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DUCATI SUPERSPORTSportsgeist
Um diese Leistung richtig einzuordnen, erinnern wir uns an die allererste Ducati 916. Im Jahr 1994 am Markt erschienen, lieferte sie 112 PS und 78 Nm, ist also gut vergleichbar mit der 23 Jahre später gebauten Supersport. Was damals das absolute Spitzenmodell war und von der Rangordnung heute mit der 1299 Panigale verglichen werden muss, entspricht jetzt der entspannten Mittelklasse für sportlich orientierte Fahrer, die sich in vernünftiger Zurückhaltung üben. So ändern sich die Zeiten.
Trotz der drakonischen Lärmregularien bollern die hübschen Doppelendtöpfe vor allem in der unteren Drehzahlhälfte erstaunlich lautstark dahin. Ducati schafft es immer irgendwie, den akustischen Charakter ihrer Bikes besser durch die Homologation zu bringen als die meisten Mitbewerber. Jedenfalls gibt es keinen Sound-spezifischen Grund, die optionalen Akrapos zu montieren. Auf der Rennstrecke erntet man damit ein paar Prozent mehr Leistung und 9 Prozent mehr Drehmoment. Nunja...
Das Sachs-Federbein ist ebenso wie die 41-mm-USD-Gabel von Marzocchi voll justierbar und auf der Hausstrecke kommt in keinem Moment das Bedürfnis auf, das hochwertigere Öhlins-Material der exklusiven S-Version unter dem Sattel zu haben. Auf der Rennstrecke kann die 48er-Gabel der S ihr Plus an Stabilität und Präzision natürlich ausspielen, es stellt sich aber die Frage, ob man nicht gleich ein bisschen tiefer in die Börse greift und gleich eine 959 Panigale ordert, wenn man mit dieser Hubraumklasse ernsthaft auf den Track will. Denn für einen gelegentlichen Besuch am Pannoniaring ist die Standardversion absolut ausreichend ausgestattet.
Die S erfreut mit einem wirklich flotten Quickshifter, mit dem man auch runterschalten darf, so lange dabei der Gasgriff geschlossen und die Drehzahl unter 9000 bleibt. Beide Modelle kommen mit einer außergewöhnlich leichtgängigen Seilzugkupplung, was ein angenehmes Plus im Nahverkehr ist, der von den Italienern explizit als mögliches Einsatzgebiet genannt wurde. Das geht absolut in Ordnung, weil die Sitzposition und Lenkerhöhe überaus ergonomisch ausgelegt sind und wir auch nach 150 Kilometern Bergstraßenglühen keinerlei Müdigkeit oder gar schmerzende Handgelenke bemerkt haben.
Ohne Ride by wire geht es heute nicht mehr, also kommt auch die neue Supersport mit drei Fahrmodi, bei denen nicht nur die Motorcharakteristik, sondern auch ABS und TC passend eingestellt werden. Letztere sind aber unabhängig davon auch individuell anpassbar. Die 3 Fahrmodi gehören bei einem aktuellen Motorrad halt irgendwie dazu, machen an der Supersport aber keinen Sinn. Startet man mit der Einstellung "Urban", fühlt sich die Ducati an, als würde man mit Bleigewichten an den Füßen joggen. "Touring" ist runder abgestimmt, aber der Testastretta-Motor fühlt sich einfach nur im "Sport"-Modus wohl. Nichts anderes erwarten wir von einer Ducati, die einen Supersport-Schriftzug trägt.
Beide Modelle sind mit Pirelli Diablo Rosso III ausgestattet, was zweifellos zur bestmöglichen Wahl für diese Motorradklasse zählt. Wir konnten uns davon überzeugen, dass auch bei Nässe erstaunlicher Grip vorhanden ist und man schon ordentlich einheizen muss, um das Lämpchen der Traktionskontrolle blinken zu sehen. Die Dämpfungselemente arbeiten dabei wunderbar neutral und präzise mit den Reifen zusammen, der oft bemühte Begriff von der organischen Einheit ist da keineswegs übertrieben. Trotz absoluter Stabilität sind Kurskorrekturen in Schräglage sehr einfach, was angesichts der 180er Bereifung und des gar nicht so geringen Gewichts von 210 Kilo vollgetankt überrascht. Obwohl die Supersport ideale Maße für einen Hangon-Stil hat, lässt sie sich über dezentem Druck am Lenker sauber in Schräglage bringen.
Die neue Ducati Supersport ist nicht nur ein wunderschönes Stück italienisches Design, sondern vor allem ein ausgereiftes, einfach zu fahrendes Motorrad, das auf kurvenreichen Strecken sehr viel Freude bereitet und beweist, dass es nicht immer 200 PS sein müssen und eine verstellbare Scheibe auch auf einem Supersportler sinnvoll ist. Ob man bereit ist, dafür 15.395 bzw. 16.995 Euro (S-Modell) auf den Tisch zu legen, klärt man am besten bei einer Probefahrt im Frühjahr.