Alle Fotos: Fotowerkstatt Johannes Seidl
Der Harley-Davidson Custom-Wettbewerb „Battle of the Kings“ geht heuer zum dritten Mal über die Bühne. Erneut waren alle Vertragshändler europaweit (und sogar ein bissl darüber hinaus) aufgerufen, ihre Künste und Kreativität im Umbau unter Beweis zu stellen. Die wenigen Regeln: Als Ausgangspunkt musste man eine Sportster, eine Forty-Eight oder die neue Roadster wählen. Das Umbaubudget durfte nicht mehr als 6000 Euro betragen, mindestens 50 Prozent der verwendeten Umbauteile mussten dem rund 900-seitigen Harley-Katalog entstammen. Und letztlich sollte das Ergebnis straßenzulassungsfähig sein, wobei man da schon ein Augerl zudrückt, es also nicht ganz päpstlich nimmt.
Mittlerweile ist der „Battle of the Kings“ Europas größter Händler-Customizing-Contest, an dem heuer 220 Dealer aus 21 Ländern teilnehmen. In Österreich traten diesmal sechs der neun Händler in den Wettbewerb ein. In dessen erster Stufe wurden im Zuge eines Internet-Votings drei Finalisten erkoren. Aus diesen drei Motorrädern musste wiederum Anfang März eine Expertenjury (Motorradmagazin-Kolumnist Zonko, Andreas Werth vom Reitwagen und ich als Chefredakteur des Motorradmagazins) vor den Augen von Harley-Boss Dr. Christian Arnezeder einen Österreich-Sieger ermitteln. Dieser nationale Gewinner darf Mitte November sein Bike auf der EICMA in Mailand ausstellen, wo aus den Landessiegern schließlich ein europäischer Custom-King gekürt wird.
Keine leichte Aufgabe für die Juroren, schließlich machten alle drei Bikes auf den ersten Blick eine gute Figur – und ließen sich eigentlich nicht vergleichen, da sie alle in einem anderen Segment angesiedelt waren: H-D Salzburg baute eine kompakte Tourenmaschine, H-D Graz einen bunten Dirt Tracker, H-D Linz wiederum ein machomäßig cooles Dragster-Sportbike. Als kleine Hilfe gab es einen Bewertungsbogen mit einem knappen Dutzend an Kategorien, in denen die Bikes Punkte sammeln konnten: vom Finish über die Lackierung, die Harmonie, die Kreativität bis hin zum Einhalten der finanziellen Umbaugrenze. Trotzdem schwierig, also nahmen wir die Bikes ganz genau unter die Lupe:
Das Bike der Linzer Crew hat eine Harley Roadster zur Basis. Die auffälligen Felgen sollten ursprünglich getauscht werden, blieben aber nach der Lackierung doch montiert – sie sehen in dem Neongrün ohnehin geil aus. Getauscht wurde der Tank, der nun flacher und breiter ist, damit die Silhouette sportlich geduckt daherkommt. Der Sitz ist eine Eigenkonstruktion und selbst bezogen, dazu gibt’s bessere Federbeine aus dem Original-Zubehör, einen Vance&Hines-Auspuff, einen Original-Harley-Bugspoiler, einen Luftfilter von Performance Machine und nach vorne versetzte Fußraster. Besonders edel ist der verschlankte Tacho, dessen integrierte Warnleuchten entfernt und seitlich am Lenker befestigt wurden; letzterer ist ein schwarzer Stummellenker, der wie die Blinker und der seitliche Kennzeichenhalter von Wunderkind stammt. Viel Aufwand betrieb das Team schließlich auch, um den Motor dunkel zu bekommen. „Der silberne Block hat uns an dem Motorrad immer gestört“, erzählt Michael Rauch vom Linzer Werkstattteam. Also wurde der V2 entnommen und schwarz pulverbeschichtet. Viel Mühe, die sich aber ausgezahlt hat, das Bike wirkt wie aus einem Guss. Ebenfalls tadellos: die versteckten Kabelführungen und das Finish im Detail.
Die Grazer setzten ebenfalls auf eine Roadster, die für den sportlichen Umbau viele Vorteile hat: eine Upside-down-Gabel und eine vernünftige Bremserei mit doppelten Scheiben vorne sind hier ja schon serienmäßig. Ärgste Hacke hier war der Umbau auf einen Kettenantrieb, der aber die Authentizität als Dirt Bike erhöhen soll. „Mit dem Ding kannst auch am Strand fahren, ohne dass der Sand den Riemenantrieb verpickt“, sind die Clocktower-Burschen stolz. Dabei helfen auch die Speichenfelgen (vorne ein 19-Zöller von der Street Bob, hinten ein Rad der alten Forty-Eight) mit grobstolliger Ware. Viele weitere Dinge hier sind simple Motocross-Massenware, etwa beide Kotflügel; andere Teile wie die Gitter-Gabelschützer oder der Motorschutz sind handgefertigt. Die teuersten Teile sind die seitlichen Motordeckel aus dem Harley-Originalzubehör, dazu kommen noch progressive Federbeine am Heck, ein K&N-Luftfilter, ein offroad-affiner Harley-Hollywood-Lenker, ein halbhoger Vance&Hines-Schalldämpfer und rote Bremssättel aus dem Zubehör. Geil ist auch das auf die Seite (in Höhe der Zylinderköpfe) verlegte Instrument, das dort mithilfe einer Joker-Halterung befestigt wurde.
Einen völlig anderen Weg beschritt das junge Salzburger Dealership. Dort baute man eine Sporty auf ein Tourenmotorrad mit femininen Anklängen um. „Jeder macht heute entweder Café Racer oder Scrambler“, meint Chef Christian Radauer. „Wir wollten einmal etwas Anderes zeigen.“ Das absolute Highlight hier ist die Lackierung mit nicht weniger als 12 Klarlack-Schichten über den silbernen Flakes. Die Vorgabe war ein Seventies-Look, der Lackierer hat dafür als Vorlage einen alten Stoff genommen, der ursprünglich für Vorhänge verwendet wurde: Gratulation für die geile Idee! Zweiter Gag sind die großen Seitenkoffer der Touring-Palette, die penibel angepasst wurden. Um die vergleichsweise größen Trümmer smart zu integrieren, arbeiteten die Burschen lange am Heck und bauten hier auch eine spezielle Lösung mit integrierten LED-Leuchten – fein gelungen! Mit einem weißen Einzelsattel aus dem Zubehör für die Forty-Eight, einem leicht höher gesetzten Tank, Endtöpfen und Luftfilter von Screamin’ Eagle, einer Lampenmaske und einem handgefertigten vorderen Kotflügel wurde das Bild stimmig gemacht. Der neue Lenker ist übrigens der einzige „Fremd“-Teil. Cooles Custombike – und kein Wunder, dass es bereits verkauft ist.
Und wer konnte schließlich gewinnen? Vorhang auf, Bühne frei – und Platz für das Team von Harley-Davidson Linz mit Michael Rauch und Daniel Höflinger als kreative Masterminds und Matthias Lang als stolzen Geschäftsführer. Sie übernahmen die Trophäe aus den Händen des anwesenden Harley-Managements, allen voran Dr. Christian Arnezeder, der dafür eigens aus Deutschland angereist war. Von Seiten Harley-Österreichs durften natürlich Günther Eder und Bernhard Hübner nicht fehlen. Die schwarze Mamba wird Österreich also auf der kommenden EICMA vertreten und um das europäische Championat rittern. Wir halten die Daumen und berichten!