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Test Benelli 752 SDiven-Alternative
In einem sind die Benellis wirklich unschlagbar, im Preis. Vergleicht man die 752 S und ihr eindeutig optisches Vorbild, die Ducati Monster 797, so liegen zwischen den beiden 2196 Euro; also eine komplette Fahrerausstattung, und zwar eine ordentliche, oder ein Sportauspuff und diverse Carbonteile, oder gleich ein kompletter Motorradurlaub zu zweit. Lohnt es sich also, auf das Prestige, die Marke und vielleicht auch die Qualität des Originals zu verzichten?
Zunächst einmal muss man festhalten, dass die Designer bei der 752 S zwar Anleihen an der Formensprache der Monster genommen haben, was vor allem am Gitterrohrrahmen, dem Schwung der einteiligen Sitzbank und des kurzen Hecks und dem dynamischen Profil abzulesen ist, aber auch eigenständige Elemente einfließen ließen, wie die Doppelrohr-Schwinge, der Nummerschildausleger oder der hochverlegte Auspuff. Der fiel uns nicht nur optisch sofort positiv auf.
Der 754 Kubik große Reihenzweizylinder klingt – no na – auch anders als ein Ducati-V2 und nicht weniger beeindruckend. Der Sound ist sogar härter, ungefilterter und macht sofort Lust, die knapp 77 Pferde loszubinden. Na denn… Die Haltung am mit 810 Millimetern einsteigerfreundlichen Sitz fällt entspannter und aufrechter aus. Begleiterinnen am Sozius werden sich über massive, attraktive Haltegriffe freuen. Nur die schwach gepolsterte Sitzbank ist vor allem bei ausgiebigen Ausfahrten nicht der beste Freund des Hinterns, zudem ist das Fahrwerk eher straff ausgelegt.
Beim Anfahren mussten wir uns erst auf die unsensible Kupplung einstellen, die für ruckartige Starts sorgte. Dieser Mangel an feinfühliger Abstimmung ist auch an der Bremse zu bemerken, die zwar ordentlich verzögert, der es aber etwas an klarem Druckpunkt und homogen-progressivem Kraftaufbau mangelt – obwohl die Komponenten von Brembo stammen.
Nach einer Weile gleicht der Fahrer die Unzulänglichkeiten zum Großteil aus und erfreut sich an einem charakterstarken, beschwingten Fahrerlebnis vor einer beeindruckenden Klangkulisse. Keine Spur mehr von einer Kopie, die Benelli verfolgt spürbar ihren eigenen Weg und will selbst als unverkennbares Original gelten. Besitzerstolz und das Gefühl, etwas Besonderes, Seltenes zu fahren, machen sich breit.
Der sportliche Anspruch des exotischen Naked Bikes endet nicht beim Antrieb, sondern drückt sich auch in einer großzügigen Schräglagenfreiheit aus. Dafür muss man allerdings wieder Abstriche beim Komfort machen, denn der Kniewinkel fällt dementsprechend eng aus. Aber die 752 S ist eindeutig kein Altherren-Fahrzeug und muss diesbezüglich keine Kompromisse eingehen.
Sportlich wie tourentauglich ist die Bereifung mit Pirelli Angel GT 2. Benelli setzt also konsequent auf Markenware, was das Preis-Leistungsverhältnis noch besser macht. Qualitativ gibt es aber helle und dunkle Flecken zu entdecken. In manchen Details hat man sich viel Mühe gegeben, wie beim LED-Scheinwerfer mit illuminiertem Benelli-Logo, einem ebenfalls hinterleuchteten Logo über dem Display, der bereits erwähnten Auspuffanlage oder der fetten, in Zug- und Druckstufe verstellbaren 50-Millimeter-Marzocchi-Gabel.
Auf der anderen Seite stört der überbreite Kühler, ein unschön verklemmter Kühlerschlauch und eine altmodisch wirkende TFT-Display-Oberfläche. Letztere bietet zwar die notwendigsten Infos klar übersichtlich, aber auch eine Eigenheit: Im Nachtmodus werden diese völlig anders dargestellt als bei tags, die Grafik erinnert dann sogar an die Spielematrix aus dem 80er-Klassiker „Tron“.
Eine Kopie muss sich die 752 S sicher nicht schimpfen lassen, denn sie versucht glaubhaft, eine eigene Persönlichkeit darzustellen. Ein Sparmotorrad mit erheblichen Schwächen ist sie ebenfalls nicht, auch wenn an der einen oder anderen Stelle durchaus mehr Sorgfalt in der Feinabstimmung gefragt wäre. Würde man Fahrwerk, Bremse und Kupplung noch den letzten Schliff verpassen, wäre das ein riesiger Schritt nach vorne. Aber auch so ist die 752 S nicht nur eine günstige Alternative, sondern ein stolzes Original mit unverwechselbaren Eigenheiten und einem Fahrerlebnis, das Lust auf mehr von Benelli macht.