
Matthias Walkners Vorschau: Dakar 2021Härter, technischer, spannender
Wie die Zeit vergeht: Matthias Walkner, erster und einziger österreichischer Dakar-Sieger aller Zeiten, fiebert derzeit schon seinem siebenten Einsatz bei der prestigeträchtigsten Marathon-Rallye der Welt entgegen. Heute gab der Champ eine Pressekonferenz – online, versteht sich. Jedes Risiko auf eine Infektion soll ausgeschlossen werden, schließlich würde eine Ansteckung zur Unzeit ein ganzes Jahr Training und Vorbereitung zunichte machen.
Stichwort Corona: Wie soll die Sicherheit während der Rallye gewährleistet werden? Die Veranstalter planen, eine ähnliche Blase zu errichten wie bei anderen großen Sportevents (MotoGP ...). Walkner muss daher einen dreifachen Corona-Test durchlaufen. Ein aktueller Test berechtigt ihn zur Einreise nach Saudi-Arabien, ein zweiter wird direkt bei der Einreise gemacht. Danach müssen alle Athleten in eine dreitägige Quarantäne. Wenn alles okay ist, wird ein dritter Test gemacht, erst danach darf man in den Biwak, den danach kein Teilnehmer oder Teammitglied nicht mehr verlassen darf – für die Dauer der Rallye.
Jetzt aber zum Sportlichen: Walkner erzählt, dass er sich extrem gut vorbereitet fühlt und zuversichtlich ist. „Ich freue mich schon, wenn’s losgeht“, erzählt er erkennbar gut gelaunt. Damit geht er mit weitaus besseren Voraussetzungen in die Rallye als vor einem Jahr. Damals hatte er aufgrund seiner Knöchelverletzung aus der 2019er-Dakar einen markanten Trainingsrückstand als Handicap mitgenommen.
Trainiert hat Walkner fleißig – zuhause mit der Hardenduro unter anderem in Steinbrüchen (und mit Spezi Marcel Hirscher), zuletzt war er ein Monat am Stück in Dubai, wo er sich gemeinsam mit seinen Teamkollegen emsig und zielgerichtet vorbereitet hat. „Ich kann mich kaum erinnern, dass ich jemals so gerne einen ganzen Monat von daheim weg war“, lacht Hiasi. „Der Grund war die enorme Qualität des Trainings. Ich bin auf gut 20 Fahrtage gekommen, wo wir viele verschiedene Szenarien durchgespielt haben. Unter anderem auch richtige Rennsimulationen mit den Teamkollegen – und alles vor der spektakulären und abwechsungsreichen Kulisse außerhalb von Dubai, ein Traum. Da haben wir alle merkliche Fortschritte erzielt, es war ein echtes Intensivprogramm.“
Zu den vielen Neuigkeiten der Dakar 2021 – dazu kommen wir noch – zählt auch eine Veränderung innerhalb des KTM Red Bull Factory Racing Teams. Luciano Benavides ist zu Husqvarna abgewandert, er wurde durch Daniel Sanders ersetzt. Der erst 26-jährige Australier (zuletzt australischer Offroad Champion und ISDE-Gewinner) scheint sich sofort akklimatisiert zu haben und wird vom erfahrenen Matthias Walkner als „Wahnsinniger“ beschrieben, dem er schon den Spitznamen „The Jumper“ verliehen hat. „Er ist ziemlich schmerzbefreit, aber ein geschickter Bursche.“
Zur bevorstehenden Dakar 2021 meint Walkner, dass ohnehin jedes Jahr alles neu sei. Immerhin wisse man aber nun über ein paar Eigenheiten von Saudi-Arabien besser Bescheid, zum Beispiel, dass es im Norden des Landes ziemlich kalt werden könne: „Wenn du bei minus 4 Grad um 4 Uhr in der Früh im Dunklen wegfährst und auch noch dem Fahrtwind ausgesetzt bist, dann wartest du schon sehnlichst, bis die Sonne aufgeht und dich ein bissl erwärmt.“
Die weiteren Neuigkeiten kommen hauptsächlich über das Reglement (siehe auch unten). So müssen nun alle Piloten eine Airbag-Weste tragen, was Matthias Walkner positiv bewertet. „Allerdings besteht noch Luft nach oben was die Bewegungsfreiheit und die Belüftung betrifft“, meint er – etwas, woran man bis zur übernächsten Dakar arbeiten werde. Eine weitere wichtige Änderung betrifft das Reifenkontingent: Haben die Profis bislang jeden Tag neue Reifen aufgezogen, so sind die Hinterreifen nun auf sechs Stück für die gesamte Distanz limitiert. Außerdem muss man sich vor dem Rennen für ein Reifenmodell entscheiden, das man dann auf jedem Terrain verwenden muss. Damit will man – gemeinsam mit anderen Maßnahmen – das im Vorjahr extrem hohe Duchschnittstempo etwas drosseln. „Ich glaube trotzdem nicht, dass das damit im großen Stil gelingen wird“, meint Walkner. Trotzdem sei das Reifen-Management nun eine Herausforderung, weniger im sandigen Geläuf, aber auf härteren Pisten oder gar auf steinigen, felsigen Abschnitten. Man werde man sehen, wie sich diese Kontingentierung auswirkt.
Ebenfalls neu: Die Roadbooks werden erst 20 Minuten vor dem Start verteilt. Auch da ist Walkner skeptisch. „In den vergangenen Jahren haben wir bei der Analyse der Roadbooks immer wieder Fehler von den Verfassern entdeckt. Das wird nun nicht mehr möglich sein, wir sind den Roadbooks ganz und gar ausgeliefert.“ Wenn die Anweisungen korrekt sind, dann ergibt sich aber auch ein Vorteil: „Man erspart sich am Abend zuvor gut und gerne drei Stunden Arbeit mit den Roadbooks – die Zeit kann man nun für Regeneration nutzen.“
Womit Walkner auf jeden Fall rechnet: dass die Routenführung und damit auch die Navigation komplexer wird – das probateste Mittel, um die Schnittgeschwindigkeit in den Sonderprüfungen zu drücken. „Im vergangenen Jahr sind wir zum Teil zwischen 110 und 120 km/h Schnitt gefahren – und das off-piste. Da ist jedem klar, was passiert, wenn du etwas übersiehst – was bei den Marathondistanzen leicht passieren kann.“
Das Ziel für die Dakar 2021 ist jedenfall klar gesteckt: KTM will die Siegestrophäe wieder nach Mattighofen holen, nachdem man sie bei der letzten Auflage nach 18 Siegen in Folge erstmals Honda überlassen musste. Walkners persönliches Ziel: „Ganz klar ein Podestplatz, dafür trainiere ich. Ich denke, ich gehöre nach wie vor zu den zehn, zwölf Fahrern, die das Rennen auch gewinnen können.“
Leicht wird die Mission nicht, war sie aber auch nie. Neben der Konkurrenz im eigenen Team gibt es auch ein erstarktes Schwesterteam: das Rockstar Energy Husqvarna Factory Racing Team. Neben dem Chilenen Pablo Quintanilla (im Vorjahr Zweiter) kam wie schon erwähnt Luciano Benavides aus dem KTM-Werksteam (im Vorjahr Sechster). Dazu engagierte man Xavier de Soultrait, der in den vergangenen Jahren oft mit Spitzenzeiten auf Yamaha aufhorchen ließ. Und dann gibt’s natürlich noch die Titelverteidiger in Rot: das Monster Energy Honda Team, das mit Ricky Brabec 2020 nicht nur gewinnen konnte, sondern auch eine tolle Teamleistung zeigte. Jose Ignacio Cornejo wurde Vierter, Joan Barreda Siebenter. Sie beide sind genauso mit dabei wie Kevin Benavides, um den Titel wieder für Honda zu sichern. Dem Yamaha-Team (mit Franco Caimi, Andrew Short, Adrian van Beveren) sind wohl eher nur Außenseiterchancen zu geben, ebenso den erfahrenen Privatiers wie dem Slowaken Stefan Svitko. Die Mädelswertung wird Laia Sanz diesmal auf GasGas in Angriff nehmen.
Wie sehen die nächsten Tage aus? Matthias Walkner wird noch die letzten Taschen packen, ein bissl trainieren, dann den Corona-Test vornehmen lassen und am 26. Dezember ins Flugzeug steigen, bevor es am 2. Jänner mit dem Prolog losgeht. Alles Gute, Hiasi – wir halten wieder fest beide Daumen!
Matthias Walkners Dakar-Bilanz:
2015: Debüt, erster Etappensieg, Hiasi musste aber mit Magenproblemen aufgeben.
2016: Horrorcrash mit Oberschenkelbruchauf auf der siebenten Etappe; Hiasi lag zum Zeitpunkt des Ausfalls am dritten Gesamtrang
2017: Erstes Podium, Matthias Walkner wird Gesamt-Zweiter!
2018: Der Salzburger schreibt Geschichte und gewinnt die Dakar!
2019: Knöchelbruch, trotzdem fährt Hiasi weiter und wird Gesamt-Zweiter!
2020: Erste Dakar in Saudi-Arabien, Platz 5.
Dakar 2021: Die Fakten
Location: Saudi-Arabien
Zeitplan:
1./2. Jänner 2021: Technische Abnahme/Jeddah
2. Jänner: Prolog und Start-Podium
3. Jänner: Start in Jeddah/Saudi Arabien
9. Jänner: Freier Tag in Ha’il
15. Jänner: Zielankunft in Jeddah
Streckenlänge:
Teil 1: 4041 km, davon 2389 km Sonderprüfung
Teil 2: 3617 km, davon 2389 km Sonderprüfung
Gesamt: 7658 km, davon 4778 auf Zeit
2021 wird es nur eine Marathon-Sektion geben – die beiden Sonderprüfungen 7 & 8 direkt nach dem Rasttag am 10./11. Jänner. In der Nacht dazwischen dürfen nur die Fahrer selbst an den Motorrädern arbeiten, keine Mechaniker. Die beiden Etappen umfassen 1446 km, davon 846 auf Zeit.
Neue Regeln Dakar 2021 (Auszug):
• Airbag-Westen sind nun verpflichtend.
• Das Roadbook wird erst 20 Minuten vor dem Start ausgegeben.
• Das Reifencontingent ist auf sechs Hinterreifen für die gesamte Rallye beschränkt.
• Arbeiten bei Tankstopps (auch von Fahrern selbst) sind verboten.
• Für Motorentausch gab es bislang schon Penalties. Nun wird auch der Tausch des Pleuels limitiert. Ein Austausch ist gestattet, ab dem zweiten Tausch gibt’s eine Zeitstrafe.