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Royal Enfield Himalayan 2021 TestAm Himalaythagebirge
Text: Guido Gluschitsch
Das Alter hat eine ganze Reihe von Vorteilen. Es regt mich zum Beispiel überhaupt nicht mehr auf, wenn Radio Burgenland wieder einmal der einzige Sender ist, den ich rauschfrei über meinen Röhrenempfänger reinkriege. Netflix wird teurer? Berührt mich gar nicht. Nicht weil ich inzwischen so gstopft wäre – das Gegenteil ist der Fall. Aber ich find das Fernsehprogramm schon so schlimm, dass ich gar nicht wissen will, was es im Computer spielt. Die AGBs bei WhatsApp sind noch abstruser geworden? Ma wurscht. Wer mir schreiben will, wird mich auch anders derglängen. Ich hab das alles nicht.
Aber nein, ich bin nicht aus der Zeit gefallen. Ich muss nur nicht mehr alles mitmachen. Schneller, weiter, höher? Macht nur, macht nur. Ich hab das hinter mir. Uh, a neues Motorradl mit zwölfundreißzigtausend PS und einer Bremse, mit der du den Rechtsknick nach der Start-Ziel-Gerade trotzdem um drei Dackellängen später anbremsen kannst. Nix für mich. Ich bin froh, dass ich meine wilden Jahre überlebt habe. Jetzt steht die Genuss im Vordergrund, und nicht, dass ich morgen beim Wirten mit meinen neuen Rundenzeiten angeben kann.
Ja, der Wählscheibe habe ich inzwischen entsagt – danke für die galante Nachfrage – ich besitze ein Wischtelefon und weiß auch, wie man die App installiert, damit das kleine, runde Navi der Himalayan die Wegbeschreibung aus meinem Brusttaschl holen kann. Zeigen kann ich Ihnen das Teil aber trotzdem nicht, weil die gefahrene Himalayan eben ein supergeheimer Prototyp war, und da darf man nieeeee alles herzeigen. Aber Insidertipp für jene, die jetzt richtig neugierig geworden sind. Auf der Meteor 350 findet man die gleiche Navigationshilfe. Und die mag ich schon. Nicht, dass Sie glauben, ich könnte keine Karte mehr lesen, aber grad am Motorrad find ich es schon charmanter, wenn ich im Cockpit sehe, wo ich hinfahren, und nicht bei jeder Kreuzung die Straße mit einem Zettel auslegen muss.
Ich geh also schon auch mit der Zeit. So ist es dann auch wieder nicht. Aber ich mag eben das stressfreie Fahren, zu dem einen die Himalayan auf den 21 und 17 Zoll großen Drahtspeichenfelgen verführen will. Ich mag Rundinstrumente und ich bin nicht harp, wenn ein Motorrad vorne nur eine Bremsscheibe hat. Dafür freu ich mich über Reifen, die so viel Profil haben, dass ich auf der nassen Wiese auch ohne Stützradl fahren kann.
Obwohl, die Sturzbügel – die schauen jetzt, wie auch der Packlträger etwas anders aus – und die mächtigen Koffer halten den einen oder anderen Umfaller schon aus, bin ich mir sicher. Fahrtechnik-Experten sind sich übrigens darin einig, dass eine solche Ausrüstung auf einem Motorrad, das von mir bewegt wird, eine gute Idee ist. Keine Ahnung woher das kommt.
Aber vielleicht kommt das von denen, die wissen, dass ich am Fuße des Himalaythagebirge wohne und mich der Berg recht reizt. Dort bin ich bis jetzt allerdings nur mit dem Rad im Wald gelegen, weil das Motorradfahren dort zwar reizvoll wäre, aber wie so oft, nur den Jägern vorbehalten ist. Und bevor Sie jetzt lächeln, das Leithagebirge mit seinem 484 Meter hohen Sonnenberg gering schätzen. Nein, nein, das Gebirgsmassiv hat es schon in sich. Nicht einmal der Jessner hat sich noch hier rauf getraut. Vermutlich ist seine Sauerstoffausrüstung beim Service. Aber mit der Himalayan würd es auch er schaffen.
Sogar noch wildere Expeditionen gehen sich mit dem Eisen aus. Die Durchquerung diverser Wasserlacken etwa. Hab ich getestet. Das muss man sich erst einmal trauen. Sicher, als ein Junger ist das kein Auftrag, aber in meinem Alter, wenn man da mit kaltem Wasser in Kontakt kommt, kann das richtig gefährlich werden. Wer einmal eine Männergrippe mit 37,2 Grad Fieber oder einen eingerissenen Fingernagel hatte, weiß wovon ich rede. Das Alter hat eben nicht nur Vorteile.
Da hab ich viel mehr a Freud, wenn ich wieder einmal als Erster auf einem neuen Motorrad sitzen darf. Wie grad vor ein paar Tagen auf der Royal Enfield Himalayan. Eine robuste Einzylinder-Maschin mit an Alzerl mehr als 400 Kubikzentimeter und nicht einmal 30 PS. Früher hätte ich für sowas nicht einmal einen Helm aufgesetzt – und das, obwohl ich schon damals wusste, dass meinem äußeren Auftritt alles zum Vorteil gereicht, was das Gesicht verdeckt und/oder mich unhörbar macht. Inzwischen sind 25 PS häuftig genug. Die derreit ich auch ohne Traktionskontrolle. Auch ein bisserl Old-School ist das Design der Himalayan. Gfallt mir inzwischen sehr.
Bei der neuen Himalayan muss man als jemand, der diesem Motorrad noch nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt hat, zwei Mal hinschauen, um die Veränderungen zu erkennen. Was man gar nicht sieht, sind die Modifikationen damit der Motor die Euro 5 schafft. Und das Haucherl weniger Leistung, die sie nun hat, fällt auch keinem auf. Aber das Licht schaut nun ein bisserl anders aus, das Windschild ebenfalls. Das Sitzbankerl ist neu und komfortabler. Das wichtigste aber ist die neue Turn-by-turn-Navigation. Ein digitales Rundinstrument, das seine Informationen via Bluetooth aus dem Smartphone holt.