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Erwischt: KTM 990 AdventureNeues Gesicht, mehr Power
Sie können mittlerweile getrost als wichtigstes Marktsegment Europas bezeichnet werden: Reiseenduros. In allen Formen und Größen, von der BMW R 1300 GS über Triumphs Tiger 900 bis hinab zur Honda CRF300 Rally. Sie sind in ihren Preissegmenten oft genug Bestseller und taugen, wie im Falle von Ducatis Multistrada V4 oder DesertX, oft auch als Imageträger.
Nicht so bei KTM 790 und 890 Adventure: Denn die im Jahr 2019 eingeführte 790 Adventure und deren Upgrade zur 890 Adventure nur zwei Jahre später kamen international weniger gut bei den Motorradfahrern an als man sich dies in Mattighofen erhofft hatte. Die Qualität und bemerkenswerten Fahreigenschaften an sich spricht den Modellen dabei kaum jemand ab. Eine Ursache für den mangelnden Erfolg mag daher, unter anderem, die eigenwillige Optik sein.
Grund genug für KTM beim Nachfolger gründlich Hand anzulegen, weshalb bei der kommenden Mittelklasse-Reiseenduro kaum ein Teil von den Vorgängermodellen übernommen wird. Die neue Version kommt voraussichtlich im Frühjahr 2026 auf den Markt und wird dann auf die Bezeichnung 990 Adventure hören.
Namensgebend ist der grundlegend überarbeitete LC8c-Reihentwin, wie wir ihn schon aus der 990 Duke kennen. In dieser leistet er 123 PS und kommt auf tatsächliche 947 Kubikzentimeter Hubraum. Die Adventure wird jedoch eine eigene Abstimmung erhalten. In dieser wird es dem Motor in der Spitze letztlich an ein paar Pferdestärken fehlen, die dafür dem Drehmomentverlauf zugutekommen. Ein Schritt, der sich bei der Vorgängerin bewährt hat und damit beibehalten werden dürfte.
Teil des überarbeiteten Motors ist auch ein neu konstruierter Abgastrakt mit modifizierten Krümmern, größer dimensioniertem Sammler und tiefer positioniertem Endschalldämpfer. Als Folge des größeren Sammlers kommt auch eine neue Schwinge zum Einsatz, die sich, nach Art der 990 Duke, bananenförmig über diesen legt.
Dies bedingt Änderungen an der Schwingenaufnahme am Hauptrahmen, dessen Grundlayout ansonsten aber mit dem des derzeitigen Modells noch am meisten Parallelen aufweist. Als Folge der neuen Schwinge wurde auch das Federbein grundlegend modifiziert. Es kommt weiterhin, wie die neue Vorderradgabel, von der KTM-Hausmarke WP.
Darüber sitzt ein ebenso neu konstruierter und künftig kürzerer Heckrahmen, der in ein Alugussteil mündet. Als Folge wird das Heck der 990 Adventure wesentlich schlanker als bislang und dürfte zudem Gewicht sparen.
Markant ist die Konstruktion des Kühlers. Er ist künftig zweigeteilt, baut daher breiter und ist so zu besseren Kühlleistungen in der Lage. Eine Lösung, die sich die Mattighofener Ingenieure bei der größeren Schwester 1390 Super Adventure abgeschaut haben, die aber auch bei anderen Herstellern Schule macht. Bei allen hat dies eine breitere Verkleidung zur Folge.
Dahinter sitzt der Tank, und auch dessen Konstruktion hat Einfluss auf die Optik. Er wird nicht mehr so weit heruntergezogen wie beim aktuellen Modell und endet künftig auf Schienbeinhöhe des Fahrers. Damit verschwinden die optisch unvorteilhaften Tankfässer vor den Füßen des Piloten. Diesen Schritt war man in Mattighofen bereits bei der Konstruktion der Husqvarna Norden 901 gegangen, deren Tankinhalt infolgedessen mit 19 Litern geringer ausfällt als beim Schwestermodell KTM 890 Adventure. Ähnliches ist auch beim Tankvolumen der 990 Adventure zu erwarten.
Umhüllt wird diese Konstruktion von einer neu gestalteten Verkleidung. Sie wird künftig geradliniger gezeichnet und scheint gefälliger als beim derzeitigen Modell. Die Frontpartie ragt künftig wesentlich steiler empor und wird sich deutlich vom bekannten Stil abheben. Dahinter installiert man jenen großformatigen Touchscreen im Hochformat, der in der 1390 Super Adventure seine Premiere feiern wird.
Dieses Gesicht wird in Zukunft, in verschiedenen Ausgestaltungen, auch auf andere Reiseenduros aus Mattighofen übertragen. Zuerst wird es, spätestens ab 2025, auf der Nachfolgerin von KTMs 390 Adventure zu finden sein und später auch in einer hochpreisigen Sondervariante der Super Adventure mit dem Namen 1390 Rally zum Einsatz kommen.
Das Styling bei allen diesen Modellen soll dabei offenbar, mit etwas Fantasie, die 450 Rally zitieren, KTMs Wettbewerbsmotorrad für die Dakar-Rallye. Zweck dürfte die Markenschärfung sein. Ein essenzieller Schritt, um sich künftig vom wachsenden Angebot anderer Marken aus dem Pierer-Mobility-Konzern abzuheben und interne Konkurrenz zu vermeiden.
Die Brücke zum Offroad-Sport der Mattighofener hört jedoch nicht beim Design auf. Vergangene Beobachtungen von Testfahrten mit Teileträgern in den letzten Monaten legen den Schluss nahe, dass es die 990 Adventure wie das Vorgängermodell nur mit einer Vorderradgröße geben dürfte – 21 Zoll – und geländegängige Varianten daher im Mittelpunkt der Entwicklung stehen. Wie bisher wird der Kunde jedoch vermutlich zwischen Varianten mit verschieden langen Federwegen und verschiedenen Reifentypen wählen können.
Nicht entfallen wird die SMT. Der Supermoto-Tourer mit 17-Zoll-Vorderrad und Semi-Slicks wird wohl nur wenige Monate nach der Adventure aktualisiert und mit einer drehzahlfreudiger ausgelegten Ausbaustufe des 990er-Motors aufwarten. Dieser kommt auch im künftigen Mittelklassesportler 990 RC zum Einsatz und leistet in diesem zunächst 128 PS. Weitere Versionen sind nicht ausgeschlossen, werden aber sicher erst im späteren Verlauf der Entwicklung zu sehen sein.