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Test: Triumph Speed Twin 1200/1200 RSGanz schön – schnell!
Nach sechs Jahren spendiert Triumph der Speed Twin ein deutliches Update, wir haben hier schon im Detail berichtet. Kurz zusammengefasst:
- Kurven-ABS und Schräglagen-Traktionskontrolle sind nun Standard
- Die Leistung steigt von 100 auf 105 PS
- Das Federbeine der Speed Twin 1200 besitzen nun Ausgleichsbehälter
- Die Doppel-Analog-Instrumente werden durch einen kompakten, digitalen LCD/TFT-Bildschirm ersetzt
- Der Tank (nun mit Klappdeckel) wurde neu gestaltet, wirkt nun schlanker; dazu gibt’s flache Seitendeckel
- Ein neuer LED-Scheinwerfer besitzt eine Alu-Einfassung und -Blende
- Neue Räder wirken schlanker, sportlicher
- Die Sitzbank wurde ebenfalls schlanker und im vorderen Bereich schmaler
- Der Lenker erlaubt eine etwas aufrechtere Sitzposition
Erstmals nimmt Triumph außerdem eine zweite Modellvariante ins Programm: die Speed Twin RS. Sie soll die Lücke ausfüllen, die durch die Einstellung der Thruxton entstanden ist und markiert nun die sportliche Speerspitze der britischen Klassik-Baureihe. Die Unterschiede zum Basismodell:
- Die Marzocchi-USD-Gabel ist voll einstellbar
- Am Heck finden sich Öhlins-Federbeine, ebenfalls voll einstellbar
- Die vorderen Bremssättel tragen das Gütesiegel „Brembo Stylema“
- Die Bereifung besteht aus Metzeler Racetec RR (statt Sportec RR)
- Das Heck steht etwas höher, der Lenker ist tiefer, die Fußrasten wurden nach oben und hinten versetzt
- Es gibt den zusätzlichen Fahrmodus „Sport“
- Erstmals bei einem Triumph-Klassiker wird ein Quickshifter verbaut
- Die Kotflügel v/h bestehen aus gebürstetem, Aluminium
Soviel zu den News und Unterschieden. Jetzt aber hinauf auf die langen, flachen Roadster-Sättel und durch die fantastische Bergwelt der Balearen!
Herrlichste Bedingungen also und dazu die fantastischen Straßen durch das Tramuntana-Gebirge im nordwestlichen Teil von Mallorca. Kurven, Kurven, Kurven, dazwischen prächtige Ausblicke auf die Steilküste und das Meer. Auf passender Weise vereint die Location damit die Grundtalente der Triumph Speed Twin: Dynamik und Genuss.
Hauptdarsteller ist dabei weiterhin der Motor, dessen Charakter sich auch unter Euro5+ nicht geändert hat. Er ist ein Bulle, der aus tiefsten Drehzahlen kräftig anschiebt, dabei immer sauber und kontrollierbar bleibt. Besonders geil ist’s immer dann, wenn er mit tiefen Drehzahlen aus den Ecken stampft – so muss sich eine Stampede anfühlen.
Der Asphalt auf unserer Route längs des Gebirgszugs ist nicht durchgängig perfekt; zwischendurch wird es auch holprig, ab und zu sind im Schatten noch morgenfeuchte Flecken zu finden – man ist gut beraten, flüssig durch die Radien zu schwingen. Das gelingt mit der Speed Twin perfekt. Wir haben mit dem Basismodell begonnen, das sich hier zuhause fühlt – und wir uns auf ihr. Die Ergonomie könnte nicht entspannter sein, man sitzt völlig aufrecht, der Kniewinkel ist moderat. Klar, die Sitzbank lässt sich nicht mit jener eines Reisemotorrads vergleichen, aber angesichts der flachen Form ist der Komfort alleweil höchst in Ordnung. Genauso wie übrigens der Federungs- und Dämpfungskomfort; die Marzocchi-Komponenten holen das Maximum aus den designbedingt kurzen Federwegen.
Wir sind glücklich und zufrieden – bis die erste schnellere Passage beginnt. Der Motor spielt hier mit, aber die Elektronik schiebt den ersten Riegel vor: Die Traktionskontrolle erweist sich als sehr defensiv eingestellt, beim Beschleunigen aus dem Kurven warnt bald eine gelbe Leuchte im Cockpit; offenbar noch ohne einzugreifen. Geht man’s dann noch hurtiger an, dann wird die Traktionskontrolle auch tatsächlich aktiv. Sehr sanft zwar, aber dennoch fühlt es sich an, als würde einen jemand an der Lederjacke zurückhalten. Man muss das Bike daher bewusst schneller aufrichten, dann wird die Leistung freigegeben und man pfeilt aus den Kurven.
Die Traktionskontrolle separat einzustellen, diese Möglichkeit wird hier leider nicht geboten. Ihre Stufen sind an die Fahrmodi gebunden, im Fall des Basismodells also an Rain und Road. Sie abzuschalten ist jedoch möglich. * Dazu siehe auch Nachtrag am Ende des Texts
Beim forscheren Fahren durch eine Sektion mit Rennstrecken-würdigen Asphalt zeigt sich dann ein weiteres Handicap: Die Vorderbremsen – zugeliefert von Brembo-Tocher J.Juan – erzeugen zwar eine mächtige Verzögerung, sind dabei aber alles andere als fein dosierbar. Zudem erweist sich auch die Gabel als wenig feinfühlig, wenn es ambitionierter zur Sache geht: Einzulenken, während man noch auf der Bremse ist, das erledigt die Speed Twin 1200 nur widerwillig. Und wenn man dann vor dem Scheitelpunkt die Bremse vorsichtig löst, kommt wieder Unruhe ins Fahrwerk, was erneut die Linie beeinflusst. Bremsen in Schräglage wird ohnehin mit einem merklichen Aufstellmoment beantwortet.
Kann die RS forciertes Fahren besser unterstützen? Sie kann. Die Bremse ist hier – wie angesichts der verbauten Ware zu erwarten – exzellent dosierbar, und das Zusammenspiel mit der Gabel klappt auf hohem Niveau. Somit sind Brems- und Kurvenstabilität deutlich besser und ermöglichen ein weitaus geschmeidigeres Schnellfahren.
Muss man für diese Talente bezahlen, abgesehen vom höheren Kaufpreis? Klar, aber die Einschränkungen halten sich in Grenzen, denn die Ergonomie ist immer noch mehrheitsfähig. Den leicht erhöhten Druck auf den Handgelenken spürt man höchstens nach einem langen Fahrtag auf schlechtem Asphalt, und auch der engere Kniewinkel ist nicht übertrieben – solange man nicht zu groß gewachsen ist. Mit unseren 1,80 Meter hatten wir absolut keine Probleme, aber von ein paar deutlich größeren Kollegen waren Seufzer zu hören.
Ganz generell ist auch das Fahrwerk eine Spur straffer abgestimmt, wobei wir leider keine Möglichkeit hatten, mit den vielfachen Verstellmöglichkeiten zu experimentieren. Es sollte aber noch in jede Richtung Reserven geben.
Ein deutlicher Unterschied: Durch die höher gesetzten Fußrasten steigt auch die Bodenfreiheit merkbar. Mit dem Standardmodell hatten wir in schnellen Kurven Asphaltkontakt, mit der RS waren es nur die Außenseiten der Sohlen, die ab und zu am Boden waren.
Es mag an der grundsätzlich nochmals schärferen Gangart liegen, die man mit der RS einschlägt, aber auch hier mussten wir notieren, dass die Traktionskontrolle sogar im nochmals toleranteren Sportmodus zu früh regelt. Man kann’s auch als Erziehung zu einem sauberen Fahrstil sehen – oder sie einfach abschalten. *Dazu siehe auch Nachtrag am Ende des Texts
Noch ein paar Worte zum Quickshifter, einer Ausstattung, die Triumph üblicherweise mit Bravour adaptiert. In diesem Fall vollziehen sich die Schaltvorgänge nach oben allerdings oft zu ruckartig, vor allem im unteren oder mittleren Drehzahlbereich und in den unteren Gängen. Je höher man dreht und in je höheren Gängen man fährt, desto geschmeidiger laufen die Gangwechsel ohne Kupplung ab. Aber genau dieser Fahrstil passt ja eigentlich nicht zur bulligen Speed Twin 1200.
Besser funktioniert’s in die andere Richtung: Beim Stepptanz vor engen Kehren klappt der sportliche Downshift sehr gut.
Diese Bewertung ist auch ein Stichwort für das neue Multifunktions-Rundinstrument und dessen Bedienung. Einmal erlebt wird man den vergleichsweise klobigen Röhren mit Analog-Uhren nicht mehr nachtrauern – in schlanker Form wird hier eine Fülle an Infos übersichtlich und intuitiv bedienbar dargestellt. Einziges Handicap: Je nach Sonnenlicht spiegelt die Kunststoffabdeckung mitunter, aber nicht so, dass es wirklich ein Problem wäre.
Unterm Strich, unser Fazit: Die wunderschöne Speed Twin 1200 ist noch einmal edler, schöner, begehrenswerter geworden und bringt mit neuen Schräglagen-Assistenzsystemen nun ein wichtiges Upgrade für die Sicherheit. Wer mit dieser Beauty gepflegt über die Hausstrecke wedeln will, ohne nach der letzten Rille zu trachten, der bekommt mit dem Basismodell einen komfortablen, entspannten Roadster mit jeder Menge motorischem Charisma.
Beim Pressing gelangt das Basismodell aber bald an seine Grenzen, vor allem aufgrund der Vorderbremse und der Abstimmung der Gabel. Für solche Zwecke springt nun die RS in die Bresche, die dafür moderate Abstriche beim Sitz- und Federungskomfort einverlangt – aber längst nicht in jenen Ausmaßen, die früher galten: Wer schnell sein will, muss leiden, hieß es damals. Heute könnte man sagen: Wer schön sein will, kann auch schnell sein.
Die ersten großen Speed Twins des neuen Jahrgangs 2025 sollten in Kürze bei den Händlern eintreffen.
Triumph Speed Twin 1200/1200 RS: die Preise (Stand 11/24)
Österreich
Triumph Speed Twin 1200: 16.195 Euro
Triumph Speed Twin 1200 RS: 18.695 Euro
Deutschland (Preise zzgl. LNK)
Triumph Speed Twin 1200: 13.895 Euro
Triumph Speed Twin 1200 RS: 16.195 Euro
* Nachtrag vom 10.12.25: Unser Feedback von den Testfahrten und jenes der Kollegen hat dazu geführt, dass die Entwicklungsabteilung von Triumph die Kalibrierung der Traktionsontrolle noch einmal überarbeitet und nun weniger defensiv auslegt. Dies gilt für beide Modelle, also Basis und RS. Bereits produzierte bzw. ausgelieferte Fahrzeuge werden durch ein Software-Update auf den dann neuen Stand gebracht.
Bildergalerie Triumph Speed Twin 1200/1200 RS
Triumph Speed Twin 1200/1200 RS mit Zubehör