MV Agusta LXP OrioliLuxus auf allen Wegen
Jetzt ist die Katze aus dem Sack – das erste Adventurebike von MV Agusta. Auch der Name ist nun fix: Aus „Lucky Explorer Concept“ – so hieß der Prototyp vor zwei Jahren – wurde ein neues Kürzel geboren: Bühne frei für die MV Agusta LXP Orioli.
Orioli? Die Jüngeren werden sich vielleicht nicht mehr erinnern: Der Italiener Edi Orioli gewann von Ende der Achtziger- bis Mitte der Neunzigerjahre vier Mal die Dakar Rallye; zwei Mal davon auf einer Cagiva Elefant, die seinerzeit im markanten Design des Hauptsponsors „Lucky Strike“ auftrat. Auf dieses Bike und ihr Design nimmt die neue MV Agusta LXP Bezug – wer also könnte als Testimonial besser geeignet sein als der Norditaliener?
Zu Beginn der Serie steht also gleich ein ganz besonders umfassend ausgestattetes Sondermodell, von dem 500 Stück aufgelegt werden. Seine Kennzeichen: Jedes Exemplar wurde von Edi Orioli am Tank vor dem Lenkkopf handsigniert, außerdem verfügen die LXP Orioli schon serienmäßig über Alu-Seitenkoffer, Schutzbügel, LED-Nebelscheinwerfer und extrem aufwendige Alu-Speichenräder mit CNC-gefrästen Speichenaufnahmen. Außerdem erhält jeder Käufer noch eine große Holzkiste mit einer Abdeckplane und einem legalen Termignoni-Titan-Schalldämpfer samt Carbon-Endkappe und Carbon-Hitzeschild.
So. Jetzt aber zum Bike selbst. Wie schon zuvor verkündet, debütiert in diesem Modell ein brandneuer Dreizylindermotor, der mit dem bisherigen 800er nur drei, vier Komponenten gemein hat. Er ist also von Grund auf neu und soll in Zukunft DER zentrale Motor bei MV Agusta werden und natürlich à la longue auch die Brutale, die Superveloce, die Dragster und die Turismo Veloce antreiben. Seine Eckdaten in der LXP Orioli: 931 Kubik, 124 PS bei 10.000 Umdrehungen, 102 Nm bei 7000 Umdrehungen.
Entwicklungschef Brian Gillen ist besonders stolz auf das angeblich klassenbeste, niedrigste Motorgewicht von nur 57 Kilo, die kompakten Abmessungen und die niedrige innere Reibung. Der Motor wurde für die LXP Orioli speziell auf eine flache, fette Drehmomentkurve abgestimmt, betont er. 85 Prozent des maximalen Drehmoments stehen schon bei 3000 Umdrehungen zur Verfügung. Umgekehrt bedeutet das natürlich: Für den Einsatz in den sportlicheren Modellen der Marke darf man mit deutlich mehr Leistung rechnen.
Eine Besonderheit ist die gegenläufig rotierende Kurbelwelle; ein Konzept, das man aus der MotoGP kennt und das beispielsweise schon von Ducati beim V4 eingesetzt wird. So wird die Wheelie-Neigung verringert, während die Handlichkeit beim Einlenken besser werden soll. Weitere technische Feinheit: ein Kassettengetriebe, wie es ebenfalls im Rennsport verwendet wird, um rasch die Untersetzungen wechseln zu können. Im Umfeld eines Adventurebikes wohl eine Fleißaufgabe der Entwickler.
Beim Fahrwerk setzt MV Agusta auf üppig dimensionierte Komponenten von Sachs: die 48er-USD-Gabel vorne und das Federbein hinten sind voll einstellbar, die Vorspannung hinten per Handrad. Die Federwege betragen jeweils üppige 210 Millimeter. Der Rahmen besteht interessanterweise aus einem Doppelschleifen-Stahlrohrrahmen, in den der Motor tragend integriert ist; Die Hilfsrahmen vorne und hinten (Stahl-Gitterrohr) sind angeschraubt. Die Schwinge wird aus Alu gefertigt.
Die langen Federwege bedingen natürlich auch eine entsprechende Sitzhöhe: Die zweifach verstellbare Sitzbank befindet sich auf 850/870 Millimeter.
Nur feinste Ware schließlich auch bei den Bremsen: Brembo Stylemas beißen vorne auf 320er-Scheiben, hinten wird eine 265er-Scheibe montiert.
Noch ein Wort zu den Reifen: MV Agusta hat die LXP Orioli mit zwei Adventurereifen von Bridgestone entwickelt. Für mehr Straßeneinsatz mit den universalen Battlax A41, für mehr Geländetauglichkeit mit Battlax Adventurecross AX41, die auch auf den Fotos aufgezogen sind.
Bleibt noch der Blick auf das Gewicht: Hier gibt MV Agusta 224 Kilo trocken an; hier dürften allerdings die Seitenkoffer schon mitgerechnet sein; ohne Seitenkoffer und mit Termignoni sollen es 220 Kilo sein, ebenfalls trocken. Mit zu 90% gefülltem 20-Liter-Tank liegen wir also auf jeden Fall bei rund 234 Kilo fahrfertig; ein Federgewicht ist die LXP Orioli also nicht gerade.
Nun zur Elektronik. Hier verspricht Brian Gillen das fortschrittlichste Serienmotorrad, das MV Agusta jemals auf die Räder gestellt hat. Und tatsächlich sind die Assistenzsysteme, die Ausstattungen und Connectivity-Funktionen beeindruckend.
• Sicherheitsassistenten. Schräglagenabhängige Traktionskontrolle und Kuven-ABS sind selbstverständlich an Bord. Die Traktionskontrolle kann man fünffach für die Straße, zweifach für Offroad und zusätzlich für Regen abstimmen. Das ABS lässt sich in einen Offroad-Modus versetzen oder für ambitionierte Fahrten gänzlich deaktivieren. Zusätzlich gibt es eine Front Lift Control, also einen Überschlagschutz bei starkem Beschleunigen. Wheelies sind weiterhin möglich.
• Elektronische Ausstattung. Das Bike verfügt über ein sieben Zoll großes TFT-Display, das über hinterleuchtete Bedienelemente am Lenker gesteuert wird. Serienmäßig sind außerdem ein Tempomat und eine Launch Control, außerdem ein Quickshifter der neuesten Generation, bei dem auch Hinaufschalten ohne Gasgeben bzw. ein Herunterschalten beim Gasgeben möglich sind.
• Fahrmodi. Es stehen drei programmierte Modi – Touring, Urban, Offroad – zur Verfügung sowie ein frei wählbarer Modus namens „Custom All Terrain“.
• Connectivity. Das Bike beherrscht die Verbindung via Bluetooth und Wifi; so können auch „Over the Air Updates“ (OTA) gemacht, also verbesserte Software, hinaufgeladen werden, ohne dafür zum Händler zu müssen. Perfekt soll das Zusammenspiel zwischen Bike und der kostenlosen MV Ride App am Smartphone funktionieren, inklusive Tourenplanung, Routenteilung, Fahrdatensammlung und vielem mehr. Ein Jahr ab Kauf ist auch die MV Green Box kostenlos, mit der das Bike getrackt werden kann, um es bei Diebstahl aufzufinden.
Die ersten Auslieferungen der neuen MV Agusta LXP Orioli sollen am Ende des ersten Quartals 2024 starten, realistisch also im April 2024. Die Preise sind noch nicht im Detail kalkuliert, man möge aber mit einer Größenordnung von rund 30.000 Euro in Märkten wie Deutschland oder Italien rechnen, heißt es. Damit würden wir in Österreich wohl in einem Bereich von rund 33.000 Euro liegen.
Sehr viel Holz natürlich, aber man bedenke einerseits die Rundum-Ausstattung des Sondermodells, inklusive Alu-Seitenkoffer und vielem mehr, andererseits die Exklusivität der kleinen Serie von nur 500 Stück.
Und dann steht ja noch immer die Frage im Raum, ob auf die Sonderserie noch ein normales Modell folgen wird. Dies wurde bei der Enthüllung nicht dezidiert bestätigt, auch wenn Entwicklungschef Brian Gillen meinte, dies wäre der erste Schritt in das für MV neue Adventuresegment, dem noch viele andere folgen würden. KTM-Boss Stefan Pierer, der ab 2026 auch bei MV Agusta das Sagen hat, meinte allerdings im Vorfeld, ein Adventurebike von MV brauche kein Mensch. Gut möglich also, dass man mit einer MV Agusta LXP Orioli eine zukünftige Rarität erwirbt.