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Christoph Lentsch
Autor: Mag. (FH) Christoph Lentsch
christoph.lentsch@motorrad-magazin.at
14.2.2022

Suzuki GSX-S1000 GT TestNeuanfang

Nachdem im 21. Jahrhundert nicht nur Autos, sondern auch Motorräder in die Höhe gewachsen sind, wäre es vielleicht wieder an der Zeit, in die Tiefe zu gehen, also dorthin, wo Landfahrzeuge am besten fahren – möglichst weit unten. Noch dominieren Bigenduros und langbeinige Crossovers die Verkaufscharts im Bereich reisetauglicher Motorräder, aber das Potenzial des klassischen Sporttourers sollte nie ignoriert werden. Denn die sportliche Geometrie schafft eine gesunde Balance zwischen Fahrdynamik und -stabilität, wie es Motorräder mit Federwegen bis 200 Millimeter kaum bieten können.

Das Fahrwerk der GSX-S1000GT entspricht im Wesentlichen jenem des Naked-Bikes, mit Federwegen von 120 beziehungsweise 130 Millimetern, einer voll einstellbaren 43 mm Upside-Down-Cartridge-Gabel und einem Zentralfederbein mit stufenloser Zugstufe und 7-fach einstellbarer Federvorspannung. Leider benötigt man für Letzteres einen Schraubenschlüssel, der unter der Sitzbank verstaut ist. Die Begründung von Suzuki, man wollte durch das Weglassen eines Handrads Gewicht sparen, können wir deshalb nicht ganz ernstnehmen. Auch für das Fehlen eines einstellbaren Windschilds, schräglagenabhängiger Regelsysteme sowie eines elektronischen Fahrwerks wird mit Gewichts- und Kostengründen argumentiert.

 

Die GSX-S1000GT sollte kein mit allen technischen (und teils verzichtbaren) Spielereien vollgepackter Luxus-Sporttourer werden, sondern ein noch leistbarer Fast-Alleskönneer im neuen, kantigen Kleid – das auf mehr Suzuki-Neuheiten in diesem Designschema hoffen lässt.

Im Vergleich zur nicht mehr produzierten F soll die GT tourenorientierter sein, mit drehmomentlastigerer Abstimmung des Motors und gleichmäßigerer, weniger scharfer Kraftentfaltung. Leistungs- und Drehmomentkurve wurden geglättet, wie die Graphen vom Prüfstandslauf beweisen. Das Vierzylinderaggregat leistet nun um 2 Kilowatt mehr und soll trotz umgänglicherer Charakteristik eine bessere Beschleunigung ermöglichen - 400 Meter werden in 10.15 Sekunden durchmessen. Zwar wurde die Übersetzung nicht geändert, trotzdem sollen höhere Gänge gefahren werden können, was wir bei der Testfahrt nicht feststellen konnten. 30 Stundenkilometer im vierten Gang sind aber ruckfrei möglich.

 

In Verbindung mit einem Ride-by-Wire sind drei Fahrmodi (A-B-C) wählbar, eine fünfstufige, abschaltbare, nicht schräglagenabhängige Traktionskontrolle regelt den Schlupf und ein konventionelles, aber sportlich eingestelltes ABS die Bremswirkung bei Gripverlust. Ein vollwertiger Quickshifter und ein Tempomat komplettieren den Serienumfang.

Die Ergonomie ist deutlich komfortabler als man das von Sporttourern alten Zuschnits kennt. Für eine entspanntere, beinahe komplett aufrechte Sitzposition wurde der um 23 Millimeter breitere, schwingungsentkoppelte Lenker im Vergleich zur F um 15 Millimeter näher zum Fahrer gerückt. Die Sitzhöhe beträgt wie beim Naked Bike moderate 810 Millimeter, für einen Fahrer mit 1.80 Meter Körpergröße fast zu niedrig ist, weil der Kniewinkel eng werden kann. Der Sitz selbst wurde neu geformt und besser gefüttert, während die Fußrasten jetzt gummiert sind.

Der Windschild wurde verbreitert und strömungsoptimiert. Im Zubehör bietet man eine um ganze sieben Zentimeter höhere Tourenscheibe an, auf die Vielfahrer wohl nicht verzichten werden können. Auf den Strömungsbildern aus dem Windkanal war auf dem Helm des Fahrers ein großer roter Fleck zu sehen, das Zeichen für hohen Winddruck. Und dieser war auch während der Fahrt zu spüren. Die Serienscheibe steht einfach zu flach – ein Zugeständnis an die Optik. Sowas kennt man sonst nur aus Italien.

Für die weite Reise sind außerdem ein Tourensitz und simpel und schnell zu bedienende 36- Liter-Seitenkoffer im Angebot. Ein Topcase fehlt im Portfolio, es passt laut Suzuki nicht zum Konzept eines Sporttourers. Dafür braucht man ab sofort kein Navi mehr, denn mittels Suzuki-mySpin-App mit integrierten Karten und derzeit acht möglichen Navigations-Apps (Google-maps und Calimoto zählen nich nicht dazu) lässt man sich über das 6,5-Zoll-TFT-Display im Cockpit und auf Wunsch akustisch über ein Intercom den Weg weisen. Auf unserer Testrunde durch Norditalien funktionierte das System unkompliziert und störungsfrei.

Die 152 PS starke GSX-S1000GT fährt sich vom Fleck weg umgänglich – richtiger Fahrmodus vorausgesetzt. Weil der schärfste A-Modus etwas zu sprunghaft ans Gas geht und das die größten Lastwechsel mit sich bringt, fuhren wir den ganzen Tag über im mittleren B-Modus. In der unteren Drehzahlhälfte flaniert es sich mit dem „alten“ GSX-R-Aggregat schall- und fahrtechnisch zivil und entspannt. In der oberen Drehzahlhälfte ab zirka 5500 bis 6000 Touren bricht aber der zornige Gixxer-Geist hervor und reißt ein Wurmloch in den Äther. Spätestens jetzt wünscht man sich einen besseren Windschutz. 

Bereift ist die GT mit Dunlop Sportmax Roadsport 2, maßgeschneidert und hinten nach wie vor im Format 190/50-17. Auch das sei Teil der eigenen Modell-Philosophie. Das Fahrverhalten wäre dadurch stabiler und schließlich könne man auch mit Gummi Gewicht und rotierende, ungefederte Massen sparen. Stabil läuft sie wirklich, auch bei hohen Geschwindigkeiten im Radius und angenehm neutral im Winkelwerk: kein eigenwilliges Einnicken oder Pendeln. Das Fahrwerk wurde den Anforderungen an einen Sporttourer entsprechend angepasst und bietet den gewohnt sportlich-komfortablen Kompromiss.

Nur auf schlechtem Asphalt könnten die Komponenten feiner ansprechen. Etwas mehr Performance erwarteten wir auch von der Bremse, zumal sie von Brembo geliefert wird. Dass der Initialbiss sehr milde ausfällt, wollen wir nicht kritisieren, weil es manche Hersteller diesbezüglich eher übertreiben und im Alltag ein progressiver Kraftaufbau sinnvoller ist als ein explosionsartiger. Aber bei kräftigem Zug, der am Hebel notwendig ist, müssten die Zangen konsequenter zubeissen, um der supersportlichen Leistung Paroli bieten zu können. 

Nahezu perfekt funktionierte der Quickshifter mit Blipper, den wir auch mit absichtlich schlampiger Bedienung nicht zu groben Fehlern verleiten konnten. Selbst in der Stadt bei niedrigen Geschwindigkeiten und Drehzahlen legt er die Gänge exakt und ruckfrei ein. Dass man mit der neuen Abstimmung des Motors jetzt immer einen Gang höher fahren kann, können wir nicht bestätigen; dazu wäre wohl doch eine Änderung der Übersetzung notwendig. Neben dem hohen Windschild würde auch eine höhere Sitzbank zur Entschärfung des Kniewinkels den Fahrkomfort deutlich verbessern, doch in den 36 Zubehörteilen ist nur ein Tourensitz mit gleicher Höhe zu finden.

Großes Lob verdienen die je 36 Liter fassenden Seitenkoffer, die auch unseren Integralhelm in Größe L geschluckt haben. Die Bedienung ist maximal unkompliziert. 190 Kilogramm Zuladung erlaubt die GSX-S1000GT und sollte damit jedes Reisevorhaben möglich machen, mit 96 DBa muss man aber leider einen Bogen um gewisse Gegegenden in Tirol machen. Der Testverbrauch lag übrigens bei 5,8 Liter, was bei dem auf 19 Liter angewachsenen Tank eine Reichweite von über 320 Kilometer ermöglicht hätte.

16.490 Euro kostet die Suzuki GSX-S1000GT in Österreich. Wer die Koffer gleich dazu nehmen möchte, der bestellt das Holiday-Paket inklusive Schlosssatz, Halterungen für Seitenkoffer,  Abdeckungen in Fahrzeugfarbe und Tankpad zum Vorteilspreis von 999 Euro statt 1304 Euro. Insgesamt ist die GT ein starkes Angebot, das sich kommende Saison gegen die knappe, aber ebenfalls potente Konkurrenz beweisen wird müssen.

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