
clemens.kopecky@motorrad-magazin.at
Yamaha TMAX Tech MAXFazit vom Dauertest
Ausgerechnet der einzige Scooter im Motorradmagazin-Dauertestfuhrpark musste seine Mission unter erschwerten Bedingungen absolvieren. Von Februar bis November musste er ausnahmslos tagtäglich seinen Dienst antreten. Während normalerweise ein Großteil aller Motorräder bei Schönwetter für malerische Wochenend-Ausfahrten aus der kuscheligen Garage geholt wird, wehte für unseren Roller ein ganz anderer Wind: Knapp zehn Monate lang war der 14.599 Euro teure Yamaha TMAX Tech MAX nicht nur beim Parken an der Bordsteinkante allerlei strapaziösen Umwelteinflüssen ausgesetzt, seine Ruhephasen fielen obendrein vergleichsweise kurz aus. Denn egal ob Luxus- oder Einstiegsklasse, der Zweck eines Rollers ist nun mal vorwiegend die unkomplizierte Bewältigung banaler Alltagswege. Rund drei Viertel aller im TMAX-Testprotokoll notierten Fahrten fallen daher in die Kategorie „Kurzstrecke unter 20 Minuten“ – unterm Strich stehen am Ende dennoch knapp 8000 Kilometer im zentralen LC-Display des Cockpitinstruments. Weil das Scooter-Flaggschiff von Yamaha wegen seiner überdurchschnittlichen Performance aber weit mehr ist als nur ein schnöder „Alltags-Commuter“, finden sich auch zwei Dutzend mehrstündige Touren in unseren Aufzeichnungen, wo der TMAX seine Eignung als adäquater Motorrad-Ersatz unter Beweis stellen konnte.
Beginnen wir unser Resümee mit jener herausragenden Qualität des TMAX, die uns wohl ewig in Erinnerung bleiben wird: dem grandiosen Wetterschutz. Egal ob Nieselregen oder Temperaturen rund um den Nullpunkt, auf dem Edel-Scooter fühlt man sich wie in einem „Cabrio auf zwei Rädern“. Voll ausgefahren neutralisiert das gigantische, um 135 Millimeter elektrisch justierbare Windschild jedes Fahrtwind-Lüftchen quasi hundertprozentig und bietet auch bei leichtem Niederschlag passablen Schutz. Gemeinsam mit der dreistufigen Sitzheizung im Piloten-Sattel und der auf Wunsch bis knapp an die Schmerzgrenze gewärmten Heizgriffe lassen sich selbst frostige Etappen auf der Autobahn wohltemperiert und ohne Zähneklappern überstehen. Mit abgesenkter Plexiglas-Scheibe mangelt es an heißen Hochsommertagen dennoch nicht an kühlender Ventilation.
Auch sonst besticht der TMAX mit maximalem Komfort, sogar für die Sozia. Zwar verirren sich zur Beifahrerin in voller Fahrt gelegentlich ein paar aerodynamische Verwirbelungen, eine Hintern-Heizung sucht man in der zweiten Reihe ebenfalls vergeblich. Dennoch offeriert der breite, softe Sozius-Sitz mit gemütlichem Kniewinkel allerhöchste Bequemlichkeit. Selbst die ohnehin schon sehr kommoden Touren-Sättel von Honda Africa Twin oder Kawasaki Ninja 1000SX aus dem Dauertest-Fuhrpark wurden von unseren Test-Sozias gern links liegen gelassen, wenn Yamahas Luxusroller als Alternative parat stand.
Für den Piloten bringt höchstens die knallharte Kunststoff-Konsole zwischen den Oberschenkeln, auf der die Entriegelungstasten für Tankdeckel und Sitzbank positioniert sind, geringfügige Ergonomie-Nachteile. Sie ist mit 30 Zentimetern ähnlich lang wie der eigentliche Fahrersitz und macht es besonders kleinen Piloten schwer an der Ampel sicheren Stand zu finden. Denn das sonst bei Rollern hilfreiche „nach vorne rutschen“ ist wegen der beinharten Plastik-Fläche am vorderen Ende der Sitzbank allzu schmerzhaft. Obendrein sammelt sich nach Regen ausgerechnet hier Wasser, das dann bei Hosen-Berührung für einen durchnässten Schritt sorgt – und beim anschließenden Business-Meeting garantiert für irritierte Blicke. Um solche Peinlichkeiten auszuschließen, wünschen wir uns einen konventionellen Sattel in voll nutzbarer Länge und sämtliche Bedienknöpfe an eine zentrale Stelle im Cockpit.
Bei dieser Gelegenheit darf Yamaha auch das unausgegorene Keyless-Go-System überdenken, bei dem für den simplen Zugriff auf das Sitzbank-Staufach die Betätigung von bis zu drei verschiedenen Knöpfen notwendig ist (Startknopf an der Lenkerarmatur zum Aktivieren der Zündung, dann Fach-Entriegelung direkt an der Sitzbank; Nach dem Zuklappen Deaktivierung der Zündung und Einlegen der Lenkersperre über separate Taste in der Lenkermitte). Und weil wir nun schon bei den Verbesserungsvorschlägen angekommen sind: Statt der 95 Zentimeter breiten, an der Verkleidung montierten Rückspiegel erbitten wir für die nächste TMAX-Generation die am Lenker montierten Rückspiegel des XMAX 300. Sie würden die Fahrzeugbreite um satte sieben Zentimeter reduzieren und damit das Durchkommen zwischen Pkw-Kolonnen massiv erleichtern.
Dass der Stauraum des TMAX höchstens für einen Integral- oder zwei Jethelme reicht, scheint weniger einfach zu optimieren: Im Unterschied beispielsweise zum kompakten Einzylinder der XMAX-Modelle benötigt der potente Paralleltwin des Roller-Flaggschiffs eben deutlich mehr Platz unter der Haube. Mit der Schale nach unten passt ein Vollvisierhelm zwar mühelos unter den Sitz, das Restvolumen genügt fürs Verstauen von Textiljacke und Handschuhen. Die Unterbringung zweier (kompakter) Jethelme ist jedoch kniffelig und verlangt nach ausgeklügelter Tetris-Schlichttechnik, damit die Verriegelung des beleuchteten Staufachs einrastet. Eine Gepäckbrücke samt voluminösem Topcase ist für den urbanen Lastentransport daher äußerst praktisch, der sonst so sportlich-schnittigen Linie des TMAX aber kaum zuträglich.
Realistisch betrachtet steht der schnöde Personen- und Gütertransport jedoch nicht ganz oben auf der TMAX-Prioritätenliste. Mit 48 PS aus 562 Kubik Hubraum bezirzt der Yamaha-Scooter potenzielle Käufer eher mit seinen athletischen Qualitäten. Tatsächlich kann der sprintstarke Sport-Roller dank souveräner Bremsanlage und satter Straßenlage auf kurvenreichen Strecken mit bis zu doppelt so starken Motorrädern mithalten – wie zahlreiche Zufallsbegegnungen zwischen Bundeshauptstadt und legendärem Ochssattel trotz teils heftiger Gegenwehr frustriert feststellen mussten. Zur Mäßigung beim Kurven-Halali mahnt den TMAX-Reiter nämlich erst das späte, metallische Schraddeln des Hauptständers am Asphalt, das wir unserem Testfahrzeug mittels konsequentem Nachfeilens sukzessive abgewöhnen konnten.
Für die ambitionierte Kurvenhatz mit kraftvollen Zwischensprints leistet der sportliche S-Modus dank spritziger, verzögerungsfreier Kraftentfaltung gute Dienste. Die Lastwechsel fallen dank des Zahnriemenantriebs trotzdem recht moderat aus. Im T-Mapping geht der vibrationsarme Zweizylinder des TMAX dennoch deutlich sanfter und seidiger ans Gas – ideal bei voller Besatzung oder zum entspannten Dahingleiten. Apropos: der serienmäßige Tempomat leistet besonders auf der Autobahn gute Dienste, hier hält der TMAX selbst Reisetempo 150 völlig mühelos. Im Verlauf unseres Dauertests hat sich der Durchschnittsverbrauch übrigens bei vertretbaren 4,5 Litern eingependelt – selbst im Zwei-Personen-Betrieb. Immerhin 0,3 Liter sparsamer als die Yamaha-Werksangabe zu Saisonbeginn befürchten ließ. Unterm Strich wird der elitäre TMAX also in nahezu allen Belangen den hohen Erwartungen gerecht. Der Edel-Scooter schafft souverän den Spagat zwischen beeindruckender Fahrdynamik und praktischer Alltagstauglichkeit, erwartungsgemäß bringt er die Saison schlussendlich völlig defektfrei über die Bühne. Trotz des unwirtlichen Abstellplatzes im Freien auf der Gasse sucht man selbst Gebrauchsspuren vergeblich – von ein paar selbst verschuldeten Kratzern im Durchstieg mal abgesehen. Ziemlich genau zwanzig Jahre nach seiner Markteinführung ist Yamahas Maxi-Scooter-Pionier schlussendlich fast zur Perfektion gereift. Happy Birthday, TMAX!