
Yamaha TMAX Tech MAX TestWolf im Schafspelz
Waschechten Motorradfahrern fällt es mitunter schwer einzugestehen, dass unser geliebtes Zweirad im grauen Arbeitsalltag nicht das Gelbe vom Ei ist. Nutzt man das Gefährt auch werktags für die Fahrt zum Supermarkt, ins Büro oder zum Fitnesscenter, kommt man um üppige Bekofferung oder zumindest ein voluminöses Topcase nicht herum – sofern man am Ziel nicht den Helm unterm Arm, die Lederjacke über der Schulter, die Sporttasche in der Hand und den kleinen Einkauf zwischen den Zähnen tragen will.
Wie man es auch dreht und wendet, für den urbanen Lastentransport kann praktischen Rollern kaum ein anderes Verkehrsmittel das Wasser reichen: Dank kompakter Maße wieseln Scooteristi flink durch träge Blechkolonnen und verstauen am Zwischenstopp angekommen Schutzausrüstung und sonstige Accessoires elegant unter der Sitzbank. Obendrein erfreuen Roller durch bescheidene Verbrauchswerte, Automatikgetriebe, effizienten Wetterschutz und bequemes Aufsteigen ohne Flanke über die Sitzbank. Nüchtern betrachtet sind durchschnittliche Roller höchstens in zwei Punkten dem Motorrad unterlegen: Coolnessfaktor und Fahrspaß.
Seit mittlerweile 19 Jahren bestätigt der TMAX von Yamaha als kurzweilige Ausnahme diese Regel: 275.000 Stück wurden seither trotz des stattlichen Anschaffungspreises alleine in Europa verkauft – die meisten davon in Italien und Frankreich, wo der TMAX längst zum coolen Kultobjekt avanciert ist. Mit der siebten Generation spendiert Yamaha dem Luxus-Roller nicht nur ein Facelift, sondern auch ein Euro-5-homologiertes Motor-Update. Daraus resultieren nun 32 Kubik, 2 PS und knapp 3 Newtonmeter mehr als beim Vormodell. Mit einer Spitzenleistung von 48 PS dürfte der TMAX damit das Ende der Fahnenstange erreicht haben, sonst droht der Verlust von A2-Kundschaft.
Neben der Basisversion um 12.799 Euro, unter anderem ausgestattet mit Traktionskontrolle, zwei Fahrmodi (Sport, Tour), Keyless-Go und blockierbarem Hauptständer, offerieren die Japaner auch die 1800 Euro teurere Edel-Version „Tech Max“. Sie verfügt zusätzlich über zehnstufig justierbare Griff- und Sitzheizung, einen Tempomaten, ein manuell justierbares Federbein, Smartphone-Anbindung und einen um 135 Millimeter elektrisch verstellbaren Windschild. Kurzgefasst: der TMAX 560 Tech MAX bietet maximale Ausstattung für einen ordentlichen Batzen Geld und will damit seinen Thron im Segment der Luxus-Roller gegen BMW C 650, Honda X-ADV, Suzuki Burgman 650 und Co. verteidigen. Grund genug für das Motorradmagazin ein Exemplar des kultigen Maxi-Scooters eine Saison im Redaktionsalltag auf Herz und Nieren zu prüfen.
Hand aufs Herz: schon während der ersten 500 Testkilometer konnten wir der Versuchung nicht widerstehen nichtsahnende Motorradfahrer auf den kurvenreichen Feierabend-Strecken rund um Wien zu düpieren: Trotz des nachgeschärften Design wirkt der TMAX nämlich vergleichsweise unschuldig, fährt sich dank potentem Antrieb und hochwertigem Alu-Chassis jedoch souveräner als so manch vergleichbares Motorrad. Mit stattlichen 1575 Millimetern Radstand, 220 Kilo vollgetankt und 800 Millimetern Sitzhöhe ist der Edel-Roller auch sonst in jeder Hinsicht ausgewachsen.
Das fein gedämpfte, straffe Fahrwerk mit rund 12 Zentimetern Federweg trifft den Kompromiss zwischen Komfort und Sportlichkeit goldrichtig. Die 15-Zoll-Räder des TMAX bügeln in Schräglage satt über sämtliche Bodenunebenheiten. Höchstens das metallische Schraddeln des Hauptständers am Asphalt mahnt bei allzu motiviertem Kurven-Halali zur Mäßigung, während die Bremszangen noch lange nicht am Limit sind. Sie beeindrucken mit einwandfreier Dosierbarkeit und Bisskraft und stechen aus der sonst eher durchschnittlichen Roller-Ware glanzvoll heraus. Etwas weniger spektakulär, dennoch aber sogar im Sozius-Betrieb als ausreichend erweist sich der Vortrieb des vibrationsfreien Paralleltwins: er hängt seidig und völlig lastwechselfrei am Gas und beschleunigt selbst aus dem Drehzahlkeller durchzugsstark und klaglos.
Unser erster Eindruck bekräftigt jedenfalls die Hypothese, dass Fahrspaß und Dynamik im breiten Sattel des TMAX 560 nicht zu kurz kommen dürften. Das Scooter-Flaggschiff von Yamaha will mehr sein als nur ein schnöder „Alltags-Commuter“, wegen seiner überdurchschnittlichen Performance positioniert sich der TMAX als adäquater Motorrad-Ersatz selbst für ausgedehnte Touren. Ob vor lauter Fokus auf Sportlichkeit die eigentliche Kernkompetenz eines Maxi-Scooters auf der Strecke geblieben ist, klären wir in Kürze: Wie praktisch ist der TMAX in der City? Wieviel schluckt das Staufach? Was taugt die Elektronik-Ausstattung? Alle Antworten hier im Laufe der Saison.