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Neue Assistenzsysteme ab 2025Premiere bei KTM
2025 geht’s richtig rund in Sachen Assistenzsysteme: Bosch hat sechs neue, radarbasierte Assistenten entwickelt, die das Motorradfahren sicherer machen sollen. Vier davon – jene, die mit Frontradar arbeiten – sollen in einem neuen KTM-Modell debütieren. Wir gehen stark davon aus, dass dies in der neuen KTM 1390 Super Adventure der Fall sein wird, von der wir schon im vergangenen Jänner Prototypen erwischt haben.
Es ist nicht das erste Mal, dass neue Entwicklungen von Bosch in Kooperation mit KTM vorgestellt wurden: Auch das MSC, der erste Einsatz von Kurven-ABS und Schräglagen-Traktionskontrolle, erfolgte vor über zehn Jahren in einem orangefarbenen Adventurebike.
Nun aber zu den neuen Systemen, die uns eine Fülle an ebenso neuen Kürzeln bescheren. Gehen wir’s der Reihe nach durch und beginnen wir mit jenen vier Assistenten, die auf den Daten des Frontradars basieren und bei KTM ab 2025 zum Einsatz kommen werden.
ACC S&G – Adaptive Abstands- und Geschwindigkeitsregelung – Stop & Go
Adaptive Tempomaten kennen wir bereits in der Motorradwelt. Nun kommt eine weitere Funktion dazu: S&G, also Stop & Go. Dabei geht es darum, dass das Bike bis zum Stillstand verzögert wird, wenn das vordere Fahrzeug ebenfalls stehenbleibt. Man muss kein brillanter Techniker sein, um zu erkennen, dass dieses System nur in Kombination mit einem Automatikgetriebe sinnvoll ist. Um aus dem Stillstand wieder anzufahren und bei freier Fahrt wieder auf die im Tempomaten eingestellte Geschwindigkeit zu beschleunigen, muss man nur einen Knopf drücken oder kurz am Gasgriff drehen. Unterm Strich handelt es sich also um eine Art Stau-Assistenten, den wir aus Autos bereits kennen.
GRA – Group Ride Assist
Das lernt man als Motorradfahrer schnell: Ist man in einer Gruppe unterwegs, dann empfiehlt sich versetztes Fahren. Diese Formation konnte aber das ACC, also den adaptiven Tempomaten, bislang irritieren. Die neue Funktion GRA will über einen Algorithmus versetztes Motorradfahren erkennen und darauf richtig reagieren, sprich: den Abstand zu den Vorausfahrenden über passende Geschwindigkeitsregelung konstant halten. Ist man nicht in einer Gruppe unterwegs, funktioniert ACC wie bisher.
RDA – Riding Distance Assist
Das ist eine klassische Besserwisser-Funktion. Man kann einen gewünschten Abstand zu vorausfahrenden Fahrzeugen eingeben. Unterschreitet man dann diesen Abstand, dann wird der Gaseinsatz reduziert, im ärgsten Fall sogar gebremst. Das alles wohlgemerkt ohne dass man den Tempomaten aktiviert hat, also beim ganz normalen, selbstbestimmten Fahren. Kann man zum Glück ausschalten.
EBA – Emergency Brake Assist
Auch dies ist ein System, das vom Auto übernommen wird. Dort hat man erkannt, dass viele FahrerInnen bei einer Notbremsung einfach zu wenig stark auf das Bremspedal latschen. Das erledigt nun die Elektronik. Beim EBA von Bosch will das digitale Hirn nun Gefahrensituationen ebenfalls erkennen und verstärkt, wenn der Fahrer nach Ansicht des Systems zu zögerlich verzögert, den Bremsdruck automatisch.
Nun zu zwei weiteren Assitenten, die den Einsatz eines Heckradars erfordern – so wie ihn einige Modelle bereits seit mehreren Jahren integrieren, etwa die Ducati Multistrada V4, die Triumph Tiger 1200 oder auch die Kawasaki Ninja H2 SX. Auch diese beiden Systeme sollen bereits 2025 debütieren, allerdings blieb noch offen, in welchen Modellen.
RDW – Rear Distance Warning
Bosch meint, dass es für Motorradfahrer oft schwierig sei, den Verkehr hinter dem Motorrad im Auge zu behalten. Deswegen wird man nun am Display durch eine Warnung informiert, wenn ein Fahrzeug hinten zu nah auffährt. „Auf Basis dieses Hinweises kann der Fahrer die Situation entschärfen und so einem Auffahrunfall vorbeugen“, schreibt das Unternehmen. Man darf gespannt sein.
RCW – Rear Collision Warning
So, und wenn das System nun merkt, dass trotzdem eine Auffahrkollision droht – sprich, dass das Fahrzeug dahinter sich zu schnell nähert –, dann aktiviert es automatisch die Warnblinkanlage, um die Fahrerin/den Fahrer dahinter zu warnen und letztlich doch zum Bremsen zu animieren. Könnte sinnvoll sein.
Unterm Strich: Einige dieser Systeme könnten dazu beitragen, das Motorradfahren noch sicherer oder komfortabler zu machen. Bei anderen sind wir uns nicht sicher, wir erwarten Generve und Bevormundung, wie wir das aus neuen Automobilen schon zur Genüge kennen. Solange man sämtliche Assistenten auch ausschalten kann – und zwar über den Neustart des Motorrads hinaus –, sind wir aber noch beruhigt. Es ist jedoch leider zu befürchten, dass die reine Verfügbarkeit solcher Assistenten (und nicht ihr Sinn) in absehbarer Zeit zu neuen Regulativen der EU führt, die dann wie beim Auto entweder ein Ende des selbstbestimmten Fahrens oder ein ständiges Knöpferldrücken fürs Abschalten der nervigen Licht-und-Ton-Sequenzen bedeuten.