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Christoph Lentsch
Autor: Mag. (FH) Christoph Lentsch
christoph.lentsch@motorrad-magazin.at
19.9.2022

Royal Enfield Scram 411Was man braucht

Text: Werner Jessner
Fotos: Jürgen Skarwan

Die entscheidenden Momente im Alltag kosten oft verblüffend wenig: Der Espresso gleich nach dem Aufstehen. Das Murauer Bier aus dem Keller direkt nach dem Radfahren. Ein paar Seiten Mordecai Richler vor dem Einschlafen. Mit der Royal Enfield Scram 411 durch den Stau wuseln. 5290 Euro werden dafür aufgerufen, das sind je nach Design um 200 bzw. 400 Euro weniger als für die Minimal-Reise-Enduro Himalayan, von dem sie direkt abgeleitet wird und deren Name auf den Seitendeckeln auch vermerkt ist.

Jeder Gestandene liebt eine Himalayan und ihre unverwüstliche Kradmelder-Optik. Das spiegelt sich auch in der Erfolg in der Zulassungs-Statistik wider. In Summe macht die brandneue Scram aus weniger aber mehr.

Dieses Weniger definiert sich so: 19- statt 21-Zoll-Vorderrad. Zehn Millimeter weniger Radstand, 20 Millimeter weniger Bodenfreiheit, geringfügig niedrigere Sitzhöhe, zehn Millimeter weniger Federweg vorn, nicht abschaltbares ABS hinten (wenn man ihr für Brems-Drifts die ABS-Sicherungen zieht, funktioniert auch der Tacho nicht).

Der Verzicht auf einen zweiten Front-Kotflügel, Frontmaske, Hauptständer, Gepäck-Rack und das Ersetzen des charakteristischen Stahlbügels rund um den 15-Liter-Tank durch zwei nobel „Urban Badge Plate“ genannte, leicht austauschbare Kunststoff-Seitenteile spart in Summe neun Kilo, was uns leer mit 185 Kilo auf die Straße schickt.

Das kleinere Vorderrad ist es dann (wohl in Kombination mit dem daraus resultierenden steileren Lenkwinkel und geringeren Nachlauf), dass unterm Strich der Scram 411 mehr Spaß steht. Deutlich mehr. Du klebst stärkeren Bikes am Auspuff wie der Rotz am Ärmel, wenn du es darauf anlegst. Dann wird es Zeit, durchzustechen. Der Scrambler-Ableger kippt mit weniger Aufwand ins Eck: einfach eine Kurve denken, passt.

Passt wie die Sitzposition, denn sowohl der entspannte Beinwinkel als auch die Breite des hochgezogenen Lenkers sind ein guter Kompromiss aus Schräglagen-Freiheit, Durchwedeln und Sitzfleisch-Freundlichkeit. Bei einem Topspeed in den 120ern, auf Bergab-Autobahnen hohen 130ern, muss das Fahrwerk keine Diplomarbeit sein, und das ist es auch nicht. Es ist sowohl für die Reifen als auch die Bremsen ausreichend dimensioniert, auch auf schlecht gewarteten Straßen durch Betonwüsten. Da tut der Federwewg gut.

Apropos Bremsen: Die beiden Einzelscheiben bemühen sich, und der Fahrer tut gut daran, beide davon zu bedienen.

Herzstück der Scram 411 ist ihr leise knatternder luftgekühlter Einzylinder mit zwei (in Ziffern: 2) Ventilen, dessen Hubraum groß am Tank steht. Ergibt 24 fröhliche PS, und die Euro-5-Kur hat dem Einbaum spürbar gut getan: Im Vergleich zum Vorgänger baut sich das Drehmoment jetzt früher auf, und wer jetzt noch einen Ampelstart gegen etwas Vierrädriges verliert, zahlt die nächste Runde. Okay, man sollte keine gemachte Honda XR400 oder sowas erwarten, aber im Alltag der Schnarchnasen da draußen reicht es allemal.

Außerdem dauert es nun länger, bis die Sprit-Reserve aufleuchtet, was aber auch an den neuen Instrumenten liegen könnte: nicht unter 250 Kilometer. Und diese Instrumente sind super.

Wunderbarerweise hat die Scram einen analogen Tachometer. In seinem Inneren gibt es eine Uhr, eine Benzinuhr und eine Gang-Anzeige, deren Wert man durch Schalten ändern kann. Zwischen zwei Tageskilometerzählern und jenem fürs Gesamte hüpft man mit dem einzigen Knopf herum, den man unterwegs bedienen kann (oder der nicht zwingend zum Fahren nötig ist, je nach Sichtweise).

Dieser Knopf liegt griffgünstig vor dem Gasgriff. Den (eh unnötigen, denn bei 7000 Umdrehungen geht der Motor sanft von selber in den Begrenzer) Drehzahlmesser hat Royal Enfield durch ein kleines TFT-Navi ersetzt, das in Farbe Richtungspfeil, Abstand zur Action und Wegstrecke anzeigt, wenn man die Scram mit der kostenlosen App von Royal Enfield koppelt.

Funktioniert watscheneinfach, und der Weg stimmt auch, weil er auf Google basiert, und die wissen alles, sagt man. Wenn während der Fahrt im Navi-Display allerdings eine zweite Uhr auftaucht wie bei einem russischen Soldaten nach dem Krieg, dann haben Scram und App aufgehört miteinander zu reden. Auch das kommt vor.

Was noch vorkommt: Dass man den Leerlauf des Fünfgang-Getriebes nicht immer auf Anhieb findet, zumindest beim Test-Motorrad. Dann hilft Gelassenheit. Überhaupt hilft ein wenig Gelassenheit. Im Leben, aber auch in der Nacht, wenn man wieder einmal in die Garage rausschleicht und sich über ein Motorrad freut, das die Hälfte eines vernünftigen E-Mountainbikes kostet.

Ja, wo soll denn der Lehrling sonst seine Schweißnähte ziehen wenn nicht auf einem Bike, das aus Indien auszieht, um die Innenstädte der Welt zu erobern? Und was soll man mit den ganzen Sechskant-Schrauben machen, die noch im Lager vorrätig sind? Etwa gegen Torxe tauschen? Dann doch lieber an der Scram verschrauben!

Das Revier der Scram 411 sind die Städte und ihr Umfeld. Dort kann man sie nur unterschätzen, wenn es der Fahrer darauf anlegt und nicht bloß cruisen will. Schneller als jeder Roller, weil präziser. Einschlag am Stand, falls dich in der stehenden Kolonne wieder einmal ein Böswilliger eingezwickt hat und du rund um ihn herum musst: perfekt.

Sicht durch die Spiegel: souverän, dennoch nie einem Klein-Lkw im Weg. Robust, falls Herr oder Frau Nichtschwimmer das Fallen von indischem Edelmetall beim Einparken wieder einmal für das Signal der akustischen Einparkhilfe gehalten haben. Leicht genug, um das Heck auch einmal ein paar Zentimeter manuell aus der Parklücke zu haben. Für urbane Anwendung ist an einer Scram nichts verkehrt, im Gegenteil. Und die eine oder andere Landpartie macht sie auch gern mit, ohne unangenehm aufzufallen, nein: positiv eher. Nur die 24 PS glaubt dir da keiner.

Unterm Strich ist die Scram 411 ein gelungener Scrambler mit unverwüstlicher Technik, der nichts vorgibt zu sein, was er nicht jederzeit unter allen Umständen einlösen kann. Ein bisschen wie ein Fiat Panda mit zwei Rädern. Ein Stufenführerschein-Moped, das auch bei erfahrenen Fahrern die Frage laut werden lässt, wie viel mehr man eigentlich zum Leben braucht. Denn wie wir mit zunehmendem Alter wissen: Die entscheidenden Momente im Alltag kosten oft verblüffend wenig.

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