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Elektrische Ducatis?Borgo Panigale unter Strom
Ducati und Elektro?! Muss uns das schocken? Auf den ersten Blick vielleicht ja, bei genauerem Hinsehen hinterlässt das hinter den aktuellsten Elektro-Plänen aus Borgo Panigale stehende Konzept aber eher gehobene Augenbrauen. Warum? Weil man im Gegensatz zu vielen anderen Herstellern nicht "irgendein" halbgares E-Fahrzeug voller Kompromisse auf die Räder stellen, sondern Nägel mit Köpfen machen will. Der Dreh- und Angelpunkt der Ducati V21L-Studie sind die Feststoff-Zellen. Damit setzt sich Ducati (mit der technologischen Macht des VW-Konzerns) ganz klar an die Spitze von allem, was derzeit elektrisch auf zwei Rädern daher kommt.
Natürlich rührt Ducati rührt damit am Markenkern. Aber die Leistungsfähigkeit der Feststoffzellen-Technologie setzt genau dort an, wo jedenfalls bisher die lauteste Kritik gegen Elektro-Motorräder zu hören war: Bei der Energiedichte, der Reichweite und der Ladegeschwindigkeit. Schon davor wurden während der Entwiclung der vergangenen 3 Jahre im MotoE-Programm 8,2 kg Gesamtgewicht beim Batteriepack eingespart. Und die aktuelle Demo-V21L setzt mit QS-Feststoffzellen auf 844 Wh/L Energiedichte, 10–80 % in „gut 12 Minuten“ sowie 10 C Dauer-Entladung. Das ist schlicht sensationell im Vergleich mit dem, was wir aktuell noch von E-Motorrädern gewohnt sind.
Was bedeutet das aus technischer Sicht bei genauerem Hinsehen? Die alte V21L - also ohne Feststoffzellen, sondern noch mit Li-Ion/NMC - fährt mit 18 kWh, das Batteriepack wiegt 110 kg, hat einen 20-kW-DC-Lader im Heck und kommt damit in 45 Minuten auf 80 %. Das Motorrad wiegt dabei 225 kg. Wichtig beim Vergleich mit Feststoff-Zellen ist dabei: Die verbauten (alten) Zellen liegen bei ca. 242 Wh/kg (gravimetrische Energiedichte) und ca. 640 Wh/L (Volumsenergiedichte) auf Zellebene. Die höhere Energiedichte (Volumen) der Feststofzellen von 844 Wh/L entspricht ca. 30 % mehr auf Zellebene. Übertragen auf die V21L heißt das: Bei gleicher Pack-Baugröße lägen statt 18 kWh ca. 23,6 kWh an – oder umgekehrt: rund 24 % weniger Packvolumen bei gleicher Energie! In beiden Fällen verbessert sich die Verpackung (schlanker Mitteltunnel, mehr Freiheiten für Fahrwerksgeometrie/Schwerpunkt).
Mehr Dauerleistung und Standfestigkeit: Bei10 C Dauer-Entladung ergibt das sogar bei 18 kWh rechnerisch 180 kW Dauerabgabe; die V21L liegt aktuell bei 110 kW Maximalleistung, womit sie sogar im ernsten Rennbetrieb reichlich Reserven bietet. Etwa gegen thermisches Derating über die volle Renndistanz. Das verspricht am Ende konstantere Rundenzeiten und viel weniger Leistungsabfall am Rennende - und damit eine erhebliche Verbesserung im Vergleich mit der aktuellen Situation.
Auch beim Laden ist "Vollgas" angezeigt: Von 45 min auf 12 min (10–80 %). Das ist ein Faktor 3,7 schneller! Damit wird bei Rennen ein 20-Minuten-Boxenstopp (Entladen, Rollen in die Box, Stecken, Fahrerwechsel, etc.) realistisch und für Alltagsfahrer stellt sich faktisch ein Gefühl der Normalität wie beim Tanken eines Verbrenners ein. Und da reden wir noch gar nicht von der massiv höheren Sicherheit der Feststoffakkus: Keine flüssigen, brennbaren Elektrolyte, geringere Ausgasung, bessere Schnelllade-Temperaturfenster, etc. Das hilft bei der Dickte der Akku-Verpackung (weniger Crash-Schutzvolumen nötig) und reduziert nebenbei auch die Kühlaufwände.
Und außerdem sind die Akku-Packs leichter.
Und wie geht es weiter? Bleiben wir realistisch: Ducati sieht sich mit der neuen V21L einmal an, was rein technologisch mit der Feststoffzellen-Technologie machbar ist. Die Richtungsvorgaben des Managements sind diesbezüglich sehr deutlich:
- Aktuell: Die V21L ist ein Funktionsdemonstrator für eine E-Renn-Ducati mit Feststoffzellen-Akkus.
- Der nächste Schritt wird sehr wahrscheinlich ein Kundensport- oder Track-Package mit Feststoff-Pack. Das aber zunächst in kleiner Serie mit entsprechender Bepreisung.
- Erst danach dürfen wir mit Straßen-Ducati mit Feststoffchemie rechnen, also sobald die Akku-Kosten, die passende Schnelllade-Infrastruktur und die Haltbarkeit im Alltag dazu passen. Was wir konkret erwarten dürfen, ist ein Gewicht von unter 220 kg, eine Ladezeit von 10–15 min (10–80 %) und auch dann noch ein Einsatzprofil, das eher für flotte Hausstrecken statt für die 1000-km-Tagestour passt. Wobei die kurze Ladedauer der eigentliche Game-Changer ist ...