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Honda Africa Twin 2020Mehr Power, Kurven-ABS, TFT-Touchscreen ...
Die Mailänder Messe ist noch weit entfernt (ab 5. November), da zeigt Honda bereits eines seiner wichtigsten Motorräder in neuer Form: die Africa Twin des Modelljahrs 2020. Doch nur von einem Facelift zu sprechen, wäre in diesem Fall völlig falsch – nach vier Jahren am Markt und rund 87.000 verkauften Exemplaren hat Honda nicht nur das Design aufgefrischt, sondern quasi das gesamte Bike umgekrempelt: Motor, Rahmen, Fahrwerk, Elektronik, überall sind spannende Neuheiten zu vermelden. Und obendrein haben die Japaner auch die Aufgaben in der Modellfamilie neu verteilt. 2018 kam ja die Africa Twin Adventure Sports ins Programm, damals mit ellenlangen Federwegen als Offroad-Variante tituliert. Rückblickend lässt sich wohl feststellen, dass die Idee, einer größeren, schwereren, luxuriöseren Variante das Thema Offroad zuzuweisen, nicht gerade schlüssig war. Nun soll’s umgekehrt sein: die „normale“ Africa Twin wurde im Auftritt zierlicher und soll nun einen klaren Offroad-Fokus aufweisen, während die in den Federwegen und der Sitzhöhe massiv reduzierte Adventure Sports ihren Schwerpunkt klar aufs Reisen legt.
Bevor wir zu den einzelnen Modellen kommen fassen wir kurz die Neuerungen zusammen, die für beide Versionen gelten:
Der Motor bleibt in Grundzügen erhalten, der Hub des Zweizylinders wird aber von 75,1 auf 81,5 Millimeter vergrößert. Damit wächst der Hubraum von 998 auf 1084 Kubikzentimeter. Die neue Africa Twin gilt somit als 1100er. Der Motor ist bereits nach Euro 5 homologiert und bietet um 5 kW mehr Leistung als bisher: 75 kW entsprechen 102 PS. Auch das Drehmoment stieg, von 98 auf 105 Newtonmeter. Gemeinsam mit einem um fünf Kilo gesunkenen Gewicht sollte dieses Plus in der Performance stark spürbar sein. Damit ist es mit den Veränderungen am Motor freilich noch nicht getan: Er besitzt nun Zylinderlaufbuchsen aus Alu, einen deutlich vergrößerten Ventilhub und überhaupt einen völlig neuen Zylinderkopf. Auch das Abgassystem wurde überarbeitet und bekam unter anderem ein Ventil im Endschalldämpfer. Letztlich wurde auch das Getriebe optimiert.
Die wohl noch größeren Veränderungen gibt es bei der Elektronik zu vermelden: Honda verbaut nun endlich auch eine 6-Achsen-Sensorbox (IMU), die die Einführung eines Kurven-ABS (mit Offroad-Modus) und einer schräglagenabhängigen Traktionskontrolle (weiterhin 7-stufig und abschaltbar) ermöglicht. Zudem kommen die neuen Africa Twins auch mit einer Wheelie Control (3-stufig, ebenfalls deaktivierbar) und einer Rear Lift Control, also einem System, das ein Abheben des Hinterrads beim starken Bremsen verhindert. Außerdem wird dank IMU ein LED-Kurvenlicht serienmäßig eingebaut (3-stufig, je nach Schräglage) und die DCT-Versionen erhalten eine Kurvenerkennungsfunktion. Die Fahrmodi wachsen auf vier Stück an (Tour, Urban, Gravel, Offroad), zusätzlich lassen sich noch zwei konfigurierbare User-Modi programmieren. Und endlich, endlich, endlich: Es gibt einen Tempomaten! Sogar serienmäßig, bei beiden Versionen.
Sichtbar und vor allem bedienbar wird dieses neue Paket mittels eines 6,5 Zoll großen, farbigen TFT-Touchscreens, der zukünftig das Cockpit der Africa Twins dominiert. Jawohl, Touchscreen! Damit sollte die Knopferl-Spielerei an den Lenkerenden zur Konfiguration des Systems wegfallen. Das neue MID genannte Display kann aber serienmäßig noch mehr: Es verfügt über eine Bluetooth-Schnittstelle und sogar Apple CarPlay. Letzteres verlangt wie bei Autos eine Kabel-Anbindung des iPhone, eine USB-Steckdose neben dem Display ist daher Standard.
Rahmen und Fahrwerke wurden ebenfalls nicht verschont. Der Doppelschleifen-Rahmen wurde deutlich überarbeitet, bietet mehr Steifigkeit im Bereich des Lenkkopfs, spart aber trotzdem satte 1,8 Kilo ein. Völlig neu ist das verschraubte Rahmenheck, das nun aus Alu statt aus Stahl gefertigt wird und zudem schlanker ausfällt. Auch die Schwinge ist neu gezeichnet, wurde vom 450er-Crosser der Marke abgeleitet und spart einen halben Kilo ein.
Dagegen nehmen sich die Änderungen am Fahrwerk fast bescheiden aus ... wenn es nicht das neue Showa EERA gäbe. Mit diesem System ist erstmals ein elektronisches Fahrwerk für die Africa Twin verfügbar, genauer gesagt: für die Africa Twin Adventure Sports – es wird nämlich aktuell nur für diese Variante angeboten. Die Dämpfung lässt sich damit während der Fahrt in vier Stufen verstellen (Soft, Mid, Hard und Offroad), zusätzlich ist auch hier ein User-Modus programmierbar. Per Knopfdruck lässt sich am Stand außerdem die Vorspannung des hinteren Federbeins vierfach der Beladung anpassen. Showa EERA kostet in Österreich 1800 Euro Aufpreis und bringt zwei Zusatz-Kilos auf die Waage.
Nun zu den Änderungen an der Africa Twin, also am Basismodell, wenn man so will. Wir haben bereits erwähnt, dass der Fokus deutlich Richtung Offroad verschoben wurde, was man auch am neuen, nicht verstellbaren und deutlich kleineren Windschild erkennt. Die neue Zierlichkeit rührt auch von der um 40 Millimeter schmaleren Sitzbank her und dem insgesamt schmaleren Rahmenheck. Die Federwege sind mit 230/220 Millimeter gleich geblieben, auch die Dimensionen der Räder. Die Fahrwerkskomponenten von Showa wurden leicht überarbeitet, die Austattung dafür deutlich angehoben (Assistenzsysteme, Tempomat). Man sieht’s auch an den Fotos: Die LED-Scheinwerfer besitzen nun kreisförmige LED-Tagfahrlichter, die schmalen Lichtstreifen darunter sind die schon erwähnten Kurvenleuchten. Leicht verändert wird zudem die Sitzposition: ein um 22,5 Millimeter höherer Lenker dürfte beim Sitzen für einen geraderen Rücken und beim Gelände-Stehen für eine bessere Ergonomie sorgen.
Weiterhin ist für das manuelle Schaltgetriebe ein Quickshifter im Zubehörprogramm erhältlich, dazu gibt es zwei verschiedene Koffersets aus Alu oder Kunststoff. Laut Honda hat die Africa Twin vier Kilo verloren, nach dem Vergleich der Daten müssen es sogar mehr sein: Die neue Africa Twin Modelljahr 2020 soll vollgetankt 226 Kilo wiegen (mit DCT 236 Kilo), das wären nach unserer Rechnung sogar um sechs weniger als bisher. Die Preise findet Ihr gesammelt ganz unten, hier noch die Farben: Die neue Africa Twin gibt es 2020 in Rot oder Schwarz, jeweils mit rot lackiertem Heckrahmen.
Nun zur Honda Africa Twin Adventure Sports 2020. Bei ihr korrigiert Honda nun die überzogenen Dimensionen, die man ihr 2018 zugedacht hat – die Sitzhöhe war ja nur für die Größten unter uns zu derpacken. Selbst durchschnittlich geschnittene Fahrer hatten ihre Mühe, bei rutschigem Untergrund am Stand nicht umzukippen. Diese Probleme sollten nun Geschichte sein: Die neue Adventure Sports kommt mit den gleichen Federwegen und der gleichen Sitzhöhe wie die normale Africa Twin: also 230/220 Millimetern und einer verstellbaren Sitzhöhe zwischen 850 und 870 Millimeter (das sind um je 50 Millimeter weniger als bisher!). Außerdem erhält auch sie den schmaleren Sattel, sodass die Schrittbogenlänge nochmals kürzer wird. Hallelujah!
Wem das noch immer zu hoch (oder jetzt zu tief) sein sollte, der bekommt über das Zubehör auch höhere und tiefere Sitzbänke, das gilt auch für die normale Africa Twin.
Im Gegensatz zum Basismodell ist die Adventure Sports weiterhin besser ausgestattet. Wie man es hier gewohnt ist mit einem Motorschutz, einem Alu-Heckträger, Handprotektoren, einer 12V-Steckdose und Heizgriffen. Der Windschild ist hier geradezu riesig und noch dazu verstellbar. Das ohnehin schon marathonmäßige Tankvolumen stieg nochmals leicht, von 24,2 auf 24,8 Liter. Wie es aussieht, befindet sich hier nun ein wirklich langstreckentaugliches, angenehmes Motorrad im Anrollen, das sich am Letztstand der Technik befindet: mit riesiegem Touchscreen, Kurven-ABS, Kurvenlicht, Tempomat, Heizgriffen, optionalem elektronischem Fahrwerk und ebenfalls zwei wählbaren Koffersystemen. Nicht zu vergessen die Option auf das DCT, das in verbesserter Form (Kurvenerkennung!) natürlich auch bei der Africa Twin Adventure Sports 2020 verfügbar sein wird.
Fünf Kilo weniger machen für die Honda Africa Twin Adventure Sports unterm Strich 238 Kilo vollgetankt bzw. 248 Kilo mit DCT. Im Modelljahr 2020 wird sie in der legendären Tricolore-Lackierung oder in Dark Black Metallic zu haben sein.
Letztlich zu den Preisen: Die vielen Updates und hinzugekommenen Ausstattungen machen sich freilich auch hier bemerkbar. Angesichts des Aufschwungs an serienmäßig gebotenen Ausstattungen scheint die Erhöhung von 1200 Euro für die Africa Twin und 1500 Euro für die Africa Twin Adventure Sports aber fair. Die Österreich-Preise im Detail:
Honda Africa Twin: 16.690 Euro
Honda Africa Twin DCT: 17.990 Euro
Honda Africa Twin Adventure Sports: 18.690 Euro
Honda Africa Twin Adventure Sports DCT: 19.990 Euro
Die Markteinführung der neuen Modelle wird noch heuer, im November, erfolgen. Schon vorher – nämliich Mitte Oktober – könnt Ihr bei uns die ersten Fahreindrücke von der neuen Honda Africa Twin 2020 und Honda Africa Twin Adventure Sports 2020 lesen!