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KTM startet Elektro-OffensiveKickscooter, Roller, Motorrad – in Kürze geht’s los!
Paukenschlag bei KTM: Boss Stefan Pierer präsentierte in der KTM Motohall mitten in Mattighofen seine Pläne in Bezug auf zukünftige Elektromobilität. Es sind große Pläne, das können wir vorwegnehmen, und sie sind breit gestreut, reichen vom E-Fahrrad über Kickscooter bis hin zu Rollern und Motorrädern.
Aber beginnen wir der Reihe nach. KTM ist ja beileibe kein unerfahrener Player im Bereich der E-Mobility. 2014 hatte man schon die KTM Freeride-E gezeigt und wurde damit zu einem Vorreiter in diesem Segment. Dass die schlanke E-Enduro kein Verkaufgsschlager wurde (bis heute ca. 4500 gebaute Exemplare) mag einen kleinen Dämpfer gegeben haben, von dem sich KTM aber rasch erholt hat. Man habe auch daraus gelernt, erklärt Stefan Pierer, etwa dass Hochvolttechnologie zu teuer sei und man als Unternehmen nichts oder zu wenig daran verdiene.
In Zukunft wird sich KTM also auf die kleineren Segmente konzentrieren und all das elektrifizieren, was sich mit Niedervoltetechnologie (48 Volt) darstellen lässt. Und das ist immerhin auch eine ganze Menge.
Bereits 2018 hat KTM seine Minibike-Range elektrifiziert (sehr erfolgreich!), im vergangenen Jahr folgten die „Electric Kids Bikes“, von denen man heuer schon 20.000 Stück verkaufen will. Parallel dazu rollte man die Palette an elektrischen Fahrrädern aus, mittlerweile unter den Marken R Raymon, Husqvarna und jüngst auch GasGas. Mit der spanischen Marke will man zukünftig den Premium-E-Mountainbikemarkt bespielen.
Von den Fahrrädern erwartet sich Stefan Pierer besonders hohe Zuwachszahlen. Aus dem Stand habe man im vergangenen Jahr rund 68.000 Stück verkauft, bis 2025 sollen es weltweit 330.000 Einheiten sein. Das würde eine halbe Milliarde Euro an zusätzlichen Umsatz in die Konzernkassen bringen.
Als Bindeglied zu den Rollern folgt 2022 ein weiteres neues Produkt: ein Stand-up-Scooter, wie er in Wien an jeder Straßenecke mittlerweile zu Dutzenden steht (oder meistens liegt). Der Husqvarna BLTZ soll aber ein Premiumprodukt in diesem Bereich werden, der vor allem mit weitaus höherer Fahrsicherheit punkten will: besserer Gewichtsverteilung, besseren Bremsen, höherer Fahrstabilität. Auf klassenübliche 25 km/h limitiert wird der Husqvarna BLTZ rund 40 Kilometer Reichweite bieten.
Ebenfalls 2022 – und damit ordentlich verspätet – soll der erste Roller des Hauses in der KTM-Neuzeit folgen. Es wird der Husqvarna Vektorr sein, der in der Mopedkategorie (45 km/h) angesiedelt ist. Dieses Produkt entstammt der Kooperation mit KTM-Anteilseigner Bajaj, die Plattform wird also auch für indische Modelle verwendet und in Indien gebaut.
Der schlichte, aber hübsche Roller soll ein ordentliches Helmstaufach, einen Smartkey, App-Connectivity und einen Rückwärtsgang bieten. Mit 4 kW (5,4 PS) sollen im Rahmen des Erlaubten muntere Fahrleistungen möglich sein, die Reichweite rund 60 Kilometer betragen.
Überraschende Entscheidung: Die Akkus sind fix verbaut, lassen sich also nur im Roller laden. Das soll in zwei Stunden erledigt sein. Der Boost von 40 auf 80% Ladevolumen soll in gut 30 Minuten machbar sein. Die Gründe für den Verzicht auf herausnehmbare Akkus: Solche Systeme würden die Konstruktion komplexer und damit teurer machen. Außerdem will man durch Studien herausgefunden haben, dass die Möglichkeit zum Herausnehmen in der Praxis nicht oder kaum genutzt würde, weil die Akkus zu schwer, das Handling zu mühsam sei.
Diese Strategie wird auch bei den Produkten im 125er-Segment eingehalten werden. Auch dort ist einiges zu erwarten. Gezeigt wurde die Husqvarna E-Pilen als erstes Motorrad. Mit den gleichen Antriebskomponenten wird es auch Roller geben, die ersten 125er-Produkte werden aber erst 2023 auf den Markt kommen.
Der Grund für den späteren Einsatz: Die 125er werden als Premiumprodukte in Europa entwickelt und zum Teil auch produziert. Die Hochleistungs-Batteriezellen dafür werden von Varta entwickelt und zugeliefert, den E-Motor konstruiert man bei KTM selbst; er wird auch in Österreich gefertigt werden.
Die Husqvarna E-Pilen wird mit diesen Komponenten auf 10 kW Leistung kommen (14 PS), das maximale Drehmoment wird saftige 42 Newtonmeter betragen. Damit sollte man herkömmlichen Verbrennern in dieser Klasse die lange Nase drehen können. Ein Akkupack mit rund 5 kWh Speichervolumen sollte je nach Fahrweise für 65 bis 100 Kilometer gut sein.
Warum nun diese Elektro-Offensive? Weil KTM-Boss Pierer ein enormes Potenzial in diesem Segment ortet. Er geht davon aus, dass spätestens in zehn Jahren mehr als die Hälfte aller neu verkauften Mopeds und A1-/125er-Fahrzeuge elektrisch angetrieben werden. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr lag die E-Quote bei Mopeds in Österreich bei rund 13 Prozent, bei 125ern bei rund sieben Prozent. Insgesamt betrug der Anteil an elektrisch angetrieben „powered two wheelers“ 5,8 Prozent am Gesamtmarkt.
Letzte spannende Frage: Was passiert mit den großen Motorrädern und Rollern? Hier sei sich laut Stefan Pierer die Industrie einig, dass eine Elektrifizierung mit schweren, großen, teuren Batterien nicht sinnvoll sei. Stattdessen liege die Zukunft für größere Motorräder und Roller über 125 Kubik in E-Fuels, also synthetischen Kraftsstoffen. Vorreiter werde hier auch die MotoGP sein: Dort werde man ab 2023 schrittweise bereits auf E-Fuels als Energielieferant umstellen.
Und noch eine Empfehlung: Wer die neuen Modelle live erleben will, kann ab sofort eine Sonderschau zum Thema Elektromobilität in der KTM Motohall/Mattighofen besuchen. Sie findet parallel zum aktuellen Sonderthema „MotoGP“ statt.