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Husqvarna Vitpilen 401 2024Wie bitte
Es ist eine der besten Kurven auf der gesamten Strecke. Die Strecke ist zwar nicht lang, die Geraden aber auch nicht. Und die leicht hängende Links-Bergab, gefolgt von einer scharfen Rechts ist ein echtes Highlight, weil es nicht leicht ist, sie richtig zu nehmen. Deshalb braucht es was Leichtes, mit exakt dosierbaren Bremsen, um sie genau an der richtigen Stelle mit der richtigen Geschwindigkeit zu treffen.
Etwas wie die Vitpilen 401, den Weißen Pfeil: schlank, schlüpfrig und scharf geschliffen. Unfassbar, wie sie sich durch das Labyrinth schlängelt, abgefeuert von einem 399-Kubik-Einzylinder mit 45 PS. Wäre sie stärker, müsste sie schwerer sein – und wäre sie noch leichter, schwächer. Mit 0,2 Kilowatt pro Kilogramm erreicht sie das maximal erlaubte Leistungsgewicht. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 160 Stundenkilometer und ist ein Kinderspiel. Die Ingenieure könnten ja so viel mehr machen, wenn sie nur dürften.
Doch die mittelgroße Vitpilen war schon mal schärfer, rein ergonomisch betrachtet. Vorbei die Zeiten von Stummellenker und Café-Racer-Knochenbrecher. Mit dem neuen, erhöhten Lenker fühlen sich nun besonders ältere Semester deutlich wohler. Damit verliert das dynamische Designerstück vielleicht etwas von seinem kompromisslosen, unkonventionellen Profil, die Fahrbarkeit und vor allem die Alltagstauglichkeit erfahren aber eine unschätzbare Aufwertung. Auch der Unterschied zur Svartpilen ist nicht mehr so groß.
Während diese bereits wieder in drei Varianten erhältlich ist, dürfen wir uns auf die Vitpilen 801 noch freuen, die laut Insidern sehr exklusiv sein soll – und schnell. Womit wir beim Stichwort wären: Wie schnell denn noch? Diese Frage wird in jedermanns Kopf auftauchen, während er oder sie die persönliche Hausstrecke (welche, ist wirklich egal) filetiert und aus dem Handgelenk gleich ein paar übermotorisierte Kontrahenten durchfaschiert.
Dem neuen, kompakteren und Euro-5+-konformem Einzylinder fehlt es zwar unter 5000 Touren etwas an Biss, aber hat er erstmal Drehzahl aufgenommen, frisst er sich gierig durchs Winkelwerk wie ein Piranha durch eine Schweinshaxe. Grobes Hämmern des Single bleibt dabei aus, auf der Autobahn ist er ohnehin kaum noch wahrnehmbar. So behält sich die Husky auch unter schnalzenden Zügeln noch ihre Eleganz.
Was sie richtig schnell macht, sind aber natürlich nicht die 45 Pferde. Im neuen Stahl-Gitterrohrrahmen stecken auch eine WP-Apex-Open-Cartridge-Gabel mit 43 Millimeter Durchmesser, die in Zug- und Druckstufe in je fünf Klicks werkzeuglos verstellbar ist und ein in Zugstufe und Vorspannung verstellbares Federbein – daran hängt wiederum eine neue geschwungene Alu-Schwinge. Die Möglichkeit, die Dämpfung vorne mit einem Handgriff auf die eigenen Präferenzen anzupassen – und zwar in einem überschaubaren und für jeden nachvollziehbaren Maß –, zählt zu den besten Innovationen der letzten Jahre.
Der Einstellbereich ist dabei wesentlich größer, als die fünf Klicks vermuten lassen und daher sollte man nur schrittweise vorgehen, denn jede Änderung ist sofort spürbar. Wir haben sowohl Druck- als auch Zugstufe etwas zugedreht, entsprechend der gerade gefahrenen Strecke. Etwas unpraktisch ist nur, dass die Stellhebel unter dem neuen Lenker schwerer zu erreichen sind.
Schnell sind auch die Gangwechsel, die mittels Easy-Shift-System auch ohne Kupplung möglich sind. Und schnell machen schließlich die ByBre-Bremsen, vorne in Form einer 320-Millimeter-Scheibe mit Vierkolben-Radialsattel, die sauber dosierbar und punktgenau verzögern. Dass bei so viel geballter Kompetenz auch ein 5-Zoll-TFT-Display mit Connectivity, zwei Fahrmodi, ein Kurven-ABS mit Supermoto-Funktion und eine schräglagenabhängige, abschaltbare Traktionskontrolle mit an Bord sind, ist nur würdig und recht, in dieser Klasse trotzdem eine echte Ansage.
Man kann sich über das Angebot an hochwertig ausgestatteten und verdammt schnellen A2-Motorrädern nicht beschweren, und die Husqvarna Vitpilen 401 zählt zu den besten. Sie ist zwar noch immer kein Langstreckenflieger und verlangt vor allem von der Begleitung eine gewisse Leidensfähigkeit, aber die Fahrfreude unter ernstzunehmenden sportlichen Aspekten ist sensationell. Ironisch ist, dass man sich beim Kampfeinsatz hin und wieder den alten Lenker zurückwünscht, im Wissen, dass es so viel besser ist. Der Weiße Pfeil trifft genau ins Schwarze.