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Clemens Kopecky
Autor: Mag. (FH) Clemens Kopecky
clemens.kopecky@motorrad-magazin.at
12.8.2024

MT-09 gegen 990 DukeSturm und Drang

Es ist ein bisschen wie mit Nelson Mandela, Martin Luther King und Mahatma Gandhi: obwohl sie alle aus komplett unterschiedlichen Kulturkreisen stammen, glichen sie sich in vielen Charakterzügen und setzten sich zeitlebens für geistesverwandte Werte ein. So ist es auch bei Yamaha MT-09 und KTM 990 Duke: Geographisch sind ihre Wurzeln knapp 10.000 Kilometer und dutzende Staaten von einander entfernt. Trotzdem eint die österreichische wie die japanische Mittelklasse-Streetfighter ein gemeinsames Ziel: maximalen Fahrspaß einer möglichst großen Anzahl an Motorradfahrern zugänglich zu machen. Sowohl die mittlerweile vierte Generation der MT-09 als auch die dritte Hubraum-Version der Mittelklasse-Duke schaffen den anspruchsvollen Spagat gleichzeitig Motorradfahrer am Beginn ihrer Karriere ebenso wie routinierte Profis durchwegs zufrieden zu stellen.

Anders als es der böse Blick ihrer Lichtmasken ahnen lässt, verbirgt sich hinter den futuristischen Fronten ein freundliches und zugleich temperamentvolles Gemüt. 119 beziehungsweise 123 Pferdestärken sind gesunde Kraft-Werte, die sich in der Praxis noch halbwegs legal und sicher auf die Straße bringen lassen. Obendrein wachen modernste Assistenzsysteme, gekoppelt an 6-Achsen-IMUs, über eine möglichst gefahrlose Fahrt.

Deutlich weniger als 200 Kilo auf der Waage in Kombination mit schlanken 180er-Hinterreifen erlauben zu guter Letzt einen besonders leichtfüßigen, schwungvollen Kurven-Samba. Um das Testergebnis bereits vorweg zu umreissen: Sowohl mit Yamaha MT-09 als auch auf KTM 990 Duke macht dynamisches Motorradfahren soviel Spaß wie es überhaupt nur möglich ist. Der im Zusammenhang mit diesen Modellen landläufig gerne verwendete Begriff „Mittelklasse“ ist jedoch irreführend. 

Einerseits verharmlost er den druckvoll-imposanten Vortrieb sportlicher Naked Bikes mit fast einem Liter Hubraum, andererseits widerspricht auch das Preisschild mittlerweile klar dieser Kategorisierung – zumindest im Falle der KTM. Während für eine ab Werk umfassend ausgerüstete Yamaha MT-09 ein durchaus faires Startkapital von 12.199 Euro finanziert werden muss, ruft KTM für eine 990 Duke samt Auslieferungskosten zumindest 16.699 Euro auf – exklusive des fast obligatorischen Elektronik-Pakets, das auch Quickshifter sowie Tempomat beinhaltet.

Zumindest die teure Preisgestaltung ist also spätestens mit dem Modelljahr 2024 in der „Oberklasse“ angekommen. Ob es die Mattighofenerin schafft ihren satten Mehrpreis im Vergleich zu ihrem Pendant aus Japan zu rechtfertigen, haben wir im Rahmen eines Kopf-an-Kopf Duells auf Landstraße und Handlingparcours erfahren.

Die MT-09 legt vor. Bereits die erste Sitzprobe macht die gravierenden Ergonomie-Modifikationen deutlich, die Yamaha diesem Modelljahr spendiert hat. Die einst supermoto-artige Sitzposition ist verschwunden, man sitzt ab sofort mit einem Hauch mehr Oberkörper-Vorlage und nach hinten versetzen Fußrastern eher „konventionell“ – vergleichbar mit vielen anderen Naked Bikes am Markt. Lediglich der Lenker ist spürbar breiter und höher als an der KTM, Lenkimpulse werden widerstandslos umgesetzt.

Im Unterschied zur Duke, die kleinste Steuerkommandos fast schon ultraagil umsetzt und jederzeit aggressiv in Kurven abwinkelt, gleitet die MT neutral und leichter berechenbar in Schräglage – das wirkt ein Alzerl weniger zackig und sportlich, dafür punktet sie bei entspannten Touren mit ihrem geschmeidig-runden Fahrgefühl. Die anvisierte Linie trifft sie jederzeit mit schlafwandlerischer Präzision und lässt sich auch von Kanaldeckeln oder Bodenwellen nicht aus der Bahn werfen. Die MT-09 liegt satt auf der Straße, wirkt bei spontanen Richtungswechseln jedoch niemals träge und offeriert eine Spur mehr Reisekomfort als die 990 Duke. Hut ab, mit der jüngsten Überarbeitung des Fahrwerks hat Yamaha tatsächlich voll ins Schwarze getroffen.

Lob erntet außerdem die brillante Bremsanlage, die etwas weniger Handkraft benötigt als der KTM-Stopper und außerdem ein klareres Druckpunkt-Gefühl vermittelt.

Apropos Druck: Die Polsterung des Sattels dürfte ruhig softer ausfallen, der Sitzbezug weniger rutschig. Abgesehen davon messen sich beide Kontrahenten in puncto Ergonomie auf Augenhöhe: Bei durchschnittlicher Körpergröße fühlt man sich dank in moderater Höhe montierter Fußraster hinter dem Steuer durchwegs wohl, und auch in der zweiten Sitzreihe sind gelegentliche Kurzausflüge relativ schmerzfrei zu bewältigen.

Der Knieschluss am schlanken KTM-Tank fällt kaum nennenswert kompakter aus als auf der Yamaha. Trotz identischer Sitzhöhe von 825 Millimetern sitzt der KTM-Pilot mit viel Bewegungsfreiheit spürbar tiefer in das Motorrad integriert. Lenkkopf und Lenker sind näher am Körper – eine kompakte Position, die die Mattighofenerin in puncto Lenkpräzision unschlagbar macht. Noch kurvengieriger als die Yamaha zieht sie superpräzise ihre Bahn und filetiert wieselflink jeden noch so engen Radius. Wegen ihres hochmotivierten Einlenkverhaltens und ihres überaus zügigen Kurventempos fordert sie eine entsprechend feinfühlige Führung, im Idealfall durch einen im Winkelwerk ebenso ambitionierten Fahrer.

Trotz ihrer etwas längeren Federwege ist die 990 Duke keine komfortable Sänfte. Die Chassis-Abstimmung spricht feiner an als jene der MT-09, entpuppt sich unterm Strich jedoch auch als knackiger. Trotzdem übersteht man ruppiges Asphalt-Flickwerk ohne Schmerzen in den Bandscheiben, während man auf glattgebügelten Straßen vom glasklaren Dämpfer-Feedback profitiert und die Yamaha so langsam aber sicher im Rückspiegel schrumpft.

Dafür zeichnet jedoch nicht in erster Linie das Fahrwerk verantwortlich: Gegen den famosen Paralleltwin der KTM ist am Kurvenausgang schlicht kein Kraut gewachsen. An purer Kraft und Elastizität mangelt es auch der Dreizylinder-Yamaha nicht – unsere Durchzugsmessung von Tempo 50 auf 150 im fünften Gang offenbart bei beiden Fahrzeugen knapp acht Sekunden. Im landstraßenrelevanten Bereich unterhalb von 7000 Touren bringt die 990 Duke mit bis zu 103 Newtonmetern Drehmoment allerdings infernalische Power auf die Straße, während sich der Yamaha-Pilot mit soliden 93 Newtonmetern begnügen muss und sich zudem in engen Kehren eine etwas kürzere Endübersetzung wünschen würde:

Bei Vollgas nach dem Kurvenscheitel genehmigt sich die MT-09 eine minimale Nachdenkpause bis ihr 890-Kubik-Drilling mit idealer Drehzahl und vollem Schub aus der Ecke feuert – das dauert höchstens einen Wimpernschlag und fällt nur im direkten Windschatten der KTM auf, die von ihren Entwicklern nahezu perfekt auf sportlichen Einsatz getrimmt wurde und ansatz- sowie hemmungslos aus der Kurve schnalzt. Wer dem immensen Vorwärtsdrang der 990 Duke jedoch ernsthaft Paroli bieten will, darf sich nunmal keinen Faux-Pas erlauben.

Abgesehen davon duellieren sich unsere Kandidaten auf allerhöchstem Niveau, und auch der Yamaha-Triple zählt aktuell zu den besten verfügbaren Antrieben am Markt. Während die Österreicherin in sportlicher Disziplin ihre Nase marginal vorne hat, sichert sich die MT-09 die Laufkultur-Wertung mit großem Vorsprung. Kein Zweifel, auch die „Mittelklasse-Duke“ war niemals kultivierter als heute und der seidige Motorlauf des 947-Kubik-Reihenzweizylinders stellt jenen des 890-Duke-Vorgängers überraschend deutlich in den Schatten.

Trotzdem kann der orange Heißsporn seine gelegentlich allzu aufdringliche „ready to race“ DNA im Alltag nicht permanent kaschieren. Bei flotter Fahrt lässt sich die KTM zwar herrlich dosierbar und berechenbar ans Gas nehmen, bei Bummeltempo im Stadtverkehr scharrt sie jedoch pausenlos mit den Hufen. Das lässt in gewohnter KTM-Manier keine völlige Entspannung im Cockpit aufkommen. Der flinke Schaltassistent erfüllt seine Mission je nach Tourenbereich meist ziemlich gut, zur Perfektion reicht es jedoch nicht ganz.

Im Kontrast dazu hinterlässt die Yamaha einen souverän-unaufgeregten Eindruck und schont die Nerven, obwohl sie trotz ihrer fabelhaften Ausgeglichenheit ebenfalls bereit ist jederzeit potent an der Kette zu zerren. Geschmeidig und seidenweich gleitet der harmonische CP3-Dreizylinder im Drehzahlband auf und ab, ebenso reibungslos repetiert der Quickshifter in beide Richtungen durch die Getriebestufen. Lästige Lastwechsel sind im Sattel der MT-09 selbst im direktesten der drei vorprogrammierten Fahrmodi nicht zu spüren.

Sobald der herzerwärmende, charakterstarke Triple rau losröhrt, bei mittleren Touren fest anreißt und dabei stets kultivierte Laufruhe und vehemente Durchzugsstärke virtuos zu kombinieren weiß, ist man nach wie vor schlicht hingerissen. Am runden Fahrgefühl gibt es hier absolut nichts zu bekritteln, in Sachen Ausgewogenheit setzt die MT-09 völlig neue Maßstäbe in ihrem Segment. Damit empfiehlt sich die Yamaha für ausgedehnte Touren ebenso wie für die alltägliche Fahrt ins Büro oder eine flotte Feierabend-Runde – ein beinahe makelloser Allrounder wie er im Buche steht.

Gleichstand zwischen Yamaha und KTM herrscht im Cockpit. Tadellose 5-Zoll-Monitore mit Smartphone-Connectivity (optional bei KTM) punkten mit kontraststarker Lesbarkeit sowie ansprechenden Layouts. Auch die Bedienung der Instrumente per Joystick beziehungsweise Steuerkreuz an der linken Lenkerarmatur klappt während der Fahrt bei beiden Naked Bikes sicher und intuitiv. Lediglich am eigenwillig geformten MT-09-Blinkerschalter mit „Komfortblinken“ (kurzes Antippen für dreimaliges Blinken), dafür jedoch ohne die sonst übliche „Aus“-Mittelposition, scheiden sich die Geister: Der Druckpunkt der ungewöhnlichen Tasten-Wippe ist schwierig zu ertasten – generell stellt sich die Frage weshalb Yamaha hier das Rad neu erfinden wollte.

Einen Pluspunkt verdient dagegen die serienmäßige Möglichkeit eine kostenfreie Garmin-Navigationsanzeige samt Straßenkarte (!) und Richtungspfeilen auf dem MT-09-Display darzustellen, während das Mobiltelefon kabellos in der Jackentasche bleiben kann. Vielleicht verzichtet Yamaha deshalb ab Werk auf eine USB-Buchse im Cockpit – will man das Handy aufladen, muss an der MT-09 im Unterschied zur KTM der ausschließlich unter dem Sitz verfügbare Anschluss genutzt werden.

Weil sich zu guter Letzt auch Benzinverbrauch und Assistenzsysteme nicht praxisrelevant unterscheiden, wird es Zeit für eine finale Bilanz: Für sportlich ambitionierte Piloten, die maximale Performance ganz oben in ihrem Lastenheft notieren, führt an der KTM 990 Duke kein Weg vorbei. Ihre rassig-wilde Fahrdynamik fasziniert auf Anhieb – der bärenstarke Paralleltwin gepaart mit exorbitant leichtfüßigem Handling und satter Straßenlage sind eine fantastische Kombination, die mit jedem gefahrenen Kilometer den Adrenalinpegel steigert. Andererseits scheint der KTM-Roadster in nicht unwesentlichen Details wie Motorlauf, Quickshifter oder Bremsgefühl seinen Zenith trotz des jüngsten Updates noch nicht erreicht zu haben, während beim Preisniveau die Luft bereits jetzt mehr als dünn ist.

Im Unterschied dazu überzeugt die runderneuerte, harmonische Yamaha MT-09 in nahezu allen Belangen – sie ist nicht viel weniger sportlich als ihr KTM-Pendant, brilliert jedoch mit klagloserer Tourentauglichkeit und Kultiviertheit im Alltag. Unterm Strich bietet die MT-09 ganz besonders viel fürs sauer verdiente Geld und ist zumindest satte 4500 Euro günstiger als ihr Konkurrent aus Mattighofen. Somit sind die beiden Naked Bikes in vielen Aspekten zwar nahezu ebenbürtig, der Testsieg gebührt jedoch der auch finanziell überzeugenden Yamaha MT-09.

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