
clemens.kopecky@motorrad-magazin.at
Trial FÜR EINSTEIGERTrial ist das Golfspiel des Motorradsports? Wir wissen es besser
Die Weisheit „was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer“, trifft allerdings weniger auf den Trial-Sport zu als auf alle anderen Motorrad-Disziplinen. Für Wettbewerbserfolge auf internationalem Niveau sollte man zwar auch beim Trial besser schon im zarten Kindesalter mit dem Training beginnen. Wer kostengünstig und mit einer großen Portion Spaß seine Motorrad-Fahrtechnik verbessern will, kann aber auch im Erwachsenenalter ein beachtliches Niveau erreichen. Trial eignet sich hervorragend als Freizeitaktivität für die ganze Familie: Das Gleichgewicht wird geschult, die Koordination von Kupplung, Gas und Bremse perfektioniert und der Bewegungsapparat gestärkt. Außerdem schont Trial das elterliche Nervenkostüm: Wegen der geringen Geschwindigkeit in den Hindernis-Sektionen ist das Verletzungsrisiko deutlich geringer als bei allen anderen Motorrad-Kategorien.
Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb kämpft die Motorrad-Akrobatik häufig mit einem Imageproblem. Nicht selten schimpfen böse Zungen den Trial-Sport das „Golf der Motorradfahrer“. Auch der Autor muss zugestehen, in der Vergangenheit dieser Körperertüchtigung zu wenig Respekt gezollt zu haben. Erst ein Schnupperkurs beim vierfachen Trial-Staatsmeister Richard Hitzler (www.trialschule.at) sorgte für die überfällige Läuterung. Es ist eben wie mit der ersten Zigarette, dem ersten Kuss oder dem ersten Urlaub auf Mallorca: Man muss es einmal probieren, um sich ein Bild machen zu können. Zwar presche ich schon seit Jahren routiniert auf Hardenduros durch Forst und Schottergrube, trotzdem hält schwieriges Gelände immer wieder haarige Passagen parat, die man nur äußerst ungern und mit mulmigem Gefühl im Bauch in Angriff nimmt. Hier ist ein Trial-Motorrad nicht selten eine Wunderwaffe: Dort wo trotz Stollenreifen, langen Federwegen und potentem Triebwerk nichts mehr geht und der Pilot literweise Angst- und konventionellen Schweiß vergießt, fängt mit der rund siebzig Kilo leichten Trial der Spaß oft erst ganz stressfrei an. Nicht umsonst mutierte die Bezeichnung „Trial“ aus dem englischen „try all“ (dt.: versuch alles). „Geht nicht, gibt’s nicht“, das weiß man spätestens seit den TV-Übertragungen von Indoor-Trial-Wettbewerben. Drei Meter hohe Wände, meterweite Sprünge aus dem Stand oder sekundenlanges Balancieren auf dem Hinterrad – mit routinierten Piloten auf den Fußrastern schaffen die handlichen Trials nahezu jede Tücke des Terrains. Was man mit Trials noch alles anstellen kann, zeigt im Internet eindrucksvoll der zwanzigfache Weltmeister Toni Bou (Video 1). Aber auch die Österreichische Trial-Szene hat's drauf: Video 2 gibt einen kleinen Einblick.
Natürlich ist auch bei diesem Sport ohne Fleiß kein Preis zu gewinnen, aber schon gelegentliches Training bringt nachweisbare Erfolge für Gesundheit und Fahrtechnik. Die komplexen Bewegungsabläufe der Trial-Manöver laufen meist in Sekundenbruchteilen ab und beanspruchen neben der Koordination die Muskulatur des ganzen Körpers. Einsteiger dürfen nach einigen Stunden Training also den Franzbranntwein bereitstellen (bitte nur zum Einreiben!) – der Muskelkater kommt verlässlich wie der nächste Sonnenaufgang. Trotzdem lohnen alle Anstrengungen: Besonders bei Anfängern steigt die Lernkurve in wenigen Wochen steil an, und bereits nach wenigen Übungseinheiten bewältigt man auf zwei Rädern scheinbar Unmögliches. Sogar beinahe senkrechte Passagen, die selbst per Pedes kaum zu erklettern sind. Enduristen und sogar Motorrad-Tourenfahrer profitieren in ihrem Metier deutlich vom jahreszeitenunabhängigen Trial-Training. Auch auf Schneeboden werden Fahrtechnik geschliffen, Reflexe verbessert und das Gefühl fürs Fahrzeug geschärft.
Das Allerbeste für Sparfüchse: Trial ist ein bemerkenswert budgetfreundliches Hobby. Kaum eine Motorsport-Kategorie ist so kostengünstig finanzierbar wie der Trial-Sport. Neufahrzeuge gibt es bereits ab 5000 Euro, Versicherung und NOVA fallen für die untypisierten Modelle nicht an. Der Wartungsaufwand der robusten Zweitakter beschränkt sich im Freizeit-Einsatz großteils auf Routinekontrollen und regelmäßige Ölwechsel. Auch die Teilnahme an Wettbewerben schlägt sich in Österreich mit nur wohlfeilen 30 Euro Startgeld zu Buche (www.otsv.at).
Während die Offroad-Möglichkeiten für Hardenduro-Piloten abseits des Renngeschehens weniger und weniger werden, finden Trialfahrer dank des geringen Platzbedarfs, der kaum verursachten Flurschäden und der leisen Fahrzeuge noch leichter Trainingsmöglichkeiten. Oft reichen fünfzig Quadratmeter Parkplatz oder Wiese, die nach individuellen Anforderungen mit Paletten und Pylonen zum Trialgarten umgestaltet werden. Selbst der eigene Garten kann unter Umständen mit wenigen Handgriffen zum Übungsparcours modelliert werden. Den Nachbarn kann eine Stunde tägliches Training herzlich egal sein. In zwanzig Metern Entfernung ist ein modernes, flüsterleises Trial-Motorrad kaum mehr wahrnehmbar. Übrigens ist man mit Trial als Hobby in guter Gesellschaft: In Österreich gibt es eine unauffällige, aber sehr rege Szene. Knapp zwanzig Wettbewerbe werden in entspannter, einsteigerfreundlicher Atmosphäre jedes Jahr ausgetragen. Auch der Handel mit Trial-Motorrädern blüht: Jährlich wandern in unseren Breiten mehrere hundert Trials über den Ladentisch. Es scheint, als könnte Trial sogar zur Trendsportart avancieren. Ganz zu Recht.
Hier gibt's Infos über Trial-Motorräder, Bekleidung und das Reglement.