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Christoph Lentsch
Autor: Mag. (FH) Christoph Lentsch
christoph.lentsch@motorrad-magazin.at
10.2.2023

Test Ducati Diavel V4Böse und besser

10 Jahre, 2 Generationen, 45.000 verkaufte Stück. Trotz oder gerade wegen ihres außergewöhnlichen Charakters und Konzeptes hat sich die Ducati Diavel bis heute äußerst gut verkauft und geht nicht zuletzt deshalb in die Version 3.0. An der Konkurrenz kann es jedenfalls nicht liegen, denn bis heute gibt es nichts Vergleichbares. Manche führen die längst nicht mehr angebotene und über dreihundert Kilo schwere Yamaha V-MAX an, die der Diavel zwar in Sachen Beschleunigung das Wasser reichen kann, aber in allen anderen Belangen unterlegen ist.

Das liegt zum einen am Gewicht, das nochmal um 13 Kilo weniger wurde. Allein fünf Kilo spart der neue Motor, der Rahmen weitere 4,7. Die Diavel hält nun bei 223 Kilogramm ohne vollen Tank, der 20 Liter fasst. Sind also immer noch über 240 Kilo, die sich aber kaum bemerkbar machen. Das gilt auch für die wesentlichste Meisterleistung bei diesem Hybrid aus Supersportler, Naked Bike und Cruiser: den fetten 240er Hinterreifen, der extra von Pirelli für dieses Modell entwickelt wurde.

Die Fahrdynamik, die mit diesem Mega-Schlapfen möglich sind, will man auch ein Jahrzehnt nach der Manifestation des Teufels nicht für möglich halten. Apropos „Mega“: Mit dem neuen V4-Granturismo-Motor aus der Multistrada, der hier 168 PS leistet und den Änderungen an Geometrie und Ergonomie fühlt sich die Diavel tatsächlich schon an wie eine Mega-Monster – der ursprünglich angedachte Modellname für dieses Motorrad.

Die optischen Retuschen sind nicht zu übersehen. Scheinwerfer und Rücklicht wurden neu gestaltet und lassen den bösen Blick und die Teufelshörner im Rücklicht vermissen, das jetzt wirkt wie ein schnöder Heizstrahler. Die wenigen Verkleidungsteile markieren den Sprung nach vorne, der Bugspoiler sieht aber etwas zerknautscht aus. Ihre Kraft sieht man der Diavel immer noch an, ihre Außergewöhnlichkeit ein bisschen weniger, mit starken Einflüssen von Monster und Streetfighter.

Die Rückspiegel sind am Lenker innen neben den Ausgleichsbehältern montiert, der Lenker selbst um 20 Millimeter näher zum Fahrer gerückt und die Sitzbank um dasselbe Maß verlängert worden. Man sitzt entspannt, bequem und aufrecht im 790 Millimeter hohen Sitz, und wird doch in eine angriffslustige Stimmung versetzt. Das Cruiser-Feeling ging etwas verloren, der Charakter hat sich mehr Richtung Hyper-Naked verschoben. 

Die Ausstattung steht der eines solchen auch in nichts nach: 50-Millimeter-USD-Gabel und Federbein mit nun 15 Millimeter mehr Federweg voll verstellbar, 330-Millimeter-Scheibenbremsen, Quickshifter serienmäßig, 4 Fahrmodi, Kurven-ABS und -TC, Wheelie-Control und sogar eine Launch Control ist an Board. Die Menüführung am 5-Zoll-TFT-Schirm gelingt über die rot hinterleuchteten Armaturen (ein geiler Effekt bei Nacht) schnell und einfach, sämtliche Fahrmodi (neu: Wet-Mode) können separat konfiguriert werden. 

Auch zwei Leistungsstufen beziehungsweise -kurven sind wählbar. Volle Power und scharfes oder weiches Ansprechverhalten, oder reduzierte Power (115 PS) und weiches Ansprechverhalten. Persönlich bevorzugten wir volle Power und weiches Ansprechverhalten. Neben der rückwärtsdrehenden Kurbelwelle verfügt der in allen Abmessungen kompaktere Motor über eine weitere Besonderheit: Je nach Bedarf werden die hinteren zwei Zylinder abgeschaltet, um das Drehmoment zu optimieren. Nur im ersten Gang feuern immer alle vier Zylinder, um das Ansprechverhalten zu optimieren.

Wir starten also den Motor, fürchten uns noch nicht und cruisen davon. Auf uns wartet die Straße am Jabel Hafeet, einem 1240 Meter hohen Felsen in der Wüste von Abu Dhabi, wo ein Scheich eine Straße hinauf sprengen und asphaltieren ließ und wo vor vielen Jahren der selige Ken Block ein aufsehenerregendes Gymkhana-Video gedreht hat – und wo wir heute exklusiv und sicher nie wieder auf Teufel komm raus fahren dürfen. Auch in der Nacht, denn die Straßen – auch die Autobahnen – sind hier durchgehend beleuchtet. 

Die erreichten Spitzengeschwindigkeiten auf der an den Pikes Peak erinnernden Straße betrugen 250 Stundenkilometer, die eigentlich erlaubte Höchstgeschwindigkeit 40. Aber Scheichs haben bekanntlich ein Herz für schnelle Dinge und so lässt man uns auf der abgesperrten Strecke das volle Potenzial der Diavel V4 ausreizen und -kosten. 

Nicht nur das Handling präsentierte sich auf den 10 Kilometer feinster Kurven in verschiedensten Radien als nochmals verbessert und verdammt nah am Naked Bike, auch die Stabilität in den Highspeed-Kurven war sensationell. Und war man dann vor lauter Euphorie doch zu spät mit dem Bremsen, konnte man sich auf den Superbike-Anker von Brembo verlassen, der von einer herkömmlichen Cruiser-Bremse so weit entfernt ist wie der Brabus-G-Benz des Scheichs von einem Lada Niva.

Schauen, was geht, das geht auf öffentlichen Straßen sonst nie. Hier aber schon, den die Straße ist gesperrt. Und so gehen wir an die Leistungsgrenze, schätzen die Bremsreserven, klopfen die Gänge mit dem Schaltautomat manchmal mit etwas Nachdruck nach oben und unten, schnupfen die Spitzkehren als säßen wir auf einer Reiseenduro und reiten auf dem Teufel durch die Wechselkurven wie die apokalyptischen Reiter. 

In letzter Konsequenz trennt sich die Spreu vom Weizen und es zeigt sich, dass die Diavel doch kein sportliches Naked Bike ist. Beim harten Ankern und scharfen Einbiegen muss man sie plötzlich härter an den Hörnern packen und in die Knie zwingen, dass sie den engen Radius auch hält und nicht Richtung Kurvenausgang drängt. Hier spürt man die Bereifung und das Gewicht dann doch, wir reden aber von einem Bereich, den man nur selten betreten wird (wollen) und für den wir die Rennstrecke empfehlen.

 

Mit dem neuen Motor fährt die Diavel eleganter, leichtfüßiger, braucht aber auch etwas mehr Drehzahl. Der 1260er-V2 hatte um drei Newtonmeter mehr, entscheidender sind aber die höheren Drehzahlen des kleineren V4. Ergo: Man muss ihn mehr drehen. Oder anders formuliert: Man kann ihn mehr drehen. Für Besitzer einer alten Diavel, die umsteigen möchten, ist es zunächst sicherlich eine Umstellung, aber ganz ehrlich: Wer vermisst noch den V2 in der Multistrada? Der V4 hat gegenüber dem Zweizylinder nur Vorteile, die Umrüstung hat die Multi wie die Diavel auf ein neues Level gehoben. 

Der rauere, urwüchsigere Charakter hat vielleicht besser zur eigentlichen Idee der Diavel gepasst, aber fahrdynamisch ist alles besser geworden. Man kann mit der Diavel auch ohne Weiteres auf große Toure gehen, so angenehm und bequem fährt sie sich. Ein weicherer Sitz und ein kleines Windschild wären sicher kein Fehler, aber als Touringsbike taugt die Diavel auf alle Fälle, ein Tempomat ist serienmäßig an Board, entsprechendes Original-Zubehör gibt es genug. 

Was wir uns noch wünschen würden: ein elektronisches Fahrwerk. Das würde hervorragend zur Diavel passen. Allerdings ist der Preis mit 33.295 in Österreich schon empfindlich hoch. Aber man darf nicht vergessen, dass man mit der Diavel gleich drei Motorräder kriegt. 

Technische Daten Ducati Diavel V4:

Motorleistung: 168 PS / 123,6 kW bei 10.750 U/Min
Drehmoment: 126 Nm bei 7.500 U/min
CO2-Emissionen: 154 g/km, Verbrauch: 6,4 l/100 km
Abgasnorm: Euro 5, 100 dBA Nahfeldpegel

4 Zylinder 4-Takt-DOHC-Granturismo-Einspritzmotor
1.158 ccm - 83,0 mm Bohrung - 53,5 mm Hub
6-Gang-Getriebe mit DQS EVO2 Quick-Shifter (Up/Down)
Hydraulische Anti-Hopping Kupplung mit Self-Servo-System
60.000 km Ventilserviceintervall, 24 Monate Garantie

Aluminium-Monocoque-Rahmen
50 mm Up-Side-Down-Gabel, 120 mm Federweg
Sachs Mono-Federbein, 145 mm Federweg
5-Speichen-Leichtmetallfelgen (gefräst)

Bosch Kurven-ABS-System (Funktionsweise einstellbar)
Hydraulische 330 mm Zweischeibenbremsanlage,
Brembo 4-Kolben-Monoblock-Bremszangen Stylema M4.30 (V)
Hydraulische 265 mm Einscheibenbremsanlage,
Brembo 2-Kolben-Bremszange PF30/32 (H)

2305 x 834 x 1340 mm (LxBxH)
790 mm Sitzhöhe, 1593 mm Radstand
235 kg Fahrfertig (2.1.1 - Mass in Running Order)
210 kg Trockengewicht (2.0.0), 455 kg zul. Gesamtgewicht (2.1.3)

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