trotzdem kann der orange Heißsporn seine gelegentlich allzu aufdringliche „ready to race“ DNA im Alltag nicht permanent kaschieren. Bei flotter Fahrt lässt sich die KTM zwar herrlich dosierbar und berechenbar ans Gas nehmen, bei urbanem Bummeltempo scharrt sie jedoch pausenlos mit den Hufen. Das lässt in gewohnter KTM-Manier keine völlige Entspannung im Cockpit aufkommen – obwohl die Ergonomie durchaus für ausgedehnte Touren taugt.
Bei durchschnittlicher Körpergröße fühlt man sich wegen der in moderater Höhe montierten Fußraster, des kompaktesten Knieschlusses im Vergleich und einer ähnlich rückenfreundlichen Oberkörper-Haltung wie auf der MT-09 durchwegs wohl. Auch in der zweiten Sitzreihe sind gelegentliche Kurzausflüge relativ schmerzfrei zu bewältigen – Passagiere halten hier mit Sicherheit länger durch als auf der Z900. Auf 825 Millimetern Sattelhöhe wird der Pilot mit viel Bewegungsfreiheit recht tief in das Motorrad integriert. Lenkkopf und Lenker sind außergewöhnlich nahe am Körper – eine kompakte Position, die fast ein wenig an „Supermotard“ erinnert und der Lenkpräzision überaus zuträglich ist. Kleinste Steuerkommandos werden flink umgesetzt, die hochmotiviert Duke winkelt jederzeit willig in Kurven ab – noch kurvengieriger gibt sich nur Yamahas MT-09.
Die anvisierte Linie trifft die 990 Duke jederzeit mit schlafwandlerischer Präzision und lässt sich auch von Kanaldeckeln oder Bodenwellen nicht aus der Bahn werfen – gegen die nahezu makellose Performance des WP-Apex-Fahrwerks mit direkt angelenktem Federbein wirken die grundsoliden Komponenten an Kawasaki und Yamaha plötzlich recht mittelmäßig. Die Chassis-Abstimmung der KTM spricht superfein an, die knackig-straffe Grundabstimmung bleibt dennoch erhalten – so übersteht man ruppiges Asphalt-Flickwerk ohne Schmerzen in den Bandscheiben, während man auf glattgebügelten Straßen vom glasklaren Dämpfer-Feedback profitiert.
Auch der flinke Quickshifter samt Blipper-Funktion, eine praktische USB-Buchse direkt im Cockpit sowie das kontraststarke Cockpitinstrument mit der intuitivsten Menüführung im Vergleich verdienen Anerkennung. Schwächen offenbart hingegen das stumpfe Bremsgefühl der prinzipiell kräftigen Vierkolben-Zangen an der Front – schade, dass ausgerechnet der am sportlichsten getrimmte Roadster unseres Vergleichs in der Kategorie „Verzögerung“ Federn lassen muss.
Yamaha MT-09
Bühne frei für den Dreizylinder-Roadster im Feld. Seit 2021 pulsiert in der Yamaha MT-09 ein waschechtes 890-Kubik-Herz, seit diesem Jahr ist nun mit der in unserem Testfahrzeug verbauten „Y-AMT“ Technik optional um 600 Euro Aufpreis (inklusive Keyless-Go) auch ein automatisiertes Schaltgetriebe verfügbar. Seine Funktion lassen wir im Rahmen dieses Vergleichs diesmal außen vor, die Bedienung ist jedenfalls simpel: Kupplungs- und Fußschalthebel sucht man vergeblich. Das Schalten übernimmt ein elektrischer Stellmotor, während ein zweiter für die Kupplung zuständig ist. Wahlweise kann links am Lenker permanent manuell geschaltet oder während der Automatik-Fahrt jederzeit „interveniert“ werden: Hoch per Zeigefinger, runter per Daumen. Ein Wechsel der Getriebestufe dauert laut Yamaha nur 0,1 Sekunden, und auch in der Praxis müssen wir anerkennen, dass das clevere Y-AMT marginal schneller das Getriebe durchrepetiert als es die Quickshifter von Kawasaki und KTM schaffen.
Im deutlichen Kontrast zur Paralleltwin-Duke hinterlässt der Yamaha-Drilling einen ähnlich souveränen. unaufgeregten Eindruck wie der Z900-Vierzylinder. Das schont im Alltag die Nerven, obwohl das mit 119 PS schwächste Triebwerk im Vergleich trotz seiner fabelhaften Ausgeglichenheit ebenfalls jederzeit bereit ist potent an der Kette zu zerren. Geschmeidig und seidenweich gleitet der harmonische CP3-Motor im Drehzahlband auf und ab, lästige Lastwechsel sind selbst im direktesten der drei vorprogrammierten Fahrmodi nicht zu spüren – ein klarer Sieg in der Disziplin „Gasannahme“. Sobald der herzerwärmende, charakterstarke Triple rau losröhrt, bei mittleren Touren fest anreißt und dabei stets kultivierte Laufkultur à la Z900 und die vehemente Durchzugsstärke der 990 Duke virtuos zu kombinieren weiß, ist man schlicht hingerissen.
Lediglich nach engen Kehren im zweiten Gang dauert es einen Wimpernschlag länger, bis sich die MT-09 aus dem Radius zu katapultieren vermag. Eine Gelegenheit, die der KTM ein paar Meter Vorsprung verschafft. Kein Wunder, schließlich generiert die Yamaha am Prüfstand am wenigsten Druck – bei niedrigen Drehzahlen sind die Unterschiede jedoch klein und werden durch die ohnehin schon kurze MT-09-Übersetzung auf der Straße fast wettgemacht. Doch da ginge weitaus mehr, wie ein MM-Experiment eindrucksvoll bestätigt: Mit einem ein Zahn kleineren Antriebsritzel könnte die minimale Power-Lücke zur Konkurrenz im Landstraßen-Winkelwerk tatsächlich restlos geschlossen werden.
Abgesehen davon gibt es am runden MT-09-Fahrgefühl absolut nichts zu bekritteln, in Sachen Ausgewogenheit setzt sie nach wie vor Maßstäbe in ihrem Segment. Damit empfiehlt sich der „Master of Torque“ für ausgedehnte Touren gleichermaßen wie für die alltägliche Fahrt ins Büro oder eine flotte Feierabend-Runde – ein beinahe makelloser Allrounder wie er im Buche steht.
Applaus verdienen auch die modernen, neigungssensitiven Assistenzsysteme mit zahlreichen Einstellmöglichkeiten, die beinahe so vielseitig ausfallen wie in der KTM – und sich ähnlich souverän auf maximale Dynamik oder höchste Sicherheit justieren lassen. Wie bei der günstigeren Kawasaki ist auch an der Yamaha ein Tempomat serienmäßig mit an Bord, und das Standardmodell wird ebenfalls ohne Aufpreis inklusive Quickshifter ausgeliefert. Für Schnäppchenjäger offeriert die MT-09 um 12.399 Euro somit das beste Gesamtpaket ums kleinste Geld.
Eine Sitzprobe macht die gravierenden Ergonomie-Modifikationen deutlich, die Yamaha der jüngsten Modellgeneration spendiert hat. Die einst supermoto-artige Sitzposition wurde entschärft, man sitzt ab sofort mit einem Hauch mehr Oberkörper-Vorlage und nach hinten sowie oben versetzen (zweifach justierbaren) Fußrastern ein Alzerl gerungener und konventioneller – nicht ganz so aufrecht wie auf der KTM, aber noch nicht ganz so klassisch positioniert wie auf der Kawasaki. Vom breiten, tiefen Lenker profitiert nicht nur der Vorderradbezug: Lenkimpulse werden absolut widerstandslos und zackig umgesetzt. Trotzdem kippt die MT stets berechenbar in Schräglage und bleibt stabil sogar in schnellen Radien – generell brilliert sie mit dem geschmeidigsten, rundesten Fahrgefühl im Vergleich.
Unfassbar leichtfüßig und noch spielerischer als die Konkurrenz huscht die 193 Kilo leichte Yamaha MT-09 durchs Kurvendickicht. Je enger der Radius, desto mehr ist die Japanerin in ihrem Element. In schnellen Passagen fallen die Heck-Rückmeldungen jedoch weniger eindeutig aus als beim Rest unseres Trios – zwar trifft sie die anvisierte Linie jederzeit mit schlafwandlerischer Präzision, bei ambitioniertem Tempo lässt sie sich jedoch von Kanaldeckeln oder Bodenwellen etwas aus der Bahn werfen. Eine generell sämigeres Federbein würde der Yamaha gut stehen. Auf der Suche nach maximaler Kurvengeschwindigkeit sollte man daher auch das 2300 Euro teurere SP-Modell, unter anderem mit Öhlins-Dämpfer, voll einstellbarer KYB-Gabel sowie Brembo-Stylema-Bremszangen, in Erwägung ziehen.
Apropos Verzögerung: Ideal in das vielseitige MT-09-Konzept fügt sich auch die solide Standard-Bremsanlage ein, die beinahe auf Augenhöhe mit der Z900 in die Stahlscheiben beißt. Ihr Initialbiss fällt zwar etwas verhalten aus, die Bremskraft lässt sich jedoch klaglos progressiv und passabel dosierbar aufbauen.
Während in Sachen Lesbarkeit der 5-Zoll-TFTs nahezu Gleichstand zwischen den Kontrahenten herrscht, klappt die Bedienung bei Yamaha und KTM deutlich intuitiver als bei Kawasaki – vielleicht gerade deshalb, weil an MT-09 und 990 Duke auch deutlich mehr Elektronik-Firlefanz voreingestellt werden will.
An der Bedienung des Instruments per Joystick an der linken Lenkerarmatur gibt es sogar während der Fahrt bei der MT-09 nichts zu bekritteln. Lediglich am eigenwillig geformten Blinkerschalter mit „Komfortblinken“ (kurzes Antippen für dreimaliges Blinken), dafür jedoch ohne die sonst übliche „Aus“-Mittelposition, scheiden sich die Geister: hier stellt sich die Frage weshalb Yamaha das Rad unbedingt neu erfinden muss. Einen Pluspunkt verdient dagegen die serienmäßige Möglichkeit eine kostenfreie Garmin-Navigationsanzeige samt Straßenkarte (!) auf dem Display darzustellen, während das Mobiltelefon kabellos in der Jackentasche bleiben kann. Zum Vergleich: KTM lässt sich schon die Bluetooth-Schnittstelle extra bezahlen, während die Kawa-App nach wie vor in den Kinderschuhen steckt.
FAZIT
Drei Motorräder, drei Philosophien – und ein verblüffend klares Ergebnis. Die aufgewertete Kawasaki Z900, die ausgewogene Yamaha MT-09 und die radikale KTM 990 Duke buhlen mit völlig unterschiedlichem Ansatz um die Gunst sportlicher Naked-Bike-Fans. Wer hier gewinnt, hängt ganz davon ab, was man sucht – oder zu finden hofft.
Die Z900 bleibt auch 2025 das bodenständige Vernunft-Bike im Trio. Mit dem jüngsten Update hat Kawasaki vieles richtig gemacht: die Assistenzsysteme stark verbessert, die Ausstattung nach oben geschraubt und den bewährten Antriebscharakter beibehalten. Hand aufs Herz: Mehr Motorrad braucht in Wahrheit kein Mensch, Performance, Komfort und Fahrspaß enttäuschen nicht. Der mehr als faire Preis macht den Kauf einer Z900 somit zu einem „No-Brainer“ für all jene, die ein kraftvolles, komfortables und alltagstaugliches Naked Bike suchen und auf überbordenden Elektronik-Schnickschnack ohnehin keinen Wert legen. Wer ein verlässliches Kraftpaket mit ruhigem Puls und herausragendem Preis-Leistungs-Verhältnis sucht, wird hier definitiv glücklich.
Ganz anders die KTM 990 Duke: Sie ist ein kompromissloser Leichtathlet mit forderndem Charakter, der selbst beim Ampelstopp noch mit den Hufen scharrt. Der explosive Paralleltwin lässt die Duke wie einen gespannten Rexgummi aus Kehren schnalzen, die Chassis-Abstimmung ist eine Offenbarung, das Handling präzise wie eine Lenkrakete. Kein Zweifel, für waschechte Adrenalin-Junkies führt kaum ein Weg an der potenten KTM vorbei. Zwar sind ihr auch Alltag und Zurückhaltung nicht völlig fremd, lieber wetzt sie jedoch schwungvoll von Kehre zu Kehre. Das Unvernünftigste an ihr ist und bleibt jedoch die Preispolitik – denn in der Straßen-Praxis fällt der Mehrwert besonders im Vergleich zur deutlich günstigeren Yamaha nur marginal aus.
Die Z900 ist Vernunft auf zwei Rädern, die 990 Duke loderndes Feuer – und die Yamaha MT-09 schafft das Kunststück, beides überzeugend zu kombinieren. Für all jene, die auch in Sachen Assistenzsysteme auf nichts verzichten wollen, offeriert sie zudem das fairste Gesamtpaket. Spielerisches Handling zählt zu ihren großen Stärken, und der geschmeidig-kultivierte und gleichzeitig quicklebendige Dreizylinder vereint gekonnt die Qualitäten von Twin und Reihenvierzylinder.
Dank überarbeiteter Ergonomie fährt sich die MT noch intuitiver, entspannter – und gleichzeitig dynamischer als je zuvor. Kurzum: Die MT-09 ist der wandlungsfähigste Charakter im Trio – und der verdiente Testsieger für alle, die Fahrspaß, High-Tech und Alltagstauglichkeit in einem stimmigen Gesamtpaket vereint wissen wollen. Wer hingegen kompromisslos auf den Preis schaut, darf guten Gewissens auf die neue Z900 zuschlagen – beinahe ohne merkliche Abstriche im echten Leben.