Pablo Quintanilla ist der neue Rallye-Raid-Weltmeister 2016. Der 29 Jährige (180cm, 80 Kilo) wurde in Valparaiso/Chile geboren und fährt seine zweite Saison im Rockstar Energy Husqvarna Factory Racing Team. Jetzt will er seine Karriere mit dem Triumph bei der Rallye Dakar krönen. Wir baten den sympathischen Südamerikaner zum Gespräch.
Pablo, herzliche Gratulation zum Sieg in der Rallye-Raid-WM. Wie stark ist durch diesen Erfolg der Druck für die Dakar-Rallye gewachsen?
Ich bin jetzt zweifellos ein Favorit für den Sieg, aber ich lass mir ohnehin keinen Druck machen. Es ist ein langes Rennen, da kann ziemlich viel passieren. Es ist unmöglich auf 9000 Kilometern keine Fehler zu machen. Ich gebe einfach mein Bestes und seh dann ohnehin wie’s läuft. Aber letztes Jahr habe ich verletzungsbedingt erst 14 Tage vor Dakar-Start richtig zu Trainieren beginnen können und bin trotzdem Dritter geworden – nach nervenaufreibendem Kampf mit Antoine Meo. Dieses Jahr bin ich viel besser vorbereitet und Druck schon gewohnt. Dementsprechend hoch sind die Erwartungen an mich selbst. Mein Team hofft natürlich auch stark auf einen Triumph, aber das versucht man mir nicht zu zeigen. Die wissen eh, dass ich mir meiner Situation selbst ziemlich bewusst bin.
Wer hat sonst noch beste Chancen auf den Dakar-Sieg?
Die gefährlichsten Konkurrenten fahren auf jeden Fall auf KTM: Toby Price and Sam Sunderland. Vielleicht haben auch Matthias Walkner und mein Teamkollege Pela Renet eine Chance. Trotzdem ist die Atmosphäre im Team übrigens freundlich und professionell. Jeder kennt seine Aufgaben, alle ziehen an einem Strang. Als Pilot kann ich mich ausschließlich auf das Rennen konzentrieren.
Welcher Triumph zählt für dich mehr? Der Rallye-Raid-Weltmeistertitel oder ein Dakar-Sieg?
Ich glaube der Dakar-Sieg ist schwieriger zu erreichen, weil das Rennen so unglaublich lang und für Mensch und Maschine extrem strapaziös ist. Ich wollte aber ohnehin immer beide Titel. Nach meinem WM-Sieg konzentriere ich mich jetzt voll auf die Dakar, das ist nun das Allerwichtigste für meine Karriere.
Gibst du während einer Rallye ständig 100 Prozent, nach dem Motto „Sieg oder Sturz“?
Ich fahre nicht ständig Vollgas, Taktik ist irrsinnig wichtig. Man muss einfach in jeder Etappe wissen wann es Zeit ist zu riskieren und wann man das Motorrad besser schont. Man kann schließlich nicht jeden Tag perfekt drauf sein. Das kann ich mittlerweile ziemlich gut abschätzen, das ist meine große Stärke. Außerdem habe ich meine Navigationskenntnisse ziemlich weiterentwickelt. Wenn’s dann noch eine schnelle Flatout-Wüstenetappe und keine technische Bergetappe ist, schlägt meine Stunde. Über 160 km/h, wenn Pilot und Bike zu einer Einheit verschmelzen - das sind für mich die magischen Momente beim Rallye-Fahren. Natürlich wünsche ich mich ab und zu auch in einen Bürosessel, speziell bei 45 Grad Hitze und einem leeren Trinkrucksack.
Wie groß ist der Zusammenhalt unter den Mattighofener Rallye-Teampiloten?
Während des Rennens gibt’s natürlich keine Freundschaft, aber abends im Fahrerlager ist die Stimmung unter uns meistens sehr gut. Da werden unter den Husqvarna- und KTM-Piloten auch ganz entspannt mal ein paar Witze gerissen. Der amikale Respekt zwischen den beiden Teams ist jedenfalls immer spürbar.
2013 war dein erster Dakar-Start. Bist du mittlerweile schon abgebrüht?
Nein, ich bin generell vor jeder Etappe in jeder Rallye sehr nervös – aber man lernt damit besser umzugehen. Und sollte die Nervosität mal weg sein, werde ich wohl zurücktreten. Denn dieses Gefühl sorgt dafür, dass ich sechs Tage die Woche aufs Rad steige, Gewichte stemme, MX- oder Enduro-Fahren gehe - mich also für den Erfolg pausenlos quäle.
Fahrtechnik, Mut, Navigation, Kraft, Ausdauer – worauf kommt es besonders an?
Die physische Stärke ist bestimmt der wichtigste Teil bei der Rallye Dakar. Man schläft so irrsinnig wenig und powert sich zwischendurch völlig aus. Irgendwann kommt der Punkt an dem der Körper einfach rebelliert. Dann macht sich jede Minute Training bezahlt.
Wäre für dich als Chilene eine Rückkehr der Rallye Dakar nach Afrika denkbar?
Ich will weiter in Südamerika fahren. Das ist meine Heimat, da habe ich mehr Fans, ich verstehe die Sprache, und so weiter. Außerdem ist als große Stütze meine Freundin nicht weit, die ich das ganze Jahr über ohnehin viel zu wenig sehe. Aber falls die Rallye Dakar jemals wieder in Afrika sein sollte, werde ich natürlich auch dort alles geben um zu gewinnen.
Wer ist der netteste Typ im Rallye-Zirkus?
Meinen Teamkollegen Pela Renet kenne ich seit 2009, da sind wir Motocross gegeneinander gefahren. Er ist nicht nur ein toller Fahrer, sondern sonst auch ein Super-Typ. Wir sind echte Freunde und haben viel Spaß gemeinsam.
Mit Laia Sanz startet auch eine schnelle Pilotin bei der Dakar...
Laia ist eine richtig zähe Prinzessin. Unglaublich, dass sie nach Etappen, in denen selbst ich an mein Limit komme, immer noch lächeln kann und so tut als wäre nichts. Sie ist fahrtechnisch verdammt gut und kämpft sich ganz verdient immer wieder unter die Top Ten. Aber ich fürchte dann wird die Luft nach oben sehr, sehr dünn. Sag niemals nie, aber ein Sieg wird für sie trotzdem immer fast unmöglich sein.