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Matthias Walkner im InterviewUnser Dakar-Champion spricht
Die 41. Auflage der Dakar-Rallye startet am 6. Jänner 2019 in Lima/Peru (die erste Etappe am 7. Jänner), der Zeileinlauf erfolgt am 17. Jänner erneut im Lima. Dazwischen liegen zehn Etappen und insgesamt knapp 5000 Kilometer, davon rund 3000 Kilometer auf Zeit. Besonderheit gegenüber den vergangenen Jahren: Die Dakar findet nur in einem Land statt, Peru. Leichter wird es deswegen trotzdem nicht werden, weiß auch Titelverteidiger Matthias Walkner. Im Gegenteil: rund 70% der Strecken werden auf Sand gefahren, ein Großteil in den Dünen der Atacama-Wüste. Was man darüber hinaus erwarten darf, das erzählt der erste Werkspilot im Red Bull KTM Team in unserem Interview, das wir hier auszugsweise wiedergeben. Das gesamte Interview findet Ihr in der aktuellen Ausgabe des Motorradmagazins (8/18).
Mit dem Sieg hast du ein großes Ziel erreicht, auf das du vier Jahre hingearbeitet hast. War es nun schwieriger, dich für die nächste Dakar zu motivieren?
Nein, es war eher einfacher: Ich hab selten so viel Spaß am Motorradfahren gehabt wie gerade jetzt. Außerdem motiviert ein Dakar-Sieg enorm – und auch alles, was damit verbunden ist. Allein die Feier, die KTM-Boss Stefan Pierer für mich veranstaltet hat und bei der alle Angestellten dabei sein konnten. Dazu habe ich einen KTM X-Bow als Bonus bekommen – ich bin wirklich froh, dass ich all das erleben durfte.
Die Motivation ist vorhanden. Wie lief die Vorbereitung? Deine Ergebnisse bei den letzten Rallyes sind ja vielversprechend ...
Es passt alles perfekt. Und das, obwohl es heuer wirklich ein schwieriges Jahr gewesen ist. Ich hatte in meinem sportlichen Leben sicher noch nie so viel zu tun, war durchgeplant mit Auftritten auf Messen, Autogrammstunden und allein über 60 Medientagen. Diese Zeit geht natürlich irgendwo ab. Das Wichtigste für mich ist aber, dass ich körperlich fit bin und mein Training durchziehen kann. Das war dann schwer, weil ich wusste, dass im April die Rallye-WM anfängt und ich bei weitem nicht so gut vorbereitet bin wie ich das gern hätte. Ich hab das Defizit dann aber im Lauf der Saison recht gut wettgemacht, in meinen alten Rhythmus zurückgefunden und bin speziell in der Sommerpause sehr viel Motorrad gefahren. Die letzten Rennen waren dann auch echt super – die Ergebnisse verfälschen sogar ein wenig, wie gut die Fahrerei eigentlich war. Ich bin in Peru mit der vollen Dakar-Besetzung nur ganz knapp Zweiter geworden, in Marokko Zweiter genauso. Also: Ich fühle mich sehr gut und gehöre sicher wieder zu denen, die um einen Podiumsplatz, vielleicht auch um den Sieg mitkämpfen werden.
Gibt es am Motorrad entscheidende Veränderungen?
Es gibt immer Detailgeschichten, die man zu verbessern versucht, beim Fahrwerk, bei der Motorcharakteristik, aber nichts Relevantes.
Du bist ja ein großer Tüftler, hast du in Sachen Navigation einen neuen Ansatz?
Stimmt, ich tüftle da gerne herum. Ich hab auch hier wieder Kleinigkeiten umgestellt, aber nichts Weltbewegendes, es betrifft hauptsächlich die Farben. Bei der letzten Dakar hab ich sehr viel Grün für die Markierungen verwendet und dann in Abu Dhabi gemerkt, dass ich die Farbe nicht mehr so markant lesen kann – und dann auf Blau umgestellt.
Also wird 2019 die blaue Dakar?
(Lacht) Schauma einmal.
Eine Veränderung gibt’s dafür bei der Streckenführung: 2019 wird nur mehr in Peru gefahren. Kennst du die Hintergründe dafür?
Ich denke, dass einige Länder in Südamerika nicht mehr bereit sind, so viel Geld an den Veranstalter ASO zu zahlen, nur damit dort Rennen gefahren werden. Die ASO argumentiert, dass damit auch viel Werbung für diese Länder gemacht werden. Aber man muss das Geld halt auch haben, und bei der Armut in diesen Ländern werden’s halt immer weniger Länder, die da mitmachen. Ich hoffe schon, dass sich dieser Trend wieder umkehrt und es in Zukunft nicht bei einem Land bleibt. Man hat für 2019 wohl eine Art Notlösung finden müssen, weil jeder Rennen fahren will. Nur: Es wird deswegen sicher nicht weniger zach oder spannend. Die vier Tage, die wir im letzten Jahr durch Peru gefahren sind, waren bereits extrem anstrengend, mit richtig schwierigen Dünen. Aber auch mit dem Navigieren wird es heikel: Man sieht die Spuren recht gut, was es zu einer Gratwanderung zwischen schnellem Nachfahren und Selber-Navigieren macht. Das wird sicher interessant.
70% Sand und Dünen – was bedeutet das für dich, deine Spezialität sind ja eher die fahrtechnisch schwierigen Sektionen?
Ja, mir taugen Sand und Dünen zum Rennfahren nicht so, weil sie ziemlich unberechenbar sind. Du weißt ja nie, wie die Abrisskanten hinter den Dünen aussehen. Wenn du pro Tag über 5000 Dünen fährst und dann einmal eine Abrisskante übersiehst, kann das gleich richtig schief ausgehen. Du wirst auch mit der Zeit sandblind, weil du so einen schlechten Kontrast hast. Das ist daher eine Frage der Risikobereitschaft. Und dann ist der Sand dort teilweise auch richtig weich, als wären Hohlräume unter der Oberfläche. Mir ist das Vorderrad im letzten Jahr ein paar Mal eingesunken, ohne dass mir klar war, warum.
Das heißt, die Routenwahl spielt dir nicht so in die Karten?
Wenn ich ehrlich bin wären mir mehr Pisten und gefestigter Untergrund lieber. Andererseits ist es bei der Inca-Rallye in Peru zuletzt gut gelaufen. Es ist halt schwierig dort, weil der erste vorneweg navigiert und die anderen der Spur so schnell’s geht nachbolzen. Wenn der erste dann einen Fehler macht, entsteht hintennach das komplette Chaos.
Die größten Konkurrenten auf einen neuerlichen Gesamtsieg sitzen mit Sam Sunderland und Toby Price sicher in deinem eigenen Team. Wer hat aus deiner Sicht sonst noch große Chancen?
Honda-Fahrer Kevin Benavides ist letztes Jahr Zweiter geworden und sicher wieder sehr stark, Joan Barreda darf man nie unterschätzen, Pablo Quintanilla auf Husqvarna ebenfalls nicht. Ich weiß nicht wie stark heuer Yamaha-Fahrer Adrien van Beveren ist, der im letzten Jahr bis zu seinem Sturz um den Sieg mitkämpfen konnte. Aber es sind sicher wieder die sechs, sieben üblichen Verdächtigen, die vorne um den Sieg mitreden werden.
Deine Vorgänger als Dakar-Sieger Marc Coma und Cyril Despres sind erst im Alter von 38 Jahren vom Motorradsport zurückgetreten. Kannst du dir auch vorstellen, so lange zu fahren?
Vorstellen könnte ich mir’s schon, aber realistisch gesehen glaub ich’s nicht. Ich muss einmal schauen, wo sich die Dakar hin entwickelt. Allein in den vier Jahren, in denen ich mitfahre, hat sich so viel verändert: Das Tempo ist weitaus höher geworden, die Navigation weitaus komplexer. Es ist derzeit so, dass bei mir alles hundert Prozent sein muss, um das Risiko ein wenig minimieren zu können. Und wenn ich das Gefühl habe, dass ich’s körperlich oder geistig nicht mehr auf diese hundert Prozent komme, dann muss ich es schnell sein lassen. Sonst wird das richtig gefährlich und ungut. Momentan macht’s Spaß, aber dass ich noch so lange weiterfahre, kann ich mir dann doch fast nicht vorstellen.
Aber zumindest die nächsten zwei, drei Jahre wirst uns noch erhalten bleiben ...?
Sicher, bis Dezember 2020 habe ich ohnehin noch einen Vertrag, dann schauen wir, ob beide Seiten den Vertrag noch einmal verlängern wollen.
Dann danke fürs Gespräch! Wir halten fest die Daumen, komm gesund zurück!