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Brixton Crossfire 500Welcome X
Im November 2018 staunten wir auf der EICMA über zwei Studien mit dem Namen „BX 500“, die mit beeindruckend brachialer Optik – und noch 130er-Vorderreifen – den nächsten Hubraum-Wachstumsschritt der Lifestyle-Marke Brixton markieren sollten. Ein Jahr darauf saßen wir auf Vorserienmodellen, die bereits als Crossfire 500 und Crossfire 500 X angepriesen wurden; und im Mai 2020 kam die Sache erstmals ins Rollen, nachdem die internationale Fahrpräsentation im März aus bekannten Umständen abgesagt werden musste. Importeur KSR gewährte uns noch vor dem offiziellen Launch eine kurze Testfahrt, die uns unter anderem zum Kremser Container-Terminal führte, ein Umfeld, das optisch nicht besser zum Industrial-Look der Brixton hätte passen können.
Klare Kanten, funktionale Formen: Die Crossfire („Kreuzfeuer“) verwehrt sich klassischer, eleganter Bildsprache und bedient sich am harten Jargon dystopischer bis postapokalyptischer Resteverwertung, wo Schönheit und Romantik dem zweckgebundenen Überlebenskampf weichen müssen. Wie aus einem alten Stück Blech gehauen wirkt der Tank, der wie zahlreiche andere Elemente am Motorrad ein X symbolisiert. Eine stilisierte Windrose findet sich schließlich auch im Logo von Brixton. Mit der umfangreichen Auszeichnung, beispielsweise im Scheinwerfer mit leuchtendem Schriftzug oder einem X in den Fußrastergummis, beweist man zudem Eigenständigkeit und Liebe zum Detail. Und dann ist da noch die „X“-Version der Crossfire, die mit Pirelli MT 60 RS bereift ist und noch stärker das Scrambler-Thema verkörpert als das etwas elegantere Schwestermodell. Letzteres entführten wir also bei einer Stimmung wie nach einem Atomkrieg ins Industrieviertel an der Donau und fühlten uns wie Überlebende auf der Suche nach den letzten Resten der Menschheit, die eine neue Weltordnung herstellen würden.
So wie die Zeit, so auch das Motorrad: spartanisch, hart und direkt. Die gerade Sitzbank offeriert dem Nutzer kaum Komfort, dafür aber genügend Bewegungsfreiheit, um jeder Körpergröße die entsprechende Position anbieten zu können. Großgewachsene werden dennoch irgendwann ans ergonomische Limit geraten, weil es einfach seltsam aussieht und es sich nicht mehr so gut lenkt, wenn die Knie den Tank überragen. Auch zu zweit könnte es knapp werden auf dem kurz und schlank geschnittenen Motorrad – man bleibt gern solo. Mit tiefem Sitz, kurzem Radstand und niedrigem Gewicht schafft es die Crossfire auf Anhieb in die oberste Kaste der coolsten Einsteiger-Bikes. Das Bike macht wieder einmal deutlich, welchen Unterschied ein paar hundert Deka weniger ausmachen. Nur 190 Kilo bringt das Leichtgewicht fahrfertig auf die Waage, was für ein spielerisches Handling sorgt, beim Fahren wie auch beim Rangieren am Parkplatz.
Beim Beschleunigen ist der Großteil der sechs Gänge schnell durchgeschaltet, was gern etwas sauberer geschehen könnte. Auch die Suche nach dem Leerlauf gestaltete sich mitunter als etwas langwierig. Mit dem 48 PS starken Reihenzweier nimmt man aber schnell das Tempo des Verkehrs – auch auf der Autobahn – auf, verschafft sich überdies durch das ernste Erscheinungsbild und einen satten Sound Respekt und muss nicht ums Überleben kämpfen wie mit einer 125er. Mit den neuen Tiroler Fahrverboten (nachzulesen im Editorial) dürfte man mit der Crossfire allerdings nur mehr in einem Teil des Bundeslandes fahren: Im Zulassungsschein sind 96 dB Standgeräusch eingetragen.
Während man hinter der Wahl von J.Juan-Bremsen mit hydraulischem Bremszylinder und ordentlicher Verzögerung noch eine Sparmaßnahme vermuten könnte, setzt Brixton bei anderen Komponenten konsequent auf bekannte Marken- und Qualitätsware: Das ABS liefert Bosch, das Fahrwerk mit Upside-down-Gabel kommt von Kayaba und die Reifen steuert Pirelli bei. Dazu gibt’s LED-Lichttechnik, Miniblinker, Kreuzspeichenfelgen, einen attraktiven Tankdeckel, gelochte Alu-Schutzbleche an Kühler und Auspuff sowie eine wahlweise an der Schwinge oder am Heck montierbare Kennzeichenhalterung. Ein ordentliches Paket, das sich mit der sogar günstigeren Konkurrenz von Husqvarna messen kann. Vitpilen und Svartpilen 401 bieten ihrerseits viel Motorrad für überschaubares Geld und setzen ebenfalls auf eine harte Schale mit dynamischem Kern.
Ohne einen Fernvergleich anstellen zu wollen: Die 401-Huskys (6199 Euro in Österreich) sind zwar am Datenblatt um vier PS schwächer, aber deutlich leichter als die Brixtons (ab 6499 Euro in Österreich; 5848 Euro in Deutschland) – und wheelen auch besser. In dieser Szene ein nicht zu vernachlässigendes Kriterium. Ein direkter Vergleich wird zeigen, welches Duo tatsächlich am besten zum Überleben in der Endzeit taugt. Die Crossfires werden Brixton auf jeden Fall mehr Prestige und Ernsthaftigkeit verleihen und setzen den nächsten Schritt auf dem Weg zu Big-Naked-Bikes – denn das nächste Konzept steht schon in den Startlöchern.