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Im Test: Indian Chieftain 112 und Challenger 112Die stärksten Bagger der Welt
Umbruch im Line-up der großen Bagger und Tourer bei Indian: Jetzt fahren auch Chieftain und Roadmaster – bisher mit dem luftgekühlten Thunderstroke-V2 unterwegs – mit dem flüssig gekühlten PowerPlus-Motor. Die Details haben wir euch bereits hier geschildert.
Dieser „Umzug“ auf eine neue Plattform wird von einer neuen gestalteten Verkleidung begleitet – deutlich moderner als bisher, aber immer noch der klassischen, eher puristischen Formensprache verpflichtet. Der runde LED-Scheinwerfer wurde daher beibehalten. Er blickt aber ein wenig strenger, dank abgeschrägtem oberen Rand, und wird von dezenten Tagfahrleuchten flankiert.
Diese neue Ausrichtung von Chieftain und Roadmaster bleibt freilich nicht die einzige Neuheit. Indian hat erstmals seit seiner Einführung 2020 auch den PowerPlus-Motor deutlich überarbeitet. Er wurde größer, legte von 1768 auf 1834 Kubikzentimeter zu. 112 Cubic Inches sind es nun, daher der Name: PowerPlus 112. Dieses Wachstum ermöglichte es, dass der flüssig gekühlte Vierventiler trotz Erfüllung von Euro5+ an Leistung zulegt: 126 statt 122 PS sind es, dazu 181,4 Newtonmeter statt bislang 178 – und dies weiterhin bei niedrigen 3800 Umdrehungen.
Das Upgrade gilt für die gesamte Modellfamilie, nicht nur für die Chieftain und die Roadmaster – auch die Challenger und die Pursuit, die schon bislang mit dem PowerPlus-Motor unterwegs waren, profitieren von dem Upgrade. Genauso wie von ein paar zusätzlichen Ausstattungen, die nun für alle vier Modelle serienmäßig sind:
- ein Hill Holder, also Berganfahr-Assistent
- ein Integral-Bremssystem, das in beide Richtungen wirkt (egal, welche Bremse man betätigt, die zweite wird automatisch aktiviert – bei Geschwindigkeiten über 20 km/h)
- eine Bosch-Radareinheit am Heck, die einen Tote-Winkel-Assistenten und einen Auffahrwarner mit Daten versorgt
Diese drei Innovationen gesellen sich zu einer Ausstattung, die bislang bereits üppig war und von der elektrisch verstellbaren Scheibe über Kurven-ABS, Schräglagen-Traktionskontrolle, drei Fahrmodi, Soundsystem, Connectivity inklusive Navi und Apple CarPlay bis hin zum Tempomaten und dem Keyless-System samt Zentralverriegelung reichte. Die Tourer verfügen außerdem über beheizte/gekühlte Sitze und einer Verstellung der Vorspannung am Heck per Knopfdruck.
Für unseren ersten Test im US-Bundesstaat Nevada konnten wir die beiden Bagger ausfassen, Chieftain und Challenger. Der Unterschied zwischen den beiden besteht nach der neuen Ausrichtung der Chieftain „nur“ mehr in der Verkleidung: Sie behält einen lenkerfest montierten Schutz, der aufgrund dieser Montageform kompakter gestaltet werden kann. Er ist zudem auch um rund sechs Kilo leichter als die rahmenfeste Verkleidung der Challenger.
Abgesehen davon sind die beiden Modelle identisch. Und: Sie sind die aktuell die mit Abstand stärksten Bagger am Markt.
Jetzt aber hinauf in die breiten und tiefen Sättel (Sitzhöhe 672 Millimeter) und hinaus ins weite Land. Cruisen in Amerika – das fühlt sich gleich richtig an. Noch dazu in der spektakulären Landschaft Nevadas. Das Smartphone ist auch schnell verbunden, die Country-Playlist ausgewählt und schon singt Chris Stapleton von Alkohol und Liebe. Der Sound aus den vier PowerBand-Lautsprechern (ein Upgrade) ist jedenfalls exzellent und bietet bis weit über Landstraßentempo eine feine akustische Kulisse.
Dabei wäre der Motor allein eigentlich auch schon ausreichend für musikalische Untermalung. Der Sound ist mit gesteigertem Hubraum nochmals eine Spur kerniger, tiefer geworden, aber ohne richtig laut zu sein. Vor allem für den Fahrer ist er aber immer präsent, egal, ob man mit niedrigsten Touren dahinzuckelt oder die Nadel durchs Drehzahlband jagt.
Auch in der Performance und in Sachen Kultiviertheit ist der PowerPlus 112 eine Wucht. Völlig frei von Lastwechselreaktionen, dafür mit einer großartigen Geschmeidigkeit ausgestattet kann man ihn im sechsten Gang ab 1500 Umdrehungen ruckfrei beschleunigen. Und das Gefühl von Kraft und Bulligkeit ist stets präsent.
Das Zusammenspiel mit dem Sechsganggetriebe funktioniert ebenfalls einwandfrei. Es lässt sich präzise und mit wenig Kraftaufwand schalten, auch ohne fettem Klonk beim Einlegen des ersten Gangs – besser geht’s nicht.
Dass man die für einen großen V2 erstaunliche Drehfreude immer wieder gerne auskostet, liegt auch am bekannt hervorragenden Fahrwerk. Gerade dieser Punkt hat ja in den letzten Jahren dazu geführt, dass die Challenger alle Vergleichstests bei uns klar gewonnen hat.
Das Fahrwerk wurde so gut getroffen, dass es bei exzellentem Komfort doch auch stabil bleibt – bis in höchste Geschwindigkeitsregionen. Man muss es schon sehr provozieren oder ungebührlich schnell unterwegs sein, um einmal ein kleines Aufschaukeln zu erleben. Und das bei Gewichten von 382 Kilo vollgetankt für die Chieftain und 388 Kilo für die Challenger.
Gleichzeitig sorgt die klug gewählte Geometrie, unterstützt von einem tiefen Schwerpunkt, für eine erstaunliche Handlichkeit der großen Geräte. Das Einlenken geht leicht von der Hand und lässt sich präzise erledigen.
Hier kommen wir allerdings zu den leichten Unterschieden zwischen Chieftain und Challenger, die man beim Fahren beobachten kann. Durch die rahmenfeste Verkleidung, die der Gabel freies Spiel lässt, lässt sich die Challenger noch um eine Spur präziser dirigieren und liegt gleichzeitig satter, souveräner auf der Fahrbahn. Und bei schlechter, welliger Fahrbahn werden weniger Vibrationen auf den Lenker übertragen, die Gabel dürfte hier noch etwas mehr Reserven haben und damit eine Spur sensibler arbeiten können.
Auch hinsichtlich des Windschutzes gibt es Unterschiede, sogar recht markante. Während der Schutz des Kopfs durch die elektrisch verstellbare Scheibe bei beiden Modellen etwa gleich ausfällt – nämlich sehr gut – bedingt die ausladendere und vor allem seitlich weiter nach unten reichende Verkleidung der Challenger auch einen besseren Windschutz für den Oberkörper.
Bei der Chieftain treten hier die Luftströme ungehindert durch und verwirbeln sich vor dem Oberkörper. Das kann im Sommer durchaus einen angenehmen Effekt haben, bei Kälte oder Regen aber nachteilig sein.
Identisch sind wiederum die großformatigen Brembo-Bremsen, die nun mit Integral-Funktion ausgerüstet wurden. Die Wirkungsweise einer Integral-Bremse ist ja nicht neu, die Abstimmung wurde aber gut getroffen. Als Fahrer spürt man keine unangenehmen Nebenwirkungen oder überraschende Aktionen. So ist das System auf jeden Fall ein Zugewinn für die Sicherheit.
Ob das auch für die Assistenzsysteme gilt, muss jeder für sich entscheiden. Für uns ist der Tote-Winkel-Warner noch im Bereich des Sinnhaftigen, beim Heck-Aufprallwarner sind wir da nicht so sicher. Dass man zu schnell nähernde Fahrzeuge mittels automatischem Warnblinken auf sich aufmerksam macht, ist ja noch ganz in Ordnung. Dass man aber bei Fahrzeugen, die nach Meinung der Elektronik zu nah auffahren, eine schlecht sichtbare Warnmeldung am TFT-Schirm bekommt, ist aber eher lästig. Man kann diese Warnung zum Glück im Setup-Menü ein für alle Mal deaktivieren.

Neu: Indian Sport Chief RT
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Bei beiden Modellen sehr gut gelungen ist die Bedienung: via Touchscreen oder den klug sortierten Elementen am linken Lenkerende. Die Ansichten lassen sich auch ganz einfach per Drag-and-Drop personalisieren, also so anordnen, wie man das gerne hätte. Die zusätzlichen zwei Analog-Instrumente wirken daneben schon ein wenig antiquiert, lassen sich aber klaglos ablesen und werden die traditionsbewusste Klientel beglücken.
Zusätzlich zum serienmäßig Gebotenen war Indian auch die Zusammenstellung eines umfangreichen Zubehörprogramms wichtig: Customizing lautet das Schlagwort der Szene, und so gibt es werkseigenes Zubehör in epischer Breite: neben Klassikern wie Heizgriffe und dem schon erwähnten Audio-Update sind es unterschiedlichste Sättel, Scheiben, Rückenlehnen und viele Abdeckungen/Behübschungen. Auch ein flacheres 45-Liter-Topcase steht für alle bereit, die ihren Bagger kurzfristig mit mehr Stauraum ergänzen wollen. Anbringen und Abnehmen soll in wenigen Minuten möglich sein, erklären die Techniker.
Unterm Strich: Mit den 2025er-Updates bekommt die Bagger-Baureihe von Indian noch einmal deutlich mehr Schwung. Auch wenn die Gralshüter möglicherweise dem luftgekühlten Thunderstroke-V2 nachweinen, der PowerPlus sollte sie am Ende doch überzeugen: Der Motor hat Charisma, Charakter und deutlich mehr Punch. Mit diesem Kunstwerk übers Land zu cruisen ist ein echter Quell der Freude, nun nochmals mehr mit dem kleinen, aber spürbaren Zuwachs an Power.
Dazu kommt noch das sensationell getroffene Fahrwerk, eine entspannte Sitzposition und vieles andere, das Indian bei diesen Modellen richtig gemacht hat. Ob es sich bei den neuen Bagger-Modellen tatsächlich um die besten am Markt handelt, wie wir nach dieser ersten Verkostung meinen, das wird ein dringender Vergleichstest in diesem Frühjahr zeigen.
Indian PowerPlus 112: die Preise
Deutschland
Indian Chieftain 112 Ltd: € 33.390,–
Indian Cheiftain 112 Dark Horse: € 34.390,–
Indian Challenger 112 Ltd: € 33.390,–
Indian Challenger 112 Dark Horse: € 34.390,–
Indian Roadmaster 112 Ltd: € 35.790,–
Indian Roadmaster 112 Dark Horse: € 36.790,–
Indian Pursuit 112 Ltd: € 35.790,–
Indian Pursuit 112 Dark Horse: € 36.790,–
Österreich:
Indian Chieftain 112 Ltd: € 39.990,–
Indian Cheiftain 112 Dark Horse: € 41.290,–
Indian Challenger 112 Ltd: € 40.090,–
Indian Challenger 112 Dark Horse: € 41.290,–
Indian Roadmaster 112 Ltd: € 42.990,–
Indian Roadmaster 112 Dark Horse: € 44.190,–
Indian Pursuit 112 Ltd: € 42.990,–
Indian Pursuit 112 Dark Horse: € 44.190,–
Stand: Februar 2025; alle Preise zzgl. LNK