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Christoph Lentsch
Autor: Mag. (FH) Christoph Lentsch
christoph.lentsch@motorrad-magazin.at
7.5.2019

Indian FTR 1200 TestStark und flach

17 von 18 Rennen gewann Indian in der amerikanischen Flat-Track-Meisterschaft 2019. Einen Raketenstart legte die älteste amerikanische Motorradmarke auch in der Wirtschaft hin: In 8 Jahren ist die Modellpalette von drei auf 23 Modelle angewachsen, das Händlernetz von anfangs acht auf über 400 weltweit. Nun will man die Stammesvielfalt über üppige Tourer und klassisch inspirierte Cruiser hinaus mit moderneren, jüngeren und vor allem dynamischeren Modellen erweitern. Den Anfang macht das FTR-1200-Trio, bestehend aus einer Standard-, einer S- und einer Race-Replica-Variante. Angetrieben werden alle drei von einem 1203 Kubik großen 60°-V2, der maximal 120 PS leistet und ein Drehmoment von 115 Newtonmetern stemmt.

Die Ausstattung des Standardmodells ist überschaubar: Lediglich einen Tempomaten und ein analoges Rundinstrument mit integriertem LC-Display und USB-Anschluss erhält man für den Grundpreis von satten 17.290 Euro. Erst die S bietet ein voll einstellbares Fahrwerk mit goldener Gabel, drei Fahrmodi (Rain, Standard, Sport), eine schräglagenabhängige Traktions- und Stabilitätskontrolle, eine Abschaltfunktion des ABS, ein farbiges Touchscreen mit Bluetooth-Verbindung, sowie optische Aufwertungen in Form einer Scheinwerferverkleidung und eines lackierten Frontfenders. Damit steigt der Preis auf 18.850 Euro. Die Race Replica schließlich ist dem Rennmotorrad aus der Flat-Track-Serie nachempfunden, rotem Rahmen und Schwinge und einem Sportauspuff – für das Serienbike von Akrapovic statt von S&S. Damit wäre die magische Grenze wieder überschritten und ein Betrag von 20.290 Euro fällig. (Preise Deutschland: Standard: 14:690, S: 15:990, Race Replica: 17:290)

Es gibt kaum Besseres im Leben eines Motorradjournalisten, als zum Presslaunch eines neuen (amerikanischen) Modells an die Westküste der USA, sprich nach Kalifornien geladen zu werden. Da dies äußerst selten vorkommt und noch seltener immer demselben Redaktionsmitglied übertragen wird, macht es auch nichts, dass man selbst im Land der unendlichen Weiten die eine oder andere Straße in und um Santa Monica und Malibu mit unterschiedlichen Fabrikaten schon mehrmals befahren hat. Zumindest wurde schon lange mit den Gerüchten aufgeräumt, in Amerika würde es ohnehin nur geradeaus gehen und man dürfe nirgends schneller als 55 Meilen fahren. Bei beiden handelt es sich um Missverständnisse: Unter der Führung kundiger Guides entdeckt man abseits der Freeways die aufregendsten Bergstraßen durch kalifornisches Hügelland und was das Schnellfahren betrifft, ist „dürfen“ nicht gleich „können“, man muss sich nur der Konsequenzen im Klaren sein. Für unsere Durchschnittsgeschwindigkeit hätten wir im Falle einer Festnahme bei einem milde gestimmten Richter mindestens 99 Jahre verschärfte Einzelhaft ausgefasst, am Ende des Tages kostete es uns nur einen Verbrauch von 6,6 Litern auf 100 Kilometer, was einer Reichweite von 200 Kilometern entspricht. 

Der Treibstoff ist schwerpunktoptimiert bis unter die 840 Millimeter hohe Sitzbank verteilt, trotzdem gingen sich konstruktionsbedingt nur 13 Liter Fassungsvermögen aus. Und trotzdem wiegt die FTR vollgetankt 230 Kilo, also mehr als eine Ducati Monster 1200 oder BMW R nineT. Das Gewicht ist aber weniger der Grund dafür, warum sich die Indian anders fährt als dezidierte Naked Bikes. Sie rollt typengerecht auf größeren Rädern im Format 120/70-19 vorne und 150/70-18 hinten (das Racebike hat auch hinten einen schmalen 19-Zöller), bereift mit Dunlop DT3. Der Reifen ist vergleichbar mit dem Pirelli MT60RS, wie er zum Beispiel auf der Ducati Scrambler zu finden ist. Genau die richtige Wahl für die brüchigen, gerissenen und insgesamt ziemlich maroden Straßen am Mulholland Highway. Doch am Anfang erlebte ich eine unerfreuliche Überraschung: Das Ansprechverhalten des Motors über das Ride-by-Wire war äußerst schlecht und erinnerte an die frühen Jahre der elektronischen Benzineinspritzung. Auch nach der Aufwärmphase wurde das Gas stets mit kurzer Verzögerung angenommen und fuhr dann mit einem Boost erst viel zu spät am Kurvenausgang ein. 

 

Der Wechsel der Fahrmodi brachte keine Veränderung an diesem Verhalten. Nach dem Erfahrungsaustausch mit anderen Journalisten bei den ersten Stopps und einem Gespräch mit den Betreuern von Indian stellte sich heraus, dass es sich um ein individuelles Problem des Testmotorrades handeln musste und ich konnte mein S-Modell durch das Standardmodells eines Guides tauschen. Es war zu hoffen, dass die Gasannahme nun – zumal ohne Traktionskontrolle – besser funktionierte. Und siehe da, es war tatsächlich alles besser und führte gar zu neuen alten Erkenntnissen.

Erkenntnis 1: Niemand braucht eine Traktionskontrolle, wenn die Leistung nicht exorbitant hoch, die Straßen gefährlich glatt oder der Fahrer inferior schlecht ist. Vorausgesetzt, die Gasannahme ist exakt steuerbar. Das Gefühl mit der Standard-FTR ohne Traktions- und Stabilitätskontrolle war bei diesen Bedingungen um nichts schlechter als mit der S. 

Erkenntnis 2: Ist die Dämpfung ab Werk gut abgestimmt, im Toleranzbereich zwischen sportlicher Straffheit und komfortablem Kompromiss, braucht man nicht unbedingt ein voll einstellbares Fahrwerk. Die Sachs-Komponenten in Form einer 43-Millimeter-Upside-Down-Gabel und eines dezentral montierten Federbeins, wo lediglich Letzteres in Vorspannung und Zugstufe einstellbar ist, funktionierten an der normalen FTR gut genug, wenn auch nicht hervorragend. 

Erkenntnis 3: Deutlich verschieden konfigurierte und intelligent programmierte Fahrmodi können an einem hochtechnisierten Supersportler oder einer Reiseenduro durchaus nützlich sein, an einem Streetbike sind sie eher eine Spielerei, auf die man plötzlich wieder ganz leicht verzichten kann, wenn sie mal nicht da ist. 

Die Auswahl der Fahrmodi kann übrigens auf drei unterschiedliche Arten durchgeführt werden, und zwar über Knopf links, Knopf rechts oder direkt am Touchscreen. Die Navigation durch das Menü ist dabei nicht ganz so gelungen wie auf vergleichbaren Systemen. Somit spricht Vieles für die Einstiegsvariante der FTR 1200, denn sie bremst und beschleunigt auch genauso gut wie die beiden anderen, bietet den selben Komfort – der für die Sozia aufgrund äußerst hoch montierter Fußraster wie auf einem Superbike sehr bescheiden ausfällt –, die selbe LED-Beleuchtung mit Tagfahrlicht und sogar einen besseren Sound als mit Akrapovic-Auspuff. Zudem passt das Rundinstrument besser zur Gesamtoptik. Was wirklich fehlt ist hingegen die Scheinwerferverkleidung, ohne die die etwas unsaubere Versorgung der Kabel sichtbar wird. Und leider gibt es sie nur in reinem Schwarz. Durch den niedrigeren Preis bleibt aber eventuell Budget für ein paar Parts aus dem fünfzigteiligen Zubehörprogramm oder eines der vier Style-Pakete. Unser Favorit, die Rallye-Collection, schlägt allerdings mit gewaltigen 5886 Euro zu Buche.

Den Druck des kraftvollen V2 kann man aber auch ohne all das genießen. Er schiebt noch im sechsten Gang bei 160 so intensiv an, dass man schon bald in den gedachten siebten schalten möchte. Der Motor ist zentrales Organ in diesem amerikanischen Powerhouse, das mit seinem massiven Körper und dem überlangen Radstand amerikanischen Zuschnitts besonders in schnellen Wechselkurven ordentlich Zug am Pro-Taper-Lenker braucht. Die Fahrdynamik ist ein bisschen zäher als die von echten Naked Bikes, auf der anderen Seite sind Stabilität und Traktion überdurchschnittlich. Überraschend hoch war auch die Schräglagenfreiheit, die von Indian mit „nur“ 36 Grad angegeben wird – wahrscheinlich setzen dann die Fußraster auf, was uns nur einmal gelungen ist. Mit Sicherheit bietet die FTR 1200 auch auf europäischen Straßen viel Spaß und Spannung und außerdem deutlich weniger Gefahr, für 99 Jahre im Gefängnis zu landen.

Indian FTR 1200 - Pakete

  • Tracker: 3240 Euro 
  • Rallye: 5886 Euro
  • Sport: 2556 Euro
  • Tour: 2961 Euro

Alle Infos zu den Paketen gibt's hier: Indian FTR 1200 Pakete

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