
BMW K 1600 GTL 2022 TestSechs in einer Reihe
BMW gehört zu jenen Marken, die nicht bereit sind, für bessere Emissionswerte Leistungseinbußen in Kauf zu nehmen. So führte die jüngste Anpassung des bayrischen Reihensechszylinders an die EURO-5-Norm zu einem nicht unwesentlichen Kraftanstieg. Die Spitzenleistung von 160 PS bleibt zwar gleich, wird aber schon bei einer Drehzahl von 6750 U/min. erreicht, das sind um 1000 U/min. drüher als zuvor. Das maximale Drehmoment hingegen gipfelt nach wie vor bei 5250 U/min., beträgt jetzt aber 180 statt 175 Newtonmeter. Das ist mehr, als ein 1923 Kubik großer Harley-V2 generiert.
BMW ist auch nicht bereit, zu akzeptieren, dass man auf irgendeinem Motorrad bequemer und souveräner reist, als auf einer K1600. Deshalb kommt bei allen vier Modellen das Dynamic ESA mit automatischem Fahrlagenausgleich zum Einsatz, das sich an jeden Beladungszustand anpasst. Neu im Serienumfang sind außerdem die Motor-Schleppmoment-Regelung, das aus der RT bekannte 10,25-Zoll-Display und ein Voll-LED-Scheinwerfer mit adaptivem Kurvenlicht.
Das Sechser-Quartett weist vor allem Unterschiede in Ergonomie, Ausstattung und Fahrwerkskonfiguration auf - dadurch ergeben sich auch Diskrepanzen in der Zuladung:
- K 1600 GT: 343 Kilogramm / Zuladung 197 Kilogramm / Sitzhöhe 810/830 Millimeter, Preis ab 30.700 Euro
- K 1600 GTL: 358 Kilogramm / Zuladung 202 Kilogramm / Sitzhöhe 750 Millimeter / Preis ab 32.850 Euro
- K 1600 B: 344 Kilogramm / Zuladung 216 Kilogramm / Sitzhöhe 750 Millimeter / Preis ab 30.750 Euro
- K 1600 Grand America: 367 Kilogramm / Zuladung 193 Kilogramm / Sitzhöhe 750 Millimeter / Preis ab 34.761 Euro
Die Testfahrt mit mit den teutonischen Tourern fand diesmal in Malaga in stark eingedampfter Form statt. So konnten wir jeder nur ein Modell für ein paar Stunden fahren. Uns wurde eine GTL zugeteilt im Style Excklusive (854 Euro) und ausgestattet mit dem Komfortpaket (1967 Euro) und den Option-719-Schmiederädern (1896 Euro).
Wie oben zu sehen ist nur die GT mit einem höheren und verstellbaren Sitz ausgestattet, bei allen anderen liegt die Sitzhöhe bei gerademal 750 Millimeter. Bei einem Gewicht von 548 Kilogramm (insgesamt wären 560 kg Gesamtgewicht möglich) ist man froh über einen sicheren Stand, fühlt sich aber fast wie auf einem Cruiser. Die „Sitzbank hoch“ aus dem Zubehör bringt ein Plus von 30 Millimetern.
Der Inline-Six säuselt im typisch sonoren Sopran vor sich hin und manövriert den Reisedampfer ruhig und präzise aus der Hotelausfahrt. Die erste 90-Grad-Kurve wäre gemeistert und es war auch überhaupt nicht schwer. Nur dei Kupplung kommt etwas spät, wodurch man anfangs dazu neigt, das Gas zu weit aufzudrehen. Sogleich geht es kurz auf die Autobahn und der Windschild wird per Knopfdruck auf Vollmast gefahren. Und dann wird es still um den Helm. So still, dass wir beim ersten Stopp unsere Ohrenstöpsel entfernen, um noch etwas zu hören. Wir könnten uns jetzt auch mit Musik beschallen lassen, schließlich ist bei der GTL und der Grand America das Audiosystem 2.0 serienmäßig mit an Board. Wir genießen aber lieber die Ruhe.
Trotz glänzendem Windschutz zieht es uns um die Nieren und wir aktivieren die fünfstufige Sitzheizung: Stufe zwei ist gerade recht. Obwohl erst zwanzig Kilometer gefahren, packt einen sofort die Reiselust und man möchte am liebsten nach Gibraltar, nach Afrika, nach Feuerland. Und man merkt, dass man zuviel Sozius-Komfort und Stauraum mit sich herumführt, um alleine unterwegs zu sein.
Spielereien wie eine Unterbodenbeleuchtung sind verfügbar, während man auf den Abstandstempomaten verzichten muss. Ansonsten vermisst man aber nichts an der GTL, noch mehr Annehmlichkeiten und sie wäre ein Auto. Unterstützt vom Quickshifter präsentiert der Tourer auf der Landstraße seine Leistungsfähigkeit, dabei wird man von einem Teilintegral-ABS unterstützt; dennoch empfiehlt es sich, hinten aktiv mitzubremsen. Beim Einlenken ist weniger (Lenker-)Hebeleinsatz notwendig, als man vermuten würde, weshalb man das Motorrad immer wieder leicht aufrichten muss, um den Radius etwas aufzumachen. Denn wie der Boxer ist auch dieser Sechszylinder weit unten, weil extrem nach vorne gedreht, eingebaut.
Beim Reversieren ist man dankbar für die Rückfahrhilfe, für die hier nicht wie bei der R 18 ein Hebel umgelegt, sondern lediglich ein Knopf am linken Lenkerende gedrückt werden muss. Der Startermotor operiert auch etwas würdiger als jener in den Cruisern.
Vielleicht kann man noch ein klein wenig komfortabler mit einem Motorrad reisen (siehe Gold Wing), aber nicht in Verbindung mit dieser Performance. Nicht nur deshalb hätten sich die Vier ein wenig mehr Farbe verdient. Zur Auswahl stehen je eine Basisfarbvariante, eine Style-Variante und die Option 719. Vor Ort gezeigt wurde die Lackierung „Midnight" in „Meteoric Dust II metallic“, die im Wassertransferdruckverfahren eine Galaxie darstellen soll. Leider sieht das Ganze etwas billig aus. Dass BMW sich beim Thema Farben in letzter Zeit etwas aus seiner Komfortzone wagt, ist erfreulich, aber ab und an zeigt man sich noch nicht ganz geschmackssicher.
Wir würden daher speziell bei der GTL eher auf das gediegene „Gravity Blue metallic“ setzen, also genau jene Variante wählen, die wir gefahren sind. So verkörpert sie alles, was ein BMW Motorrad der Luxusklasse sein soll: Edel, souverän, sportlich.