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Clemens Kopecky
Autor: Mag. (FH) Clemens Kopecky
clemens.kopecky@motorrad-magazin.at
13.4.2021

Kawasaki Ninja 1000SXDauertest-Fazit

Nehmen wir uns anlässlich des Jahres-Resümees des Kawasaki-Sporttourers kein Blatt vor den Mund: Gegenüber kaum einem anderen Dauertest-Fahrzeug war die Erwartungshaltung in unserer Redaktion so niedrig - schließlich ist das Vorgänger-Modell Z1000 SX bereits seit 2011 altbekannt. Dass Kawasaki das Langstrecken-Modell Anfang 2020 nun upgedatet, umgetauft und der supersportlichen „Ninja“-Familie zugeordnet hat, versetzt abgebrühte Motorrad-Journalisten also noch lange nicht in spontane Euphorie.

Der Saisonbericht über Kawasakis Ninja 1000SX könnte dennoch ganz unter dem Motto „unverhofft kommt oft“ stehen. Denn unser reinweißer Dauertester überrascht auf ganzer Linie und entflammt schon nach wenigen Kilometern bei ausnahmslos allen Testpiloten große Emotionen – die Touren-Ninja mausert sich plötzlich zum Liebling der gesamten Redaktion. Die allgemeine Begeisterung kumuliert schlussendlich am Großglockner beim Vergleichstest mit BMW S 1000 XR und KTM 1290 Super Duke GT. Hier gelingt der scharf gestylten Ninja 1000SX die Gratwanderung zwischen Fahrdynamik und Reisekomfort am besten. Sie sichert sich klar den Testsieg – gegen den auch eiskalte Rechner unterm Strich keine Einwände haben, denn um wohlfeile 15.599 Euro ist die Ninja mit großem Abstand das günstigste Offert im Vergleich. 

Was genau ist also der Grund für die außergewöhnliche Begeisterung all jener, die mit breitem Grinsen von einer Probefahrt zurückkehren? Ganz klar: ihre beinahe unwiderstehliche Aura verdankt die Ninja 1000 SX großteils dem imposanten Antrieb. Nahezu gang- und drehzahlunabhängig stellt der bärige Breitband-Vierzylinder cremigen Vortrieb bereit. Obendrein brilliert das vibrationsarme 1043-Kubik-Reihentriebwerk mit allerfeinsten Manieren: Kultiviert beschleunigt die Kawasaki selbst aus engsten Kehren schüttelfrei und elastisch im dritten Gang, wo Piloten anderer Sporttourer besser zwei Mal mehr zurückschalten. Schade eigentlich, denn auch der Kawa-Schaltassistent funktioniert in beide Richtungen hervorragend (wenn auch nicht besonders flink) und passt genau zum feinen Auftritt des fabulösen Triebwerks. 

Weil die lastwechselfreie Kawasaki untenrum muskulös wie ein Stier anschiebt und in der oberen Drehzahlhälfte erquicklich dahingaloppiert, verleitet sie ganz automatisch zu schaltfauler und damit überdurchschnittlich entspannter Fahrweise. Das relativiert auch die nicht allzu spektakuläre Leistungsangabe am Datenblatt wortwörtlich im Handumdrehen: Souveräner und gleichzeitig stressfreier lassen sich 142 Pferdestärken und 111 Newtonmeter Drehmoment kaum in Vortrieb umsetzen. Theorie und Praxis sind nunmal zwei Paar Schuhe, denn trotz scheinbar übermächtiger Leistungsdaten muss die Sporttourer-Konkurrenz auf Alpenstraßen die durchzugsstarke Ninja 1000SX mangels Schub bei niedrigen und mittleren Drehzahlen gnadenlos ziehen lassen. 

Zu guter Letzt gipfelt die SX-Kultiviertheit im moderaten Verbrauch von rund fünf Litern (für bis zu 380 Kilometer Reichweite) und im absolut sozialverträglichem Sound (Standgeräusch 90 dBA): keine Spur von nervigem Vierzylinder-Gekreische, dennoch lässt die dumpfe Ninja-Akustik kein Charisma vermissen. 

Mit 235 Kilo ist die SX zwar kein ausgesprochenes Leichtgewicht, auf das agile Handling wirkt sich das allerdings nicht negativ aus. Egal ob im Hang-Off, wie eine Supermotard in Schräglage gedrückt oder mit minimalem Körpereinsatz – sie lässt sich neutral in allerlei Radien dirigieren, wechselt widerstandslos die Richtung und verzögert souverän. Dabei fallen die Rückmeldungen des fein ansprechenden Fahrwerks trotz des bequem aufgepolsterten Sattels erstaunlich transparent aus. Während beim Ansprechverhalten im Solo-Betrieb ein vorbildlicher Kompromiss zwischen Straffheit und Komfort gelingt, animiert die Maximalbeladung mit Sozia und Gepäck das SX-Heck zum sanften Pumpen. Ein Handicap, das sich dank des praktischem Handrads für die Federbein-Vorspannung unkompliziert neutralisieren lässt – ein elektronisch justierbares Fahrwerk vermisst man an der Ninja 1000SX daher nicht, zumal es dem derzeit äußerst fairen Anschaffungspreis durchaus schaden könnte.

Trotz fahraktiver und spürbar ins Fahrzeug integrierter Sitzposition lassen sich dank moderater Lenkerhöhe und passablem Kniewinkels selbst stundenlange, eintönige Autobahn-Etappen völlig unangestrengt abspulen. Neben den tadellosen Seitenkoffern (rund 760 Euro) mit insgesamt 56 Liter Volumen haben wir im Rahmen des Dauertests auch die nur 24 Millimeter höhere Touren-Scheibe aus dem Kawasaki-Zubehörprogramm nachgerüstet. Um 162 Euro reduziert das stärker bombierte, breitere Plexiglas im Vergleich zum kurzen Standard-Windschild den Winddruck am Oberkörper deutlich. Höchstens ein Teil des Helms liegt aerodynamisch im Luftstrom. Nur die Winkelverstellung während der Fahrt erweist sich wegen der beidhändigen Bedienung als nicht ganz ideal, hier bleibt jedenfalls Potenzial für Optimierungen. Auch die zirka 95 Euro für die Anschaffung der optionalen, aber allzu Stauraum-reduzierenden Kawasaki-Innentaschen wären in der Rückschau besser in die Nachrüstung einer 12-Volt-Steckdose im Cockpit investiert gewesen. Während sich die zentrale GPS-Halterung (ab 70 Euro) über dem Lenkkopf für die Montage von TomTom Rider 550 und Elebest W5 nämlich bestens bewährt hat, musste für die Navi-Energieversorgung ein Stromkabel umständlich zur Fahrzeugbatterie unter dem Fahrersitz verlegt werden. 

Ab Werk ist die Ninja 1000SX mit Quickshifter, Tempomat, Kurven-ABS, einer dreistufigen, schräglagenabhängigen Traktionskontrolle und zwei Power-Modi ausgerüstet. Hand aufs Herz: High-Tech-Extras wie Kurvenlicht, automatische Blinkerrückstellung, Berganfahrhilfe oder Keyless-Go haben wir während der ganzen Saison keine Sekunde ernsthaft vermisst, obwohl sie die Möglichkeiten für akademischen Spielereien zweifellos erweitert hätten. Immerhin punktet das (vergleichsweise kleine) 4,3-Zoll-Farbdisplay mit guter Lesbarkeit und informiert sogar über maximale Schräglage und Bremskraft. Kritik einstecken müssen dagegen die wenig intuitive Menüführung und die Smartphone-Konnektivität via kostenfreier „Rideology“-App, deren Funktionsumfang trotz Touren-Aufzeichnung und interessantem Data-Recordings (zum Beispiel Drehzahl, Tempo, Gang, Kühlwasser-Temperatur, Beschleunigung, Gasstellung, Bremsdruck) weiter ausbaufähig bleibt. Egal, schließlich ist das Datensammeln ohnehin nicht höchste Priorität eines Motorrad-Reisenden. Die durchaus praktische Anzeige von eingehenden Anrufen und Nachrichten am Cockpitinstrument ist in der von uns getesteten Rideology-Version 10.7 zwar theoretisch verfügbar, konnte jedoch weder über Apple- noch über Android-Smartphone erfolgreich aktiviert werden.

Während der insgesamt fast 10.000 Dauertest-Kilometer sind wir der Bridgestone S22 Bereifung treu geblieben, auf der die Ninja 1000SX bereits in Japan aus der Produktionsstraße rollt. Zwei Vorder- und drei Hinterreifen opferten wir dem intensiven Testbetrieb, ein Markenwechsel stand wegen der exzellenten S22-Performance nicht zur Debatte: allzu gut harmonierte der Bridgestone mit der Ninja 1000SX und vermittelte bei Nässe und Trockenheit stets souverän das Gefühl von Sicherheit – eine subjektive Erfahrung, die sich beim aufwendigen Messprozedere im Rahmen des Motorradmagazin-Sportreifentest 2020 (Ausgabe 6/2020) eindrucksvoll belegen ließ.

Nach einer intensiven Testsaison können wir guten Gewissens feststellen: Den Ritterschlag in die legendäre Ninja-Runde hat Kawasakis 1000SX unterm Strich zweifellos verdient. Jeder Versuch dem japanischen Sporttourer gravierende Schwächen anzukreiden, darf getrost als Erbsenzählerei abgetan werden. Tatsächlich kann die Ninja 1000SX noch viel mehr, als man ihr beim Blick auf das Preisetikett zutrauen würde. während es hinter dem Lenker erstaunlich kommod und langstreckentauglich zugeht, mimt der aggressive Auftritt samt potenter Leistungsdaten gelungen ein reinrassiges Sportbike. Egal ob reisen oder rasen, diese Kawasaki beherrscht alle Gangarten – und ruft eindrucksvoll in Erinnerung, dass die vom Aussterben bedrohten Sporttourer nicht selten die bessere Alternative zu trendigen Reiseenduros sein können.

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