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Husqvarna 701 SupermotoRise Of The Rest
Totgesagte leben länger – das weiß man nicht erst seit Niemetz Schwedenbomben, Hipster-Bewegung, Afri Cola und H.C. Strache. Auch in der Motorrad-Welt gibt es Fahrzeug-Gattungen, die bereits knapp vor dem Untergang gestanden sind, dann aber wieder regen Zuspruch erfahren haben und so plötzlich in neuem Glanz erstrahlen. Ein Paradebeispiel sind straßenorientierte Einzylinder-Supermotards. Während besonders japanische Hersteller dieses Segment konsequent ignorieren, freut man sich in Mattighofen seit geraumer Zeit über die Alleinherrschaft am Markt und stattliche Verkaufszahlen.
Rund um die KTM 690 SMC R und ihrer großteils baugleichen Husqvarna-Schwester 701 SM, die ihr Debüt im Jahr 2015 gab, entwickelt sich besonders in Deutschland eine rebellische Motorrad-Subkultur, die die adipösen Reiseenduros ihrer Rasenmäher-Eltern oder die zum Massenphänomen mutierten Vintage-Bikes der „Yolds“ ungefähr so interessant findet wie den Sonntags-Gottesdienst, Facebook und Thomas Gottschalk. Hoch im Kurs stehen bei diesen zwanzig- bis dreißigjährigen Rabauken dagegen akrobatische Stunts und urbanes Show-Off auf den Supermotards „made in Austria“. Auch in der heimischen Zulassungsstatistik rangieren die beiden hochbeinigen Singles ganz weit vorne: addiert man 264 Stück KTM 690 SMC Rs und 118 Exemplare der Husky 701 SM, erobern die Supermotards sogar Platz 6 in den Jahrescharts 2019 - weit vor den KTM Super Adventures, der Honda Africa Twin oder Kawasakis Z900.
Während sich am radikalen Supermotard-Style nicht selten die Geister scheiden, sind die fahrdynamischen Qualitäten des Singles unbestritten: satte 75 PS und 74 Newtonmeter generiert der Eintopf aus 693 Kubik. Damit katapultiert er die 159 Kilo leichte 701 SM drehmomentstark aus den Radien. Beinahe noch beeindruckender als der Vortrieb ist die Verzögerung des Federgewichts: Die Brembo-Vierkolbenbremszange beißt knackig und bärenstark in den Stahl der 320-Millimeter-Bremsscheibe, das „analog-mechanische“ Gefühl am Bremshebel garaniert feinste Dosierbarkeit. Vom Bremspunkt bis zum Kurveneingang kennt die Husqvarna kaum Gegner.
Und auch im Radius ist sie dank brillanter Handlichkeit und des ausgewogen abgestimmten, einstellbaren WP-Apex-Fahrwerks nur schwer zu biegen. Dabei gilt: je enger, desto unbezwingbarer wird die Husky-Supermotard. Trotz ihres straffen Werks-Setups schlucken die Komponenten besonders in Schräglage souverän alle Bodenunebenheiten, die 701 folgt präzise der anvisierten Linie und scheint sich in voller Kurven-Fahrt fast schon am Asphalt anzusaugen. Die klug gewählte Conti Attack SM Evo 17-Zoll-Erstbereifung leistet der Fliehkraft im Trockenen tapfer Widerstand und schafft so großes Vertrauen in den Grip, dass wir während des Tests die zweistufig an die beiden Fahrmodi („Street“ mit schräglagenabhängigem TCS, „Sport“ ohne Schräglagenfunktion) gekoppelte Traktionskontrolle vornehmlich deaktiviert ließen. Kein Problem, denn besonders im Grenzbereich zeigt sich die 701 SM so gutmütig wie ein Golden Retriever beim Kindergeburtstag.
Während die Anti-Hopping-Kupplung über den hydraulischen, einstellbaren Handhebel butterweich mit einem Finger dosiert werden kann, schwächelt die Husqvarna seit jeher mit laschem Getriebe, das auch durch den neuen Quickshifter weder knackiger noch präziser wird. Während der Schaltassistent zwar flink und ohne nennenswerte Kraftunterbrechung in höhere Gänge wechselt, fehlt es der Downshift-Funktion an Feingefühl.
Auf luftigen 890 Millimetern Höhe lädt der halbwegs gnädig gepolsterte, schlanke Sattel zur Sitzprobe. Bei der kommoden und gleichzeitig fahraktiven Ergonomie gibt es zumindest ab 175 Zentimetern Körpergröße nichts zu beanstanden: besonders der ultrakompakte Knieschluss begeistert beim Kurven-Slalom, während Kniewinkel, Lenkerposition und -breite theoretisch sogar langstreckentauglich wären – gäbe es nicht den starken Winddruck und die wie erwähnt knapp geschnittene Sitzbank. Egal, schließlich fallen ambitionierte Supermotard-Ausfahrten normalerweise ohnehin eher kurz und intensiv aus.
Bei der Laufkultur des Triebwerks mit Doppelzündung muss man trotz aller Performance und Sportlichkeit keine Einbußen hinnehmen: völlig lastwechselfrei und mit feinsten Manieren stellt der seit Modelljahr 2017 mit einer zweiten Ausgleichswelle und Unicam-Ventilsteuerung ausgerüstete Einzylinder seinen vehementen Vortrieb zur Verfügung. Obendrein verlangt der genügsame Antrieb mit 10.000 Kilometern Serviceintervall nur wenig technische Zuwendung. Sein Durst fällt selbst im gestreckten Galopp mit allerhöchstens 4,5 Litern äußerst genügsam aus und erlaubt normalerweise locker 300 Kilometer ohne Stopp an der Zapfsäule – längere Distanzen mutieren für das Sitzfleisch ohnehin zur Tortur.
Wenn’s sein muss, erschnauft der 11.699 Euro teure Husqvarna-Single im Werks-Setup sogar bis zu 180 km/h - die lange Übersetzung geht jedoch auf Kosten des spritzigen Vortriebs aus dem Drehzahlkeller. Generell wollen wir unsere langjährige Erfahrung nicht verschweigen, dass die 701 SM zwar auf dem Papier von Generation zu Generation mit wachsender Potenz protzt, sich das in der Praxis jedoch nicht so anfühlt. Grund dafür sind wohl die Euro-4-Restriktionen, die den einzylindertypischen Punch zu ersticken drohen und Maximalleistung und -drehmoment notgedrungen in immer höhere Sphären der Drehzahlkurve verbannen. Während das Euro-3-Modell 2016 noch mit ordentlich Schmalz im Power-Wheelie aus engen Serpentinen geschossen kam, verlässt das 2020er-Modell im Serien-Trimm den Radius vergleichsweise gehemmt: erst nach einigen schläfrigen Takten kommt der hubraumstarke, drehfreudige Eintopf endlich voll auf Touren.
Um das versteckte Potenzial der 701 Supermoto für den sportlichen Einsatz beispielsweise auf der Kart-Strecke freizuschalten, haben sich im Motorradmagazin-Test einige einfache Tuning-Maßnahmen als äußerst effektiv herauskristallisiert: eine kürzere Endübersetzung mit kleinerem, 15-Zahn-Ritzel und ein offener Luftfilterkastendeckel in Kombination mit einem namhaften Sport-Endtopf (in unserem Fall der Hexacone von Remus) wirken Wunder. Der straßenlegale Schalldämpfer senkt nicht nur das Fahrzeuggewicht der 701 und ihre sonst eher blecherne, blutleere Tonlage um einige Oktaven, gemeinsam mit der optimierten Motor-Luftzufuhr ähnelt die deutlich seidigere Gasannahme der optimierten Husky bei niedrigen Drehzahlen plötzlich einem Vergaser. Die verloren geglaubte Power am Haarnadel-Ausgang kehrt plötzlich wieder zurück, ein Eingriff ins Motor-Mapping ist dazu nicht notwendig.
Nicht nur über den Auspuff wird bei unserem Tuning-Bike drastisch Ballast gespart. Auch die von uns implantierte, 940 Gramm leichte Lithium-Ionen-Batterie von Delo lässt das austro-schwedische Kurvenwunder satte 2,2 Kilo abspecken. In der Praxis profitiert das Fahrverhalten der tadellos verarbeiteten 701 SM von unseren Modifikationen deutlich - sofern man High-Speed-Orgien abschwört und der individuelle Fokus vorwiegend auf Geschwindigkeiten bis 130 km/h liegt. Alle technischen und optischen Retuschen an unserer 701 SM samt Kostenaufstellung haben wir unten in einer Infobox zusammengefasst.
Remus Hexacone Schalldämpfer | € 710,– |
Offener Luftfilterkastendeckel | € 29,– |
Ritzel 15 Z. | € 36,– |
Li-Ion-Batterie Delo PLFB-14BR (12 V, 4 Ah, 48 Wh) | € 129,99 |
Design-Kit inkl. Felgenrand-Sticker von independentracing.de | ab € 200,– |
Spiegelset original KTM | € 77,– |
orig. Motorschutz 701 Enduro gegen Steinschlag | € 92,– |
Husqvarna CNC-Alutankdeckel | ca. € 70,– |
Acerbis „Carbon“ Gabelschutz | € 24,95 |
Acerbis Auspuff-Protektor, hitzebeständig | € 39,95 |
Arbeitszeit Heck-Umbau inkl. Kennzeichenbeleuchtung und Reflektor | € 120,– |
ggf. 1,5h Mechaniker-Arbeitszeit für Ritzel, Filterkasten, Endtopf, Motorschutz | € 180,– |
Zubehör wie Achsprotektoren, eloxierte Alu-Fußraster, Alu-Brems-/Schalthebel-Trittfläche | ca. € 100,–
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