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Dakar 2018Matthias Walkner im Exklusivinterview
Warst du in die Entwicklung sehr stark eingebunden?
Sehr stark und von meinen Werksfahrer-Kollegen sicher am meisten, da ich ja nur 60 Kilometer von Mattighofen entfernt wohne und außerdem seit 2004 sowieso Testfahrer bei KTM bin. Deswegen ist ziemlich viel so gemacht worden, wie ich denke, dass es am gescheitesten ist. Ich war auch bei Kiska beim Clay-Check (Anm.: Modellieren des Modells aus Ton), wo ich großen Einfluss darauf hatte, wie die Sitzbanklinie verläuft, die Tanks angeordnet sind, wo man bei einer Linie ein bissl wegnimmt und andererseits etwas dazu gibt.
Kann man also sagen, dass das Motorrad für dich maßgeschneidert ist?
Man muss schon immer wieder Kompromisse eingehen, es sind ja auch über 30 Liter Tankvolumen unterzubringen ... aber zu 70, 80 Prozent haben wir’s schon so gemacht, wie wir Fahrer es haben wollten. Ich will da nicht nur von mir reden, die anderen haben ja auch drüberg’schaut, und im Endeffekt will eh jeder das gleiche: ein leicht zu fahrendes Motorrad.
Wir haben es in Mailand bewundert, es wirkt extrem zierlich. Täuscht der Eindruck oder ist es tatsächlich um so vieles kleiner?
Das Motorrad ist schon viel zierlicher geworden. Das liegt daran, dass man das Motorrad so bauen muss, wie es die Dakar-Route verlangt. Und die wird immer technischer, weil der Veranstalter versucht, die Durchschnittsgeschwindigkeit zu verringern. Es gelingt ihnen eh nicht wirklich, weil sie die Gesamtdistanz von 9000 Kilometer beibehalten wollen – wenn du da unter 100, 110 km/h Schnitt kommst, dann werden die Tage zu lang. Wie auch immer, wichtig ist war es, das Motorrad leichter zu machen. Je mehr Masse du hast, desto schwerer ist es zu bewegen und desto gefährlicher wird’s. Aber wir wollten nicht nur leichter werden, sondern die Massen zentralisieren. Alles was du mehr in der Mitte und weiter unten hast, das spürst du um 30, 40 Prozent weniger.
Was ist fahrerisch der größte Unterschied?
Die neue 450 Rallye fühlt sich leichter, agiler, spritziger an. Der Motor hat deutlich mehr Durchzug. Im Highspeed-Bereich sind die Unterscheide gar nicht so markant, aber umso schwieriger und technischer es wird, umso besser wird unser Motorrad. Ein Riesenfortschritt liegt aber darin, dass der Hecktank deutlich kleiner geworden ist und zentraler positioniert wurde. Früher war’s so, dass du mit vollen Tank weggefahren bist und am Ende mit leeren Tanks ein komplett anderes Motorrad hattest, das dreimal schlechter zu fahren war. Jetzt ist die Veränderung zwischen vollem und leerem Tank weitaus geringer – fast gleichbleibend. Ein ganz wichtiger Schritt auch für die Sicherheit!
Eine komplette Neuentwicklung für eine 9000-km-Rallye – da bekommt auch das Thema Verlässlichkeit Gewicht ...?
Das Know-how und die Erfahrung der KTM-Rallyecrew ist enorm, da wird nichts dem Zufall überlassen. Wir haben außerdem unendlich viele Testkilometer in den Schotts von Marokko gemacht, wo sich der tiefste Sand befindet, den man sich vorstellen kann. Da fährt das Motorrad im vierten Gang vollgas nur mehr 100, 110 km/h und man denkt sich: Wenn’s da nicht kaputt wird, dann nie. Natürlich ist man vor kleinen technischen Malheurs nie zu hundert Prozent gefeit, aber die Perfektion und gute Vorbereitung zeichnen unser Rallyeteam aus, ich habe keine Bedenken.
Nach dem Sieg zuletzt in Marokko – gratuliere übrigens! – musst du ja gut drauf sein. Wie schaffst du es, die Euphorie bis Jänner zu konservieren?
Danke, aber schwer wär’s nur, wenn ich Zehnter geworden wäre. So ist das Gefühl cool, weil’s der erste Sieg mit dem neuen Motorrad war, weil der Sieg schlussendlich ziemlich überlegen war und weil es auch meine erste Wüstenrallye war, die ich gewinnen konnte. Dieses gute Gefühl nimmst du in die Vorbereitung mit. Ich hab auch mein Training ein wenig umgestellt und markiere auch mein Roadbook ein bissl anders – zum vielleicht zehnten Mal (lacht). Aber es kommt mir vor, dass ich immer näher zu dem hinkomme, was ich brauche, was ich suche.
Du bist mit Ergebnissen aus Marokko und vom letzten Jahr Mitfavorit bei der Dakar. Wie schätzt du Konkurrenz ein? Fahren die üblichen Verdächtigen um den Sieg mit oder gibt’s einen Geheimtipp?
Es sind schon die üblichen Verdächtigen. Eine Dakar ist nicht wie eine WM oder Olympische Spiele, wo du sagst, am Tag X hat für mich alles zusammengespielt – immerhin musst du über 13 Renntage deine Leistung bringen. Für Etappensiege mag ein Außenseiter gut sein, aber dass du aufs Podium kommst, das wird für weniger arrivierte Fahrer schwer. Da gibt’s einen Sunderland, einen Quintanilla, die ganze Honda-Truppe ist stark aufgestellt und hat sich zuletzt super präsentiert, auch das Yamaha-Werksteam scheint investiert zu haben – da summieren sich 12, 13 Fahrer, die fürs Podium in Frage kommen und darunter sieben bis acht, die gewinnen können. Ich glaub schon, dass ich mich zu jenen zählen kann, die auch die Dakar gewinnen können. Aber man hat’s in Marokko gesehen: Einmal in einem Bachbett um einen Meter zu weit links oder rechts und man sauft komplett ab. Das Glück des Tüchtigen gehört bei der Dakar sicher auch dazu.
Wie sieht’s mit deinem Teamkollegen Toby Price aus? Der Sieger von 2016 hätte ja nach der langwierigen Verletzung in Marokko starten sollen, woraus dann doch nichts geworden ist ...
Toby wurde jetzt noch einmal operiert, der Nagel entfernt, weil er etwas zu lang war und ein neuer implantiert. Jetzt scheint’s aber gut voranzugehen, ich bin mir sehr sicher, dass er bei der Dakar am Start sein wird. Er hat sicher das Tempo, um mit der Spitze mitzufahren, aber wie’s mit der Navigation und der körperlichen Fitness ausschaut, ist momentan noch ein kleines Fragezeichen. Doch wenn ich’s überhaupt jemandem zutraue, dass er das ganze Jahr über außer Gefecht ist und sich dann mit einem Podium zurückmeldet, dann Toby Price. Er ist bei seiner ersten Dakar auch gleich Dritter geworden und hat vorher überhaupt nur eine Rallye bestritten. Ihn darf man nie abschreiben.
Es bleiben noch gut fünf Wochen bis zum Start. Wie sieht dein Zeitplan für den Countdown aus?
Ich bin jetzt fast jeden Tag in Thalgau, wo Red Bull ein Diagnostikzentrum betreibt. Da bereite ich mich den halben Tag vor, die restliche Zeit versuche ich daheim noch Motocross zu fahren. Im Dezember sind wir eine Woche in Marokko, wo ein Abschlusstraining gefahren wird. Wieder zu Hause verbinge ich eine weitere Woche am Kitzsteinhorn, wo mein Höhentrainingslager weitergeht. Rund um Weihnachten werd’ ich vielleicht noch ein bissl Motorradfahren, je nachdem, wie das Wetter zu Hause ausschaut – oder gemütlich ein paar Skitouren gehen. Ab dem Zeitpunkt kannst nicht mehr viel gewinnen. Und dann geht’s am ersten Jänner eh schon los. Viele freie Tage gibt’s nimmer, aber das passt schon so (lacht).
Alles Gute Hiasi! Wir halten die Daumen!
PS: Wer Matthias Walkner als Autofahrer kennenlernen will, der findet eine aktuelle Story bei unseren Kollegen von Motorprofis.at!