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Honda CB1000GT TestDie bessere Hornet
Was ist die Honda CB1000GT? Sporttourer oder Crossover? Hier scheiden sich nicht nur in der Redaktion die Geister, sondern auch bei unseren Lesern und Zuschauern. Dementsprechend unterschiedlich wird auch die Konkurrenz ausgewiesen: Ist eine eher eine Suzuki GSX-S1000GT oder eine GX? Eine BMW S 1000 XR oder eine R 1300 RS? Eine Kawasaki Ninja 1000SX und eine Versys 1100? Und was ist mit der Yamaha Tracer 9 GT?
Honda selbst sieht die GT jedenfalls nicht in derselben Liga wie ähnliche Modelle von BMW oder Ducati, was vor allem mit dem Preis argumentiert wird. Eine Suzuki GT sieht man absolut als Alternative, eine Tracer 9 GT ebenfalls. Zwar sitzt man auf der CB1000GT aufrechter als beispielsweise auf einer Ninja 1000SX, aber die Federwege sind ähnlich und das Gran Turismo im Namen weist die Honda dann doch als modernen Sporttourer aus. Beim Fahren kommen dann allerdings doch wieder starke Crossover-Vibes durch. Die Grenzen sind bei diesen beiden Segmenten heute einfach schwammig und deshalb haben beide Lager recht.
Womit Honda diesmal punktet sind nicht nur Qualität, Zuverlässigkeit und ein massentauglicher Modell-Charakter, sondern vor allem eine umfangreiche Grundausstattung und ein äußerst attraktiver Preis. Für 17.490 Euro (Deutschland 14.429 Euro inkl. Überführung) bekommt man nicht nur den Reihenvierzylinder aus der Fireblade, der in der Hornet 152 und hier 150 PS leistet, sondern auch vier Fahrmodi, schräglagensensitive Assistenzsysteme, einen Quickshifter, Heizgriffe, Tempomat, einen fünffach verstellbaren Windschild, Handguards, einen Hauptständer, ein elektronisches Fahrwerk und sogar Seitenkoffer (37 und 28 Liter). Das 5-Zoll-TFT mit Roadsync, eine USB-C-Steckdose im Cockpit, selbstrückstellende Blinker und das Notbremssignal seien hier nur am Rande erwähnt.
Was eint nun die Hornet und die CB1000GT, was unterscheidet sie? In einigen Details sind sich die beiden überraschend ähnlich. Zwar leistet der Motor in der GT um zwei PS weniger, die Drehzahl von 11.000 bleibt aber gleich. Nur das maximale Drehmoment von 102 Newtonmeter steht allerdings etwas früher an. Und natürlich ist der Sporttourer mit all seiner Ausstattung schwerer, mit 229 statt 211 Kilogramm. Die Zuladung beträgt 199 Kilo mit Koffern. Der Tank fasst zudem 21statt 17 Liter. Leider ist auch sie zu laut für einige Regionen in Tirol und genehmigt sich im Schnitt 6 Liter auf 100 Kilometer, bei unserer Testfahrt sogar über sieben.
Der Lenkkkopf-Winkel ist exakt gleich (25 Grad), die Federwege hinten sind bei der GT um nur 2 Millimeter länger, vorne um 12. Und die Schwinge wurde für mehr Stabilität und Laufruhe verlängert. Der größte Unterschied liegt in der Ergonomie, mit einem um 66 Millimeter breiteren und um 66 Millimeter höher und 63 Millimeter näher beim Fahrer angebrachten Lenker. Die Fußrasten wurden außerdem um 12 Millimeter nach unten versetzt, worunter leider die Schräglagenfreiheit spürbar leidet.
Der Motor wurde nicht nur ein wenig drehmomentlastiger abgestimmt, er wurde laut Honda mit viel Aufwand neu abgestimmt. Ohne direkten Vergleich sind die Unterschiede zur Hornet nur schwer auszumachen, möglicherweise wurden die Vibrationen reduziert. Es braucht jedenfalls mindestens 6000 Touren, um die Party zu starten, in den richtig sportlich gefahrenen Sektionen blieb die Drehzahlnadel sogar konstant über 8000 – was der Fahrfreude aber kleinen Abbruch tat.
Die GT vereint zwei Tugenden: Sie nimmt die Agilität und Präzision der Hornet mit, bietet aber in den Bremszonen und im Radius mehr Stabilität, bewirkt vor allem durch die längere Schwinge und das elektronische Fahrwerk, das je nach gewähltem Fahrmodus schneller auf die aktuelle Situation reagieren kann als der Mensch blinzeln. Das Motorrad ist über den hohen und breiten Lenker noch leichter und bei Bedarf forscher zu dirigieren als die Hornet, wird aber nie nervös oder kippelig. Und sie fühlt sich nicht an, als würde sie auf Stelzen stehen wie manches Crossover-Bike.
Und noch eine dritte Eigenschaft bringt sie mit, die einen bei Honda nicht überraschen sollte: Sie ist äußerst leicht zu fahren und schell zu verstehen. Die Kupplung ist sehr leichtgängig, die Schaltwege kurz und knackig. Der Quickshifter überzeugte anfangs nicht beim Runterschalten, aber eine kleine Änderung im Cockpit von "medium" auf "soft" verbesserte die Funktion deutlich. Insgesamt gibt es drei Härtegrade und die Möglichkeit, den Schaltautomat abzuschalten.
Auch die Traktionskontrolle lässt sich deaktivieren, was wir aber deshalb unterlassen haben, weil das TC-Lamperl auf der Teststrecke im Dauerbetrieb war. Die Fahrmodi Standard, Tour und Sport sind allesamt gut zu verwenden und bieten ein entsprechendes Ansprechverhalten. Der Rain-Modus kappt die Leistung spürbar, wie stark, konnte man uns aber nicht sagen.
Die Einstellungen sind schnell getroffen, das Menü klar gestaltet, auch wenn das Display eine moderne, ansprechendere Oberfläche bieten könnte. Die Vorspannung am Federbein je nach Beladung ist per Knopfdruck möglich, an der Gabel kann sie manuell eingestellt werden.
Der GT fehlt es also an nichts, oder? Bei Bedarf können drei Zubehörpakete montiert werden, die sich ergänzen. Unter anderem waren bei uns der breitere, dicker gepolsterte Komfortsitz und der um fast zehn Zentimeter höhere Touring-Windschild montiert, dessen Windschutz aber bei weitem nicht an jenen einer NT1100 heranreichte. Bei der Suche nach einer qualitativen Schwachstelle fielen uns nur die Koffer auf, die den Sparstift erkennen lassen. Ein Blick unter den Sozius verriet aber: Made in Japan. Die GT ist also eine veritable Honda und angesichts der Ausstattung ein japanischer Preis-Kracher und sowas wie eine erweiterte Hornet S.
