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Norton ist zurück!Vier neue Modelle
Die britische Traditionsmarke Norton stellt sich komplett neu auf und präsentiert auf der Eicma 2025 ein völlig neues Programm mit vier Modellen: Manx R, Manx, Atlas und Atlas GT. Zwei Scrambler namens Nomad sollen Anfang 2026 gezeigt werden und möglicherweise auch noch 2026 folgen.
Kurze Rückblende: Norton, gegründet 1898 und Motorradproduzent seit 1902, zählt zu den traditionsreichsten Motorradmarken der Welt. Mit zahlreichen Rennsiegen – speziell auf der Isle of Man – kann die Marke auch auf eine erfolgreiche Sport-Historie zurückblicken. Wie bei vielen anderen europäischen Marken ging‘s dann ab den Sechszigerjahren langsam talwärts, es kam zu wechselnden Besitzern und gelegentlichem Aufflackern des alten Ruhms, aber am Markt spielte man seitdem keine Rolle mehr.
Ein unrühmliches Intermezzo gab’s zuletzt auch noch, als Stuart Garner 2008 die Markenrechte übernahm und dann gegen die Wand fuhr, inklusive Veruntreuung von Pensionsfonds, gerichtlicher Verurteilung und anderen Unappetitlichkeiten.
Seit 2020 ist nun alles anders. Die TVS Motor Company aus Indien, in den Top-5 der weltweit größten Zweiradhersteller, hat die Marke übernommen und ein neues Werk in Solihull vor den Toren Birminghams aufgebaut – mit einer überschaubaren Jahreskapazität von 8000 Fahrzeugen. Es ging bereits 2021 in Betrieb. Man baute zuletzt noch die alten Modelle aus der Garner-Ära weiter, arbeitete im Hintergund aber an dem großen Relaunch der Marke. Bislang hat man rund 200 Millionen Euro investiert, doch zur Beruhigung sei gesagt: Es trifft keine Armen.
Dieser große Relaunch fand heute statt. Norton enthüllte vier neue Modelle, mit denen man in die Zukunft fahren will. Allen gemein ist ein sehr cleanes, fast schon antiseptisches Design, das man wohl „britisch“ nennen könnte. Designberater ist übrigens Sir Gerry McGovern, der über Jahrzehnte für das Design von Land Rover/Range Rover verantwortlich war und auch die neue Generation des legendären Defender gestaltet hat. Dies wissend mag man Parallelen zur Gestaltungslinie der neuen Nortons erkennen.
Bevor wir zu den einzelnen Modellen kommen noch kurz zu den geschäftlichen Plänen: Man will solide wachsen, nichts über den Zaun brechen, sondern einen Schritt nach den anderen setzen. Trotzdem zeigt man hier nun schon vier Modelle. Den Anfang macht man mit dem Flaggschiff, der Manx R. Sie kommt im ersten Quartal des Jahres 2026.
Weiter geht’s mit einer Kurzvorstellung der neuen Modelle.
Norton Manx R. Mit diesem Modell wird das Ausrollen der neuen Palette beginnen, hierzu haben wir auch schon die meisten Informationen. Es handelt sich um ein V4-Superbike, dessen Fokus nicht auf der Rennstrecke, sondern im Straßenbetrieb liegt. Daher hat man auch bewusst auf Winglets oder Kriegsbemalung verzichtet.
Der V4-Motor mit 72 Grad Zylinderwinkel hat einen Hubraum von 1200 ccm und leistet 206 PS bei 11.500 U/min. Das maximale Drehmoment von saftigen 130 Newtonmetern steht bereits bei 9000 U/min an; in der Drehmomentkurve will man bis 8000 U/min auch noch stärkere Mitbewerber ausstechen. Fünf Fahrmodi (drei definierte, zwei programmierbare) und einen Quickshifter für das Kassettengetriebe gibt’s natürlich auch.
Feinste Elektronik befindet sich ebenfalls serienmäßig an Bord, inklusive semi-aktivem Fahrwerk von Marzocchi. Zu den fortschrittlichen Assistenzsystemen zählen unter anderem die gewohnten schräglagensensitiven Aufpasser, dazu Launch Control und Berganfahrhilfe. Weiter finden wir rundum feinste Komponenten – etwa Brembos Hypure-Zangen an 330er-Scheiben vorne – und volle Connectivity am generösen 8-Zoll-TFT. Diese Verbindung schließt auch Smartwatches und GoPros mit ein.
Mit wunderschöner Alu-Einarmschwinge, die den 200er-Reifen (Pirelli Diablo Supercorsa V4SP) am Heck prächtig zur Geltung bringt, und exklusiven Carbonrädern von BST soll die Norton Manx R 204 Kilo trocken wiegen. Da sind auch die Heizgriffe und das Keyless-System schon enthalten.
Norton Manx. Die Ableitung vom Superbike präsentiert sich als bulliger Streetfighter, aktuell nur mit Einzelsitz gezeigt. Die Leistungswerte sollen jenen der Manx R entsprechen, ebenso die Elektronik und die gesamte technische Bestückung. Ein Gewicht wurde noch nicht genannt. Manx und Manx R werden in Solihull/UK endgefertigt.
Norton Atlas und Atlas GT. Etwas überraschend zeigt Norton auch zwei hochbeinige Bikes in der unteren Mittelklasse. Der Motor dafür – ein Reihen-Zweizylinder mit 585 ccm und 270 Grad Hubzapfenversatz – dürfte dem Vernehmen nach auf dem Grundgerüst des neuen BMW-Zweizylinders aus der F 450 GS aufbauen, der ja ebenfalls bei Norton-Mutter TVS gebaut wird. Für den Einsatz in der Atlas wurde der Motor aber jedenfalls deutlich modifiziert, nicht zuletzt ja auch vergrößert. Die Leistungswerte blieben noch offen.
Die im Grunde sehr ähnlichen Bikes unterscheiden sich durch die Reifenwahl. Die Atlas GT mit 17-Zoll-Vorderrad und Gussfelgen platziert sich als Crossover gegen Modelle wie die Kawasaki Versys 650. Sie verspricht eine moderate Sitzhöhe und gute Alltags- sowie Touring-Eigenschaften.
Die Norton Atlas ohne Namenszusatz kommt hingegen mit 19-Zoll-Vorderrad und Speichenrädern, was sie im immer größer werdenden Segment der leichten Adventurebikes verortet.
Beide Modelle werden äußerst gut ausgestattet sein, unter anderem mit 8-Zoll-TFT-Touchscreen, Tempomat, Heizgriffen und Heizsitzen, Keyless-Systemen. Auch ein umfassendes Elektronik-Assistenzpaket ist inkludiert, unter anderem mit Kurven-ABS und Schräglagen-Traktionskontrolle. Die Norton Atlas und Atlas GT sollen zu Jahresmitte 2026 am Markt eingeführt werden.
Die Preise für all diese Modelle sollen bald nach der Eicma verkündet werden, hieß es bei einer Präsentation am Vorabend der Eicma-Eröffnung. Parallel wird ein Händlernetz in Deutschland hochgezogen, man rechnet mit einem guten Dutzend Partnern im ersten Jahr. Die Situation in Österreich ist derzeit noch offen.
		