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Peter Schönlaub
Autor: Peter Schönlaub
peter.schoenlaub@motorrad-magazin.at
19.1.2022

BMW CE 04: Erster TestUrban Pressure

Als 2017 die ersten Zeichnungen einer Designstudie namens „Concept Link“ auftauchten, dachte wohl niemand, dass ein solcher Scooter fünf Jahre später nahezu unverändert in Serie gehen würde. Und dennoch ist es so, und wir stehen heute nicht nur vor dem Straßenfahrzeug, sondern fahren sogar damit.

Bevor wir aufsteigen werfen wir noch ein paar genaue Blicke auf das Gesamtbild und die technischen Details.

Beginnen wir bei den Dimensionen: Was sofort auffällt ist – neben dem Star-Wars-Design – der ewig lange Radstand. 1675 Millimeter unterbieten den Radstand einer mächtigen  Honda Gold Wing um gerade einmal zwei Zentimeter. Der BMW CE 04 ist also wieder ein imposant-stattlicher Roller geworden, auch wenn man durch das Design versucht hat, ihn kleiner wirken zu lassen. Der lange, schmale Sattel, die „durchbrochenen“ Flanken, das Fehlen eines für Scooter typischen Jennifer-Lopez-Hinterns – all das lässt ihn zierlicher am Asphalt stehen.

Der Eindruck an Leichtigkeit trifft auch zu – zumindest, wenn man seinen Vorgänger C Evolution als Maßstab nimmt. Gegenüber dem Maxiscooter hat der CE 04 um rund 40 Kilo abgespeckt. Mit nunmehr 231 Kilo fahrfertig ist er für einen Mittelklasse-Roller freilich noch immer kein Federgewicht.

Verantwortlich für das Gewicht und auch den langen Radstand sind natürlich die Batterien. Es handelt sich dabei um die aktuellste bei BMW gebaute Generation (die fünfte), die unter anderem auch in den neuen Pkw-Modellen i4 und iX eingebaut wird. Diese Zellen sind als „Flachspeicher“ im Unterboden angeordnet und werden luftgekühlt. Im Vergleich zum C Evolution nehmen sie fast nur mehr den halben Platz ein. Und im Unterschied zum Vorgängermodell werden sie nicht mehr in einen massiven, großen „Alu-Sarkophag“ eingeschlossen, der gleichzeitig die Funktion eines Rahmens übernimmt; stattdessen umfasst ein guter, alter Stahlrohrrahmen die Batterie.

Das „Füllvolumen“ der Batterie beträgt 8,9 kWh, was für rund 130 Kilometer Reichweite ausreichen soll. Zum Laden befindet sich vorne unter dem Lenkkopf eine Typ-2-Steckdose; im Lieferumfang ist ein Ladekabel enthalten, das man am einen Ende in diese Typ-2-Steckdose einklickt, mit dem anderen in eine übliche Haussteckdose. Will man an einer Wallbox oder einer öffentlichen Ladesäule laden, dann kann man den dort oft zu findenden Typ-2-Schnorchel gleich direkt an den Roller anstecken.

Die Ladezeit beträgt ausgehend von einer völlig leeren Batterie rund 4:20 Stunden. Optional lässt sich ein Schnellladegerät ordern, das gleich ab Werk ins Fahrzeug integriert wird (eine Nachrüstung ist nicht möglich). Dann reduziert sich die Ladezeit auf 100 Minuten, ein Ladungs-Push von 20 auf 80% ist in 40 Minuten möglich.

Jetzt aber zum Motor: Auch er stammt von der Autosparte BMWs und wurde ebenfalls für die Verwendung im CE 04 redimensioniert. In der „normalen“ Version leistet er 42 PS; die eher theoretische Nenn- bzw. Dauerleistung beträgt 20 PS. Alternativ ist der CE 04 auch in einer A1-Variante zu haben (auch geeignet für Autofahrer mit Zusatzausbildung Code 111). Hier ist die Nennleistung auf die in dieser Klasse erlaubten 15 PS limitiert, während man maximal mit 31 PS unterwegs ist – viel sportlicher als mit üblichen A1-Geräten. Das liegt auch am maximalen Drehmoment von 62 Newtonmeter, das jenem von Mittelklasse-Motorrädern entspricht. Beide Varianten erreichen eine abgeregelte Höchstgeschwindigkeit von 120 Stundenkilometer.

Kleiner Einschub: Wer die A1-Variante ordert, wird sich über die reduzierte Reichweite von 100 Kilometern wundern. Dies hat rein technische Gründe, erklärt uns der Projektleiter. Man müsse einen Teil des Speichers „stilllegen“, um die Nennleistung von 15 PS zu erreichen – eine seltsame Notwendigkeit bei der Homologation also. Man kann eine A1-Variante aber beim Händler einfach wieder „aufmachen“ lassen, wenn es eine höhere Führerscheinklasse erlaubt. Einschub beendet.

Kommen wir noch rasch zur Ausstattung: Serienmäßig bietet der CE 04 neben dem vorgeschriebenem ABS auch die Traktionskontrolle ASC, die drei Fahrmodi Road, Rain, Eco, den Intelligent Key, eine Rückfahrfunktion, die automatische Parkbremse (wird beim Seitenständer-Ausklappen aktiviert), LED-Beleuchtung und das große 10,25-Zoll-TFT-Display mit cleveren Connectivity-Funktionen, die wir schon von der RT und den Touren-Versionen der R 18 kennen (nun sind in der Navi-Software aber auch Ladepunkte zu finden).

Gegen Aufpreis kauft man unter anderem Griff- und Sitzheizung, den Hauptständer, einen hohen Windschild, Kurven-ABS, die schräglagenabhängige Traktionskontrolle DSC, den intelligenten Notruf, den vierten Fahrmodus „Dynamic“, das LED-Tagfahrlicht, ein Topcase oder eine Seitentasche. Die Lackierung in Graumetallic kostet ebenso Aufpreis wie der getönte Schild; optional kann man auch aus sechs verschiedenen Sitzbänken auswählen.

Bevor wir uns auf eine davon schwingen noch ein letzter Blick ins Staufach, für viele Rollerfahrer ein ganz wesentliches Kriterium. Dieses ist auf ungewöhnliche Weise zugänglich, nämlich von der Seite. Entriegelt wird der Deckel über einen elektrischen Taster am Mitteltunnel, dann erblickt man einen annähernd quadratischen Stauraum, in dem man einen Vollvisierhelm unterbringt, viel mehr aber auch nicht. Zusätzlich wird im linken Bereich der Frontverkleidung noch ein kleines, gebläsegekühltes Staufach fürs Smartphone offeriert, in dem sich eine USB-C-Buchse befindet.

Jetzt aber los. Die Sitzposition ist kommod, zusätzlich lässt sich die Haltung ziemlich flexibel den eigenen Vorlieben und/oder der Körpergröße anpassen, indem man auf dem flachen Sattel nach vorne oder hinten rutscht (der Höcker auf den Fotos ist Teil einer optionalen Sitzbank). Auch die Beine finden lange Trittbretter, auf denen man sie mehr nach vorne oder eher mittig platzieren kann. Mit 780 Millimeter Sitzhöhe ist der Roller auch für kleinere Fahrerinnen und Fahrer gut zugänglich.

Beim ersten Aufrichten merkt man sofort, dass der Roller leichter geworden und der Schwerpunkt nach unten gerutscht ist: Es gestaltet sich einfacher.

Sehr einfach wurde auch die Bedienung der Funktionen arrangiert, und erst recht das Fahren selbst. Schon der C Evolution war ja ein Meilenstein in Sachen Dosierbarkeit der elektrischen Power, jetzt geht’s nochmals feinfühliger. Das Anfahren, das Portionieren des Drehmoments während der Fahrt – alles ist haarfein und elegant. Eleganter als es jemals mit einem Verbrenner möglich sein wird, das muss man auch als langjähriger Petrolhead ergänzen und zugeben.

Der Schub selbst ist weiterhin eine echte Freude. 2,5 Sekunden auf 50 km/h verspricht BMW, und dieser Wert ist tatsächlich jedes Mal und wahrscheinlich sogar von Schimpansen exekutierbar. Rechtes Handgelenk umdrehen und nach vorne peitschen – ohne einen Zucker, Nackler oder peinliches Abwürgen. Das Zoomen macht süchtig, auch wenn’s natürlich kindisch ist und die Reichweite über Gebühr senkt.

Der Fahreindruck ist übrigens sehr stark vom gewählten Fahrmodus abhängig. Die Fahrmodi beeinflussen drei Parameter: die Gasannahme (bleiben wir bei dem gelernten Begriff, auch wenn er hier falsch ist), die Spitzenleistung und den Grad des Rekuperierens. Falls ihr mit dem Begriff noch nicht vertraut seid: Wenn man vom Gas geht oder bremst, dann dient der Elektromotor dazu, Energie zurückzugewinnen – das nennt man Rekuperieren. Fühlbar ist dieser Effekt wie die Motorbremswirkung. Nun kann man einstellen, wie stark diese „Motorbremswirkung“ ausfällt. Je stärker, desto mehr Energie wird zurückgewonnen. In den Fahrmodi Eco und Dynamic ist sie in manchen Fällen sogar so stark, dass die Bremslichter aufleuchten müssen – und bei etwas vorausschauender Fahrt ist es sogar möglich, weite Abschnitte zurückzulegen ohne einmal den Bremshebel zu benutzen.

Diese vielleicht zunächst ungewohnte Fahrweise ist ganz witzig, auf jeden Fall effektiv. Wer sich partout nicht daran gewöhnen kann, wählt den Standardfahrmodus „Road“. Oder „Rain“; bei letzterem wird fast gar nicht rekuperiert und der Roller beim Gaswegnehmen seinem Namen gerecht: Er rollt.

All diese Betriebszustände lassen sich perfekt am großen Display ablesen, wo eine sogenannte „Momentenschaukel“ das Spiel aus Beschleunigung und Rekuperation graphisch darstellt. Kennt man ähnlich auch aus elektrifizierten Pkw.

Das Fahrwerk selbst ist eine Punktlandung, bietet trotz der rollertypisch überschaubaren Federwege guten Komfort, aber auch eine überraschende Agilität, die man dem schweren, langen CE 04 nicht ohne weiteres zutrauen würde. Auf der Autobahn ist der Scooter mit seinem langen Radstand natürlich ein Musterbeispiel an stoischer Gelassenheit, ebenso selbst bei härtesten Bremsmanövern, bei denen er unbeirrt in der Spur bleibt.

Einzige kleine Einschränkung: Die Reifen – Pirello Diablo Rosso Scooter – sind nach dem Kaltstart dafür verantwortlich, dass der CE 04 stark in die Kurve kippt, man richtig dagegenhalten muss. Sobald die Reifen auf Temperatur sind, ist dieses Phänomen verflogen und der Roller lässt sich präzise und neutral einlenken und wieder aufrichten.

Keine allzu hohe Punktezahl fährt der BMW CE 04 indes beim Thema Windschutz ein. Wer darauf Wert legt, muss wohl zur hohen Scheibe greifen.

Unsere erste Testfahrt ließ auch eine Einschätzung über den Wahrheitsgehalt der Reichweite zu. Über gemischte Strecken durch Barcelona und dessen Umland (Innenstadt, eine kleine Bergstrecke, eine längere Distanz auf der Stadtautobahn) legten wir 60 Kilometer zurück und hatten danach noch eine Reichweite von 55 Kilometern am Display; in Summe hätten wir also 115 Kilometer geschafft, wobei man unsere gehäuften Ampelstarts (zu Testzwecken, logo) und viel Gewusel rund um Foto- und Videoproduktion in Rechnung stellen muss. Bei bedachter Fahrweise scheinen die avisierten 130 Kilometer also durchaus realistisch. Dem werden wir aber bei kommenden, längeren Fahrtests noch genauer auf den Grund gehen.

Zum Abschluss noch ein Blick auf den Preiszettel: 12.150 Euro in Österreich und 11.990 Euro in Deutschland sind natürlich eine Vorgabe – auch wenn man im Vergleich zum C Evolution deutlich günstiger geworden ist. Und man muss natürlich auch noch die angebotenen Förderungen einrechnen und kleine Ersparungen in den Unterhaltskosten (in Österreich keine motorbezogene Versicherungssteuer, auch die Services sollten günstiger ausfallen).

Dennoch: Der Preis ist und bleibt ambitioniert, vor allem, wenn man ihn klassischen Benzinrollern gegenüberstellt. Auf der anderen Seite erhält man mit dem BMW CE 04 den derzeit einzigen Elektro-Scooter in der A2-Kategorie und ein Fahrerlebnis, das durchaus erbaulich ist. Bei BMW hegt man jedenfalls große Erwartungen, will mit dem CE 04 „hinaus aus der Nische“. Gebaut wird er in Berlin, auf den Bändern, wo ehemals der C Evolution (wurde in sieben Jahren 8000 Mal verkauft) und die C-650-Varianten gefertigt wurden.

Der Marktstart des BMW CE 04 erfolgt in Kürze: innerhalb der ersten Monate des noch jungen Jahres 2022. Wer die Chance hat, ihn auszuprobieren, sollte sich den Spaß gönnen.

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